Kapitel 32 - Regeln brechen und Konsequenzen

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Vorsichtig spähte ich um die Ecke und bemühte mich trotz des mich blendenden Zauberstabs etwas zu erkennen. Dann keuchte ich überrascht auf. Der Zauberstab gehörte keinem geringeren als meinem Paten höchstpersönlich. Hier stand er nachts vor der Tür zum verbotenen Korridor und hielt augenscheinlich Wache.

Harry und Hermine konnten wohl also nicht hier sein. Aber das war für mich in diesem Moment nicht wichtig. Harry hatte absolut recht gehabt! Sie alle drei hatten Recht gehabt mit ihren Verdächtigungen und ich hatte es nicht sehen wollen. Wieso sollte er denn sonst hier stehen, wenn nicht um den Stein für sich selbst zu behalten? Vielleicht hatte Quirrell den Mut – woher auch immer – aufgebracht, sich gegen ihn zu stellen und da er nicht selbst an ihn herankam, wollte er nun verhindern, dass Quirrell ihn stahl. So musste es einfach sein!

Verwirrt beobachtete ich meinen Paten, dem ich nun jegliches Vertrauen entzogen hatte, dann drehte ich mich um und ging ebenso geistesabwesend in Richtung meines Betts. Ich merkte nicht, dass Snape gesehen hatte, wie sich etwas in den Schatten bewegte. Auch bemerkte ich Professor McGonagall nicht, in die ich in der Nähe ihres Büros fast hineinlief. Sie keuchte erschrocken auf und fasste sich ans Herz. Dann hielt sie ihren leuchtenden Zauberstab näher an mein Gesicht. „Wie ... Miss Black! Was machen Sie denn auch noch hier?"

Verdutzt blickte ich mich um, dann sagte ich das Erste, was mir als Ausrede einfiel: „Schlafwandeln."

McGonagall zog verblüfft ihre dünn gezupften Augenbrauen hoch. Aber sie schien es mir abzunehmen. Zumindest teilweise. Wenn ich auch nur halbwegs so durch den Wind aussah, wie ich mich fühlte, dann war das eine plausible Erklärung.

„Nun, Miss Black, dann sollten sie wohl mal besser in ihr Bett verschwinden und nächstes Mal doch bitte Vorkehrungen treffen." Ich nickte niedergeschlagen und tat, als würde mir es schrecklich leidtun. Tatsächlich hatte ich gerade Schuldgefühle, aber nicht ihr gegenüber, sondern Harry. Trotzdem murmelte ich „Gute Nacht" und ging an ihr vorbei.

„Miss Black?", rief meine Hauslehrerin mich zurück. Ich bemerkte das Haarnetz aus ihrem Kopf erst jetzt. „Sie haben nichts von dem nächtlichen Ausflug von Potter, Granger und Longbottom gewusst, oder?" Ich zögerte einen Augenblick zu lange. Enttäuscht schüttelte die Lehrerin den Kopf, sodass ein Lockenwickler wild hüpfte. „Ich will Gryffindor nicht noch mehr Punkte abziehen. Dafür werden Sie aber zusammen mit den anderen Schülern eine Strafarbeit erwarten. Ich hoffe, Sie wissen, wie enttäuscht ich von Ihnen bin."

Mir fiel mein Versprechen wieder ein, dass ich mir gegeben hatte. Keine Regelbrüche. Das hatte ja lange gehalten. Ich war jetzt offiziell kein Stückchen besser als mein massenmordender Onkel. Wenn er noch leben sollte, konnten wir bestimmt eine lustige WG gründen. Mein Vater wäre bestimmt ebenfalls so enttäuscht von mir. Mein Vater ... hatte mir Snape die Sachen über ihn und sein vorbildliches Verhalten nur erzählt, um mich vom Herumstreunen und Schnüffeln abzuhalten? Vielleicht kam ich doch nach ihm und Snape hatte mich nur in meinem Zimmer halten wollen. Auch das Versprechen mit den Noten, die ich zu erreichen hatte ... das diente nur dazu, mich zu beschäftigen, um dann selbst den Stein an sich reißen zu können und unbehelligt davonzukommen. Ich glaubte es nicht.

Müde wünschte ich der Lehrerin erneut eine gute Nacht und entschuldigte mich ehrlich bei ihr. Ich bekam noch am Rande mit wie sie Sachen wie „dieses Ausnahmetalent und dann aber die Gene ihres Onkels", „Severus wird sich freuen" und „Potter und Black, genau wie damals" sagte. Das konnte aber auch meiner Fantasie entsprungen sein.

Im Nachhinein wusste ich nicht mehr genau, wie ich ins Bett gelangt war, aber zumindest wachte ich am nächsten Morgen dort auf. Als erstes galt meine Aufmerksamkeit Hermine, die sich mit rot verquollenen Augen ihre Schuluniform anzog. Ganz offensichtlich war auch sie von McGonagall erwischt worden. Aber erst in der Großen Halle merkte ich, wie schlimm die Auswirkungen von gestern Nacht wirklich gewesen waren. Gryffindor fehlten hundertfünfzig Punkte. Das sprach sich herum wie ein Lauffeuer, ebenso wie Harry, Hermine und Nevilles Beteiligung daran. Ich war froh, dass mir keine besondere Aufmerksamkeit zuteilwurde. Dennoch fühlte ich mich schuldig, weil ich mich in gleichem Maße schuldig gemacht hatte wie sie. Deshalb redete ich auch mit den dreien ganz normal weiter, während sich die meisten anderen von ihnen zurückzogen. Harry traf es am schlimmsten und genau genommen sprachen nur noch Hermine, Ron und ich mit ihm. Auch Eva zog es vor, sich von ihm fernzuhalten, da sie es auch nicht ganz nachvollziehen konnte, wieso ich plötzlich doch wieder mit ihnen befreundet war. Ich hatte Ron, Harry und Hermine von meinem nächtlichen Ausflug erzählt, auch von meinem unfreiwilligen Treffen mit Snape. Das bestärkte sie nur noch mehr in ihrer Theorie, dass Snape den Stein stehlen wollte. Ich sah das genauso, aber trotzdem hatte ich das nagende Gefühl, dass mehr dahinter steckte und ich irgendetwas übersah.

Eleonora Black und der Verbotene Korridor ∥ Ⅰ ∥ AbgeschlossenWhere stories live. Discover now