Beschissenes Timing

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Seine kühlen Lippen fühlten sich glatt und hart an meinen weicheren Lippen an.
Trotzdem pulsierte etwas wie ein elektrischer Schock von meinen Lippen aus durch meinen Körper und ich seufzte leise. Ich weiß nicht, ob sich dieses Verlangen schon lange in mir befindet, oder es etwas zutun hat mit meiner Nahtoderfahrung von vor einigen Minuten, aber ich wollte ihn. Ich wollte Nick. Ich habe mich so lange danach gesehnt, dass seine Lippen meine berühren.
Ich rückte näher an Nick heran ohne meine Lippen von seinen zu lösen. Er hob mich kurz hoch und zog mich auf seinen Schoß, so dass ich kniend auf seinen Oberschenkeln saß. Seine eine Hand legte sich an meinen inzwischen verheilten Rücken, ich spürte den leichten Druck seiner Finger durch den Verband, während er die Finger der anderen Hand in meinen Haaren vergrub um mich näher zu sich zuziehen. Meine Hände wanderten langsam von seinem Gesicht über seinen Nacken. Finger ertasteten jede Wölbung seines Oberkörpers, spürten die Kälte seiner Haut, die auch durch den Stoff seines Shirts zu spüren war. Meine Hände fanden den Saum seines T-Shirts und zogen es ihm über den Kopf. Nur für den kleinen Moment lösten sich unsere Lippen voneinander.
Aber es reichte um meine Gedanken zu mir aufschließen zu lassen.
Was taten wir hier?!
Ich ließ von Nick ab und stieg von seinem Schoß. Erschrocken hob ich meine Hand an meine Lippen, als wenn ich den Kuss dadurch rückgängig machen könnte. Scheiße...
"Was ist?", fragte Nick und sah mich verwirrt an. Ich versuchte nicht darauf zu achten, dass er ohne Shirt einfach unfassbar gut aussieht.
‚Der Kerl sieht aus, als wäre er gephotoshoped!', sagte der Teil meines Ichs, der sich immer noch in Nicks Arme schmeißen wollte.
'Halt die Schnauze, das hast du aus einem zweitklassigen Hollywoodstreifen!', schnauzte meine Vernunft diesen Teil an und unterstützte mich in meinem Vorhaben so schnell wie möglich von Nick wegzukommen. 
"Scheiße, das hätte nicht passieren dürfen." Ich stand auf und griff nach meiner Sporttasche. Schnell zog ich meine Sweatshirtjacke über und zog den Reißverschluss zu. So war ich immerhin nicht mehr halbnackt. "Du bist mit Joan zusammen.", stellte ich fest. Ich wischte meinen leicht blutigen Dolch an meinem ruinierten T-Shirt auf dem Boden sauber und verstaute auch ihn in meiner Tasche. „Und ich werde nicht zulassen, dass du mich benutzt, um sie zu betrügen und es ihr heimzuzahlen. So eine bin ich nicht." Mein Herz raste in meiner Brust als ich seinen Gesichtsausdruck sah. Das war also tatsächlich sein Plan gewesen. Mich benutzen und Joan betrügen. Fuck... „Aber das du mich benutzt hast, um sie eifersüchtig zu machen ist nicht mal das Schlimmste. Du hast meine Verletzlichkeit ausgenutzt. Du hast es ausgenutzt, dass ich in deiner Schuld stehe und dass ich durch die Prophezeiung verletzlich bin."
Tränen der Wut und des Unglaubens traten in meine Augen als ich endlich klar sehen konnte.
Wie konnte ich nur so dumm sein? Wie konnte ich ihm nur einfach so blind glauben?
Ich stürmte aus der Sporthalle. Die kühle Luft des Abends umfing mich und schien mich willkommen zu heißen. Ich unterdrücke einen frustrierten Aufschrei.
‚Jones, du bist einfach unbelehrbar.", sagte meine Vernunft und schüttelte missbilligend den Kopf. Gequält verdrehte ich die Augen. Ich weiß...
Durch den Hintereingang ging ich wieder ins Schlafgebäude und warf meine Tasche auf mein Bett. Die Tränen strömten über meine Wangen. Ich zog die Jacke aus und ein neues Shirt über.
Warum habe ich ihn nur so nah an mich heran gelassen? Warum habe ich nicht direkt einen Riegel vor die Gefühle geschoben? Warum musste ich denn Teil dieser beschissenen Prophezeiung sein?
Mein Herz schlug unangenehm und fühlte sich an als wollte es zerspringen. Nach diesem Kuss war mir klar, dass ich mich trotz der kurzen Zeit, die ich Nick erst kannte, in ihn verknallt hatte.
Fast noch schlimmer war nur, dass ich nun einen Teil von ihm in mir trug. Einen Teil, den ich so schnell nicht loswerden würde. Gerade waren die Schmerzen, die ich durch die Kampfverletzungen davongetragen hatte besser zu ertragen gewesen, als den Herzschmerz, den ich durch den Kuss empfand. 
Warum war ich nur so dumm?

HalfbloodWhere stories live. Discover now