"Wenn wir in unserer Seele graben..."

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Niklas fing mich auf, indem er mich an einem Oberarm fasste. Er selbst schien vollkommen fest zu stehen als sich seine Finger fest um meinen Arm schlossen.
Mein Buch fiel laut auf den Boden. Der Knall hallte einen Moment lang in der Eingangshalle wider.
„Oh mein Gott, Entschuldigung! Ist alles okay bei dir? Habe ich dir weh getan?", fragte ich hektisch bis er mich mit seinem süßen Lachen ablenkte. Erst als ich sein Lächeln sah wurde mir bewusst, wie bescheuert meine Frage nach seinem Wohlbefinden war. Einem Vampir konnte nichts so schnell weh tun.
„Mir geht's gut, Kate! Danke, aber du solltest langsamer laufen!"
Er grinste mich frech an, ließ meinen Arm aber immer noch nicht los. Sein Gesicht war nah an meinem.
Heilige Scheiße, sah er gut aus. Der hatte im Genpool wohl ziemlich zugeschlagen.
Es war äußerst frustrierend, dass alle Vampire und so ziemlich alle übernatürlichen Wesen verdammt gut aussahen.
„Ähm...?", sagte ich und tippte mit meiner freien Hand auf seine Finger an meinem Arm.
„Oh ja, entschuldige...", sagte er, schüttelte verwirrt den Kopf und bückte sich nach meinem Buch. Ich wollte es mir schnappen, bevor er den Titel lesen konnte. Aber er zog es weg und las den Titel.
„Anna Karenina? Gutes Buch!" Er sah vom Buch auf in mein überraschtes Gesicht.
„Ja, ich habe das Buch gelesen!", konterte er mit einem süffisanten Grinsen. In seinen blauen Augen lachte der Schalk. Langsam ging er einige Schritte in den Aufenthaltsraum. Was wollte er denn hier?!
Wenn wir in unserer Seele graben, fördern wir oftmals etwas zutage, das dort unbemerkt gelegen wäre.", sagte er mit einem traurigen Lächeln und in Gedanken verloren.
Wollte er mich mit dem Zitat jetzt beeindrucken?
Okay, es beeindruckte mich wirklich. Verurteilt mich nicht, Leute. Nicht viele 18-jährige Jungen haben viel mit Literatur am Hut.
Irgendetwas in seiner Stimme gab mir eine Gänsehaut. Es schien mir, dass er mit diesem Zitat noch etwas mehr sagen wollte. Etwas lag in seiner Stimme, was tiefer ging als das Zitat. Meine Augen verengten sich fragend, aber er sah es schon nicht mehr.
Ich folgte ihm in den Aufenthaltsraum, da er ja noch mein Buch hatte und ich wollte wissen, was in seinem Kopf vorging. Er setzte sich an die kleine Theke in dem Raum und nahm sich sein Trinken.
„Auch was?", fragte er, ohne von dem Buch aufzusehen. Er hatte eine Seite aufgeschlagen und las fasziniert.
„Nein danke...", sagte ich total irritiert. Was hatte er denn für einen Auftrag? Warum war ich überhaupt noch hier?
Da Niklas gerade abgelenkt war und nicht auf mich achtete tat ich es ihm gleich und achtete nicht weiter auf ihn.
Ich trat weiter in den Raum. Er war jetzt leer. Einen kurzen Augenblick fragte ich mich, ob Niklas die anderen Schüler rausgeschmissen hatte, um hier allein zu sein. Aber schließlich waren dazu die Zimmer da.
Dieser Raum war gigantisch. Es standen vier große ausladende Sofas hier und zwei Dutzend Sessel.
Der Fernseher, der an einer Wand hing lief und es kam gerade Werbung. Ich nahm die Fernbedienung und zappte zwischen den Sender hin und her. Obwohl ich mit dem Rücken zu Niklas stand, merkte ich plötzlich, wie er mich ansah. Mein Nacken begann zu prickeln und ich unterdrückte einen Schauer.

HalfbloodWhere stories live. Discover now