Spitznamen und ihr Ursprung

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"Woher kennt ihr beiden euch?", fragte Aubrey. 
"Aus der Mittelstufe.", antwortete ich, da Jensen gerade den Mund voller Pizza hatte. "Wir haben uns gehasst und dann waren wir beste Freunde." 
"Du hast da ein paar wichtige Details ausgelassen!", beschwerte Jensen sich nachdem er alles heruntergeschluckt hat. 
Ich sah ihn herausfordernd an, frei nach dem Motto: Ich soll ihnen wirklich die ganze Geschichte erzählen?
"Jensen meinte, dass ein Mädchen niemals stark genug sein könnte um einen Jungen zu schlagen. Ich glaube, der genaue Wortlaut war: Du bist ein Mädchen, du kannst mich nicht schlagen."
Aubrey lachte wissend.
"Und das konntest du nicht auf dir sitzen lassen?", fragte Lily und feixte. 
"Natürlich nicht.", antwortete Jensen für mich. "Dann hat sie mich geschlagen." 
"Meine Mom musste zur Schule kommen und seine auch." Ich lachte bei der Erinnerung an das stolze Lächeln meiner Mutter, als wir vor dem Direktor und den Müttern erzählen sollten, was passiert ist. "Aber Jensen hat sich dafür eingesetzt, dass ich keine Strafe bekomme, weil ich - und ich zitiere den elfjährigen Jensen hier - ihn nur vom Gegenteil überzeugen wollte und er einen Fehler gemacht hat." 
Jensen deutete eine Verbeugung an. Lily lachte schüchtern. 
Emily und Heather hatten nichts gesagt und nichts mitbekommen, denn sie waren in eine hitzige Diskussion darüber vertieft, ob Ashton Kutcher oder Ryan Gosling heißer war.
"Ach, was weißt du schon?!" Emily wandte sich von Heather ab und uns anderen zu. 
„Nur, weil ich lesbisch bin, heißt das nicht, dass ich auch blind bin.", echauffierte Heather sich.
Ich musste lachen. Dann erstarrte Emily kurz. „Okay, Leute, könnt ihr mir vielleicht mal erklären, was genau mit Nick los ist?", fragte Emily und zeigte unauffällig zum anderen Ende der Cafeteria. Wir alle drehten unsere Köpfe, wie auf Knopfdruck in die Richtung in die Emily zeigte.
Dort saß Niklas mit Nathan, Luke, Jill und .... Joan. Ich ballte meine Hand unter dem Tisch zu einer Faust. Joan hatte sich zu Niklas gelehnt und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Das leise Lächeln auf seinem Gesicht verriet, dass ihre Beziehung alles andere als vorbei war. Am liebsten hätte ich angefangen zu weinen. Ob vor Wut oder vor Enttäuschung wusste ich nicht.
„Ganz ehrlich?", fragte Lily und riss mich dabei aus dem Gedanken, in dem ich Joan gerade ein Buttermesser in ihr rechtes Auge getrieben hatte. Eindeutige Tränen der Wut, schloss ich daraus. „Ich habe absolut keine Ahnung. Ihre Beziehung ist alles andere als gesund."
„Wenn er meint, dass er es braucht.", knurrte ich und nahm mir einen Apfel von Jensens Tablett.
Jensen lehnte sich zu mir und flüsterte: „Alles okay?"
Unterm Tisch merkte ich, wie er seine Hand auf meine Faust legte. Er schien sich tatsächlich Sorgen zu machen.
Ich lächelte und nickte. Er drückte noch einmal kurz meine Hand und ließ sie dann los.
Gönnerhaft lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und ließ seinen Arm auf meiner Rückenlehne ruhen. Ein klarer Wink an Niklas.
Holt doch gleich eurer Schwänze raus und wir machen einen Längenvergleich!
„Machen wir nachher was, Cat?", fragte Jensen. Ich hatte meine Ellbogen auf dem Tisch abgestellt, weshalb ich jetzt über meine Schulter sehen musste um mit ihm zu sprechen.
„Klar. Gerne. Wir müssen ja immerhin ein Jahr aufholen." Ich lächelte ihn an.
„Warte mal.", mischte sich Lily auf einmal ein. Ich sah sie an und legte den Kopf schief.
„Hat er dich gerade allen Ernstes Cat genannt?" Lily schien völlig perplex.
„Ja, leider.", antwortete ich und lachte.
„Gabriel hättest du fast den Kopf abgerissen, als er dich so genannt hat."
„Gabriel ist auch ein Arsch und nicht seit 4 Jahren einer meiner besten Freunde.", erklärte ich.
„Ich fühle mich geehrt, Cat."
„Klappe.", motzte ich gespielt beleidigt und biss in meinen Apfel. 
„Das stimmt, Gabe ist ein Arsch.", murmelte Lily und sah Gabriel leicht angewidert an. Er saß zwar nur einen Tisch weiter, aber ich wusste, dass er uns nicht hören konnte.
"Und wie genau kam es zu diesem Spitznamen?", fragte Heather. "Ich überlege ihn ebenfalls zu benutzen." 
"Wag es ja nicht!", sagte ich und lachte. "Das darf nur der Vollidiot hier!" Mit dem Daumen zeigte ich in Jensens Richtung. Er setzte zu einer Widerrede an, unterbrach sich dann aber selbst, als er anscheinend keine passenden Gegenargumente fand. 
"Er hat mich so genannt, weil ich in dem Moment, wie eine Katze war. Man sagt einer Katze, dass sie etwas nicht kann und dann macht sie es erst recht."
"Ja, das passt zu dir.", sagte Emily grinsend. 
"Eigentlich hatte ich dich nur falsch verstanden.", gestand Jensen. "Ich hatte Cat nicht Kate verstanden. Dann ist der Name geblieben. Die Ausrede mit der Katze ist mir erst später gekommen."
Ich sah ihn mit großen Augen an. "Ernsthaft?" Ich musste über Jensens entschuldigenden Gesichtsausdruck lachen. 
„Was haben wir jetzt?", fragte ich Emily nachdem das Klingeln des Schulgongs verklungen ist. Ganz weit hinten in meinem Hirn bemerkte ich, dass wir ja noch weiterhin Unterricht hatten.
"Geschichte.", stöhnte sie und verdrehte die Augen gen Decke. 
„Oh, welch eine Freude."
Ich stand auf und sah gerade noch, wie Joan Niklas einen Kuss auf die Wange drückte, bevor ich mich umdrehte und aus der Cafeteria stürmte, gefolgt von Emily und Heather. Ich musste an mich halten um nicht durch die halbe Cafeteria zu hechten und Joan zu Brei zu schlagen. 
Warum war ich nur so schrecklich eifersüchtig, wenn es um Niklas ging?  
Ich hatte ja schließlich keinen Anspruch auf ihn.
Insgeheim wünschte ich mir jedoch, dass es anders wäre.  
Einigermaßen gesittet trat ich nun also ins Treppenhaus des Schulgebäudes. 

HalfbloodWhere stories live. Discover now