Wunden

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Nick:
Ich bedeutete ihr, dass sie sitzen bleiben soll. "Du brauchst mir nichts zu erklären."
'HÄ?!', stieß meine innere Stimme hervor. 'Natürlich muss sie dir das erklären? Es sind verdammte Waffen, die so ausgeklügelt waren, dass sie definitiv tödlich sein konnten.'
Eigentlich müsste ich sie melden. Ich müsste es melden, dass sie Waffen auf das Schulgelände gebracht hat.
Ich musterte ihr Gesicht. Sie sah nicht aus, wie jemand der anderen ernsthaft etwas antun könnte. Sie war stark und sehr hart im Nehmen, aber sie war nicht in der Lage Unschuldigen etwas anzutun. 
Ich ging wieder zu ihr rüber und begann die Wunden zu verbinden. Im Spiegelbild spürte ich ihre Augen auf mir liegen, aber ich konzentrierte mich auf meine Sanitäterarbeit. Stumm wickelte ich die Bandage weiter um Kates Oberkörper. 
"Ich lerne schon seit Jahren den Umgang mit Waffen und habe Kampftraining seitdem ich sechs bin.", flüsterte Kate plötzlich. Meine Augen weiteten sich und blickten in ihre. Wie bitte? "Meine Mom hat mich immer schon gedrillt, dass ich bereit sein muss."
Und ich dachte, meine Eltern waren paranoid. "Bereit wofür?"
Sie lachte kurz auf, was sie gleich darauf zu bereuen schien. Schmerzerfüllt verzog sie ihr Gesicht. Vorsichtig holte sie Luft. "Die Prophezeiung, weißt du noch?"
Wie kam sie jetzt darauf? Ich nickte verwirrt mit dem Kopf. Natürlich wusste ich das noch. 
"Ich bin Teil der Prophezeiung." Ihre Stimme war so leise, dass ich einen Moment nicht sicher war, ob sie das gerade wirklich gesagt hat. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Sie war Teil der Prophezeiung? Meinte Ms. Evans das mit dem Satz 'Hilf ihr'?
"Was?", stieß ich hervor und hielt mitten in der Bewegung inne.
"Ophelia wusste selbst nicht, welchen Teil ich in der ganzen Sache habe, aber ich bin ein großer Bestandteil. Entweder bin ich das Kind oder ich muss jenem Kind helfen."
Ich steckte das Ende der Bandage fest und lehnte mich zurück. Diese Information musste ich erst einmal verarbeiten. "Du sprichst die Alte Sprache. Deshalb bist du sofort verschwunden als die anderen gegangen sind. Du hast mit Ophelia gesprochen."
Stumm nickte sie und beobachtete mich mit Argusaugen. Sie sah aus, als hätte sie Angst, dass ich ihr etwas antun könnte, wenn ich, so wie alle anderen, die Prophezeiung verhindern wollte.
"Und du bist in Gefahr." Ich fuhr mir nervös durch die Haare. Beinahe die gesamte Gemeinschaft der Übernatürlichen war auf der Suche nach ihr. Sie waren überzeugt davon, dass die Prophezeiung verhindert werden muss.
Wieder nickte Kate nur stumm und sah zu Boden. Eine kleine Träne fiel auf ihre Hände, die sie in ihrem Schoß gefaltet hatte.
"Und dafür trainierst du die ganze Zeit schon? Noch bevor du von der Prophezeiung wusstest? Und ich dachte, du seist einfach sehr, sehr ehrgeizig." Ich konnte mir ein Schnauben nicht verkneifen. Es war absolut absurd, dass diese junge Frau vor mir einen solch großen Teil einer Weissagung tragen sollte. Sie allein war niemals in der Lage diese Aufgabe alleine zu bewältigen.
"Wir stehen alle hinter dir, Kate." Mit wir alle konnte ich zwar im Moment nur mich selbst meinen, aber ich war mir sicher, dass die anderen Kate niemals etwas antun könnten. Zumindest nicht die Leute unserer Clique. Was den Rest anging konnte ich das nicht zu einhundert Prozent bestätigen. Sie war in Gefahr und ich wusste nicht, warum genau, aber ich musste sie unterstützen. Ich hatte sie bis hierher oft beschützt und würde jetzt garantiert nicht damit aufhören.
"Danke, Nick.", sagte sie schwach und drehte sich zu mir um. Sie versuchte abzulenken und es gelang ihr, denn ich wurde mir schlagartig wieder bewusst, dass sie schwer verletzt war. Und vielleicht sogar innere Verletzungen hatte.
Ich lächelte sie an und nickte. "Wie geht's dir?" Ich strich eine störrische Strähne ihrer Haare hinter ihr Ohr.
Ihr Lächeln sollte wahrscheinlich ernst gemeint wirken, aber es erreichte wieder nicht ihre Augen.
"Es tut höllisch weh.", gestand sie und stieß mit Nachdruck Luft aus.
"Wie schnell heilst du?", fragte ich weiter. Ich hatte noch nie von anderen Halb-Vampiren gehört. Ich wusste nichts über ihre Fähigkeiten.
"Nicht schnell genug, fürchte ich.", antwortete sie schwach. Ihr Herzschlag wurde beängstigend leise. "Ich fühle mich furchtbar. Kannst du..."
"Ich kann dir helfen.", bot ich etwas sehr schnell und forsch an. Erst spät bemerkte ich, was ich gerade gesagt hatte. Es gab natürlich etwas, dass ich ihr geben konnte, was ihr jetzt helfen würde, aber habe ich ihr das gerade wirklich einfach so angeboten?
Mit großen Augen suchte sie in meinem Gesicht nach Anzeichen, dass ich es nicht ernst meinte. Aber ich meinte es ernst. Ich wollte ihr helfen.
Ich rutschte ein Stück näher an sie heran und hielt ihr meinen Arm hin.
"Ich wollte eigentlich fragen, ob du mich in die Krankenstation bringen kannst. Bist du sicher?", fragte sie. Ihre Stimme war zweifelhaft und angsterfüllt. Verübeln konnte ich ihr das nicht. Ich war selbst unsicher, ob wir das hier durchziehen sollten. Sie ignorierte den Arm, den ich ihr hinhielt.
"Deine Wunden müssen heilen."
Ich sah den Kampf, den sie mit sich selbst ausfechten musste, in ihren Augen. Dann legte sie ihre zitternden Hände an meinen Arm und näherte ihren Mund meinem Handgelenk. Sie wandte den Blick nicht von mir. Sie beobachtete meine Reaktion und ging sicher, dass ich keinen Rückzieher machte.
Dann ließ sie meinen Arm sinken. "Danke, Nick, aber dass kann ich nicht von dir verlangen." 
Langsam stemmte sie sich auf die Füße und stand auf. "Bringst du mich zur Krankenstation?" Ihre Stimme war gepresst. Anscheinend hatte sie immer noch Schmerzen. Unsicher sah ich zu ihr hoch. 

"Bitte?", beharrte sie. Wieder treten Schweißperlen auf ihre Stirn. Ich stand ebenfalls auf. 
Sie machte einen Schritt in Richtung Ausgang und wieder gaben ihre Beine unter ihr nach. 

"Scheiße...", fluchte sie leise und klammerte sich an meinen Arm. 

"Kate, du brauchst jetzt Hilfe." 
Sie lehnte sich gegen meine Brust und gemeinsam setzten wir uns wieder auf den Boden. 
Ich zog sie ein Stück näher an mich, damit sie sich bei mir anlehnen konnte. 
"Atme tief durch.", sagte ich leise und versuchte so beruhigend wie möglich zu klingen. Ihre Augen verdrehten sich wieder gen Decke und sie sackte schlaff gegen mich. 
"Kate, komm schon..." Ich schob sie zur Seite, dass sie in meinem linken Arm lag. 
"Hm...", machte Kate und öffnete ihre Augen ein wenig, aber ihre Augenlidern scheinen zu schwer zu sein. Ich biss mir ins rechte Handgelenk und hielt ihr die blutenden Wunden vors Gesicht. "Du musst trinken." 
"Mh-hm...", verneinte Kate und schob mein Handgelenk halbherzig weg.
"Kate!" Kurz zuckte selbst ich vor der Dringlichkeit meiner Stimme zurück. Ich hob meinen Arm wieder an und hielt ihn ihr direkt vor die Lippen. Im Spiegelbild sah ich ihre Fänge hervortreten. Manche Dinge waren doch, wie bei einem normalen Vampir. Ich wusste nicht, was mit mir passieren würde, wenn sie von mir trank, aber ich musste ihr helfen. Ihr warmer Atem strich über meine Haut. Sie öffnete den Mund und versenkte ihre eigenen Fänge in meiner Haut. 

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