Abschied

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„Kate? Hast du es dir überlegt? Du kannst jeder Zeit nach Hause kommen, wenn du nicht mehr willst. Aber es ist doch einfach nur toll hier!" Sie machte eine ausladende Geste in Richtung der Schule.
Ich wusste nicht, wen sie damit überzeugen wollte. Wahrscheinlich mehr sich selbst als mich.
Wir haben bereits den gesamten Sommer über dieses Thema geredet. Ich war es wahrscheinlich genauso leid wie sie.
Verschiedenste Gefühlsregungen spiegelten sich in ihrem Gesicht wider. Vor allem Trauer, aber auch Freude, dass die ganze Plagerei mit den Behörden ein Ende hatte und dass ich erst einmal Ruhe vor meinem Vater hatte.
„Ja, ich bleibe hier. Ich werde es hier versuchen. Ich habe ja Hilfe!", sagte ich und legte meinen Arm um Emilys Schulter.
„Ja, genau! Okay, es ist auch alles erledigt. Komm, wir holen deine Koffer. Der Schulleiter wird dir gleich dein Zimmer zeigen."
„Alles klar.", seufzte ich.
„Was ist eigentlich mit meinem Auto?", fragte ich auf halber Strecke zum Parkplatz.
„Joe und Mick werden es dir Morgen herbringen. Sie wollten sowieso schauen, wo du abbleiben wirst."
Joe und Mick waren ein schwules Paar aus unserer Nachbarschaft. Ich liebte die Beiden! Seitdem ich 10 war wohnten sie neben uns. Immer wenn meine Eltern auf Dienstreisen oder aus anderen Gründen weg waren, kümmerten sich Mick und Joe um mich. Auch wenn ich eigentlich schon alt genug gewesen wäre um auf mich selbst aufzupassen.
Joe war ein Hexer und Mick ein Gestaltwandler. Also im Prinzip ein Werwolf, aber er konnte sich verwandeln, wann er wollte und nicht nur zwangsweise bei Vollmond. Richtig verstanden hatte ich die anderen Unterschiede zwischen Werwölfen und Gestaltwandlern nie. Wieder ein guter Grund, warum ich gut auf dieser Schule aufgehoben war.
„Okay.", sagte ich und ging in Richtung Parkplatz. Jetzt war der Tag bis morgen besser zu ertragen. Wir holten meinen Koffer und Emily half mir die Koffer die Treppe zum Haupteingang hochzutragen. Erst sah ich sie zweifelnd an. Sie wusste, dass ich stark genug war. Aber ich schätzte trotzdem die Geste.
Wir standen oben vor der Tür und meine Mom schloss ihre Arme fest um mich.
„Ich liebe dich, meine Kleine! Wir telefonieren jeden Abend!" Das war nur so daher gesagt, da sie wusste, dass wir leider nur ab und zu telefonieren durften, damit mein Vater nicht unbedingt Wind davon kriegen kann, wo ich abbleibe.
„Ich liebe dich auch, Mom!", sagte ich und löste mich lächelnd von ihr. Sie hatte Tränen in den Augen. „Wein nicht! Ich bin hier gut aufgehoben. Aber melde dich bitte, wenn es etwas Neues gibt!"
Falls ihr jetzt denkt ich wäre gefühlskalt, weil ich nicht weine kann ich euch nur eins sagen.
Ja, das bin ich!
Ich liebte meine Mom über alles in der Welt, aber ich habe es nie gelernt meine Gefühle anderen zu zeigen. Meine Gefühle waren stark an meine Kräfte gebunden. Ich hatte vor lauter Angst jemanden verletzen zu können immer eine emotionale Wand um mich errichtet.
Nachts wenn ich im Bett lag, das muss ich zugeben, hatte ich mir die Augen aus dem Kopf geweint, aber vor meiner Mom gelang es mir nicht. Sie bedeutete mir zu viel, als das ich vor ihr Schwäche hätte zeigen können.
„Tschüss!", rief sie, als sie schon wieder halb bei unserem Auto war. Ich wartete noch und winkte bis sie nicht mehr in Sichtweite war.

HalfbloodWhere stories live. Discover now