In Flammen aufgegangen

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Djadi merkte, wie heftig das Wissen um Samirs Zustand an ihm zerrte. Er brauchte nur einen Augenblick nicht genau auf den Weg vor sich zu achten, bis ihm das Bild von der Steinhaut auf Samirs Arm wieder vor Augen stand und seine Bewegungen zittrig und fahrig werden ließ.

Gleichzeitig war er so nervös, sich und Samir damit zu verraten, dass er sich beeilte, Abstand zwischen sie zu bringen, so unangenehm ihm auch das Herz pochte, seinen Freund gerade jetzt allein zu lassen. Er konnte ihn hinter sich hören, wie er ein paar rasche, vergnügte Worte mit Lore und Zacharie wechselte, als wäre nichts geschehen, ohne sie zur Eile zu drängen oder auch nur ein winziges bisschen nervös zu wirken. Aber er kannte Samir und seinen unerschöpflichen Heldenmut, auch wenn er ihn jetzt noch viel lieber laut verflucht hätte als je zuvor. Niemals würde Samir die Aufmerksamkeit auf seine Verletzung – war es eine Verletzung? – lenken, wenn es eine andere Aufgabe zu erfüllen gab.

Seine Holzfiguren schienen seine Nervosität zu spüren, denn sie zeigten sich nur noch hin und wieder, sein Vogel flatterte nach wenigen Schritten von seiner Schulter nach oben, durch das dichte Dornendach hinweg. Er sah ihm seufzend hinterher und achtete kurz nicht mehr auf den Weg, sodass er zusammenzuckte, als er wieder nach vorne sah und Asifa plötzlich direkt vor ihm stand.

„Sie sind nicht sonderlich nützlich, deine Dinger", bemerkte sie mit erhobenen Augenbrauen. „Nur das kleinste Anzeichen von Gefahr, und sie machen sich aus dem Staub."

Djadi verdrehte die Augen.

„Sie haben wenigstens Persönlichkeit", sagte er, „Wenn man sie neben dein Biest stellen würde, würde man das für die Holzfigur halten."

Asifa ließ sich zu keiner Antwort herab. Hätte sie nicht voran gehen können, auskundschaften oder ähnliches, wenn sie schon nicht in den Dornen verloren gegangen war? Wenn er ehrlich war, dann hätte ihr Verlust ihn wohl tatsächlich geschmerzt- auch wenn er das natürlich nie zugegeben hätte -, aber das machte den Umgang mit ihr jetzt auch nicht einfacher. Sie hielt kurz inne und ließ ihn an sich vorbeistapfen, nur damit er ihren Atem danach direkt im Nacken spürte, genauso wie den glühenden Blick, den sie zweifellos auf ihm ruhen ließ. Es gefiel ihr nicht, dass er noch hier war, das wusste er und wahrscheinlich überlegte sie schon, wie sie ihm am besten das Gefühl geben konnte, absolut nichts zu ihrer Mission beigetragen zu haben. Mit Überraschung stellte Djadi allerdings fest, dass ihre Abneigung ihn nur noch wenig störte, vielmehr fühlte er einen gewissen Stolz dabei, dass er ihr beweisen konnte, genauso wie sie zu den letzten zu gehören, die zum Schloss vordrangen.

Vor ihnen wurde der Weg stetig dunkler und undurchsichtiger, sodass schon der Rücken von Sharif, der nur wenige Schritte vor ihm unterwegs war, nur noch undeutlich zu erkennen war. Durch eine scharfe Biegung verschwand er kurzzeitig ganz aus Djadis Blickfeld, sodass vor ihm nur noch die wuchernden Ranken und letzte, vereinzelte Versteinerte zu sehen waren. Er erschauerte bei ihrem Anblick. Sie hatten es auch weiter geschafft als dort, wo die Steinkönigin gelauert hatte.

„Was ist mit ihm?", fragte Asifa so plötzlich hinter ihm, dass er fast wieder zusammenzuckte. Es war gruselig, wie gut sie darin schien, seine Gedanken zu lesen. Er hatte noch nicht einmal der Versuchung nachgegeben, sich nach Samir umzudrehen, um genau das zu vermeiden.

„Was soll mit ihm sein?", gab er unbestimmt zurück und ging schneller, sodass er die Biegung erreichte und Sharif wieder vor sich sehen konnte. Im Notfall würde er rennen und ihm sagen, dass er seine Schwester unter Kontrolle halten sollte. Asifa wäre zwar alles andere als glücklich darüber, aber lieber kämpfte er ein paar Tage länger mit ihrer eisigen Missachtung als jetzt mit ihrem Kreuzverhör.

„Etwas ist geschehen", sagte sie leise.

„Hattest du wieder Fata Morganas im Kopf?", fragte Djadi machte den Fehler, sich kurz nach ihr umzudrehen um ihr einen Blick zuzuwerfen, der hoffentlich selbstsicher wirkte, als ob er keine Ahnung hätte, wovon sie sprach. Ihre Augen verengten sich augenblicklich zu Schlitzen.

Dornen - Das verwunschene KönigreichWhere stories live. Discover now