Erfüllte Wünsche

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Albin schreckte hoch, als er das Krachen im Unterholz hörte. Mit der Bewegung weckte er auch Zacharie, der sich im Schlaf eng an ihn gekuschelt hatte und jetzt sein Kissen verlor, aber der Junge murmelte nur müde vor sich hin und rollte sich zu Seite, um seinen Kopf stattdessen auf seine eigenen Händen zu betten.

Er sah zuerst die schwarzen Kohlen des erloschenen Feuers, dann die schlafende Fürstin und Asifa, schließlich Tizita, die träge blinzelnd ihren Kopf auf den Vorderpfoten gebettet hatte. Den mächtigen Bären, der sich lautstark durch das Unterholz hinter ihnen schob, hatte er nicht erwartet. Eigentlich wollte er schreien, als er sah, wie sich das mächtige Biest unaufhaltsam auf sie zu bewegte, aber der Schrei blieb ihm in der Kehle stecken und alles was er tun konnte, war, dem Bären stumm und mit aufgerissenen Augen entgegenzusehen, in fester Erwartung, jederzeit von ihm in Stücke gerissen zu werden. Jegliche Müdigkeit war verflogen.

Der Bär wandte seinen mächtigen Kopf zu ihm um und sein Körper durchlief ein mächtiges Rumpeln, als er stehen blieb und seine erstaunlich wissenden Augen den Blick von Albin auffingen.

„Fürchte dich nicht, junger Albin", sagte er mit einer menschlichen Stimme. „Ich bin nicht hier, um dir ein Leid anzutun."

„Oh, das ist gut", stammelte er verdutzt. Vielleicht war er nicht ganz so wach, wie er sich fühlte, denn es brauchte eine Weile, bis er verstanden hatte, dass er zum einen nicht gleich gefressen werden würde und zum anderen wohl genau jener Bär vor ihm stehen musste, der der Fürstin aufgetragen hatte, nach dem Schloss der Schattenkönigin zu suchen.

Er musterte den Bären neugierig, wie er sich gemächlich weiter dem Feuer näherte und etwas hinter den beiden schlafenden Frauen niederließ.

„Hast du gut geschlafen, junger Albin?", fragte er mit einem sanft kehligen Brummen, das ganz unabhängig von seiner Stimme aus seiner Kehle zu kommen schien.

„Sehr gut", murmelte Albin. „Ich fühle mich wie neugeboren."

Er blinzelte, in voller Erwartung, dass das schmerzhafte Pochen seiner Wunden und seiner geschundenen Glieder jederzeit zurückkehren würden, jetzt, wo er an sie dachte, aber die Schmerzen blieben gänzlich aus. Verwundert hob er seine Arme vor das Gesicht und stellte fest, dass von allen Kratzern dort nur blasse, rosa Striemen geblieben waren, als wären sie seit Tagen schon verheilt.

„Gütiger Himmel!", entfuhr es ihm und er begann, hektisch auch den Rest seines Körpers abzutasten. Egal, wie grob seine Berührungen wurden, er spürte nichts mehr. Er riss die notdürftigen Verbände von seinen Schultern ab und ertastete nur feste Haut, etwas knotig wie es bei verheilten Wunden üblich war, aber nicht offen und entzündet wie noch am Abend zuvor.

„Oh, lieber Bär, hast du das getan?", fragte er aufgeregt und vergas darüber, seine Stimme gesenkt zu halten. Tizita zuckte ärgerlich mit den Ohren und auch Asifa regte sich über sein lautes Rufen.

„Habe ich was getan?", erwiderte der Bär verwirrt. „Ich hielt Wache über das Lager, seit ich euch gefunden habe und gerade sprach ich mit dem Fuchs, der mir als Hüter des Waldes der Feldmarschall war, aber ansonsten blieb ich ruhig und in Erinnerungen gefangen."

„Meine Wunden sind verheilt!", rief Albin und sprang vollends auf, seine Beine voll mit mehr Kraft, als er sie je zuvor zu verspüren gemeint hatte. „Ich kann mich wieder ganz normal bewegen!"

Er achtete kaum noch auf den Bären, zu ausgelassen darüber, wie einfach ihm plötzlich wieder jede Bewegung fiel und tanzte juchzend auf der Stelle. Die schwindende Dunkelheit hatte kühle Luft hinterlassen, aber nach der Frostkälte im Heim der Schattenherrin war ihm dennoch angenehm warm.

Dornen - Das verwunschene KönigreichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt