Bestimmung und Sorge

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Der Tag, an dem Hagen, Kronprinz von Gotund, auszog, um endlich das Abenteuer zu bestreiten, von dem er seit jungen Jahren schon geträumt hatte, war ihm wohlgesonnen.

Die Sonne leuchtete vom frühen Morgen an hell von Osten, ohne in den Augen zu stechen, ein angenehmer Wind kühlte, dass sie nicht zu sehr brannte und in den Ortschaften, die sie auf dem Weg zur Grenze durchritten, standen die Dorfleute an der Straße und jubelten ihnen zu.

Sie waren dazu bestimmt, den Fluch zu lösen. Alle Königreiche würden eine Blütezeit erfahren, wie noch nie zuvor, frei selbst von dem letzten Anker der Angst.

Norwin sah den entschlossenen Stolz im Gesicht seines Prinzen und fühlte, wie ihm selbst die Brust voller Tatendrang anschwoll. Unzählige Pferdehufen hinter ihnen erfüllten seine Ohren mit ihrem leichten Klappern, die Männer unterhielten sich laut und beschwingt, etwas weiter hinten hatten sie sogar eines der vielen Lieder angestimmt, die man über Ilreth und seinen Fluch geschrieben hatte. Er war ein paar Mal den Zug entlanggeritten um nachzusehen, wie es um die Stimmung seiner Männer stand, doch die hätte nicht besser sein können.

Selbst mit den Morgenländern hatten sich einige von ihnen angefreundet und brachten ihnen mit Freuden die unflätigsten Flüche bei, die ihnen in den Sinn kamen, um sich dann sehr daran zu freuen, wenn die Soldaten aus dem Osten sie in ihrem melodischem Akzent wiederholten. Tiefes Königsblau und wallende bunte Seide hatte sich an manchen Stellen so stark vermischt, dass man zweimal hinschauen musste um Maraldurer und Gotunder auseinander halten zu können.

Aber Norwin war nicht so leichtgläubig, dass er sich davon in Sicherheit wiegen ließ. Er sah die verstohlenen, ungehaltenen Blicke anderer Männer, die in ihren Gruppen lieber für sich blieben und Lücken zu größeren Mengen der Morgenländer ließen. Und er sah die Diener, die boshaft tuschelten, oder den Frauen im Gefolge des Wanderprinzen gierige Blicke zuwarfen. Norwin konnte es gut verstehen, gaben sich die morgenländischen Frauen doch besonders freizügig verglichen mit den Gunderforter Mägden, während sie dabei auf eine exotische Weise viel ansehnlicher waren, aber er war sich sicher, wenn man sie gegen ihren Willen falsch anfassen würde, wäre der Wanderprinz nicht allzu erfreut. Er hatte wenig mit ihm zu tun gehabt, aber es schien, als kümmere sich der maraldurische Prinz äußerst hingebungsvoll selbst um seine niedersten Diener. Es war befremdlich – vor allem, weil er immer nur die Geschichten von einer deutlich roheren, barbarischen östlichen Gesellschaft gehört hatte. Nun, vielleicht kamen diese auch aus anderen Reichen – das Morgenland war wohl genauso vielschichtig wie die unzähligen Königreiche des Abendlandes.

Der Wanderprinz war den ganzen Ritt über bisher still gewesen und hatte nur wenige Sätze mit seinem Übersetzer gewechselt, dafür aber ritt er ihnen allen etwa eine halbe Pferdelänge voraus an der Spitze des Zuges, die Augen fest nach vorne gerichtet, wo die schwach bewaldeten Hügel inzwischen den letzten Feldern und weiten Wiesen gewichen waren. Nicht nur Hagen hatte ihn dafür ungehaltene Blicke zugeworfen, auch König LePapin schien alles andere als begeistert, dass der morgenländische Prinz so mehr oder weniger die Führung übernommen hatte.

„Es sollte jemand voranreiten, den diese Mission mehr angeht", grummelte er leise zu Prinz Willehad neben sich, der dabei ein furchtbar gequältes Gesicht machte. Das mochte allerdings auch daran liegen, dass er nicht allzu erfahren im Sattel schien und schon seit längerer Zeit unbequem darauf umherrutschte, als täte ihm das Gesäß weh.

„Rein logisch gesehen ist es nur angemessen", antwortete er schließlich, zwischen den Zähnen hervorgepresst, „Seine Entschlossenheit war der Anstoß für unsere Königreiche, ihr Schicksal wieder in die Hand zu nehmen. Im Prinzip haben wir uns nur seiner bestehenden Mission angeschlossen und so sollte er auch die Führung übernehmen."

Dornen - Das verwunschene KönigreichWhere stories live. Discover now