Jagd in der Ferne

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Asifa war ein sehr wortkarger Mensch, das stellte Mathilda schnell fest. Sie waren fast einen halben Tag gemeinsam unterwegs, und alles was die Maraldurerin hatte verlauten lassen, waren einsilbige Antworten auf die höflichen Annäherungsversuche von Mathilda.

Die meiste Zeit schien sie sich damit zu begnügen, die dichten Dornenwände mit ihrem scharfen Blick zu durchdringen, oder ihrer Katze sanfte morgenländische Worte zuzuflüstern, die sie leise schnurren ließen. Manchmal drehte der Bär seinen Kopf zu ihnen zurück, aber Mathilda konnte nur mit den Schultern zucken, während Asifa ihn gar nicht zu beachten schien.

„Wie habt Ihr das Kämpfen gelernt?", fragte sie irgendwann, mit Blick auf die lange Klinge an Asifas Seite, die bestimmt ihr Ende bedeutet hätte, wenn die Morgenländerin sie nicht rechtzeitig erkannt hätte.

„Von einem Meister, natürlich", antwortete Asifa nur und legte eine Hand um den Griff ihres Säbels. „Ihr etwa nicht?"

„Meine Brüder haben mich gelehrt", sagte Mathilda leise. „Wenn sie von ihren täglichen Übungsstunden zurückkehrten, dann haben sie mir alles noch einmal gezeigt und wir haben oft bis spät in den Abend hinein im Wald hinter unserem Anwesen geübt, damit uns meine Zofen nicht auf die Schliche gekommen sind." Sie lächelte, als sie sich an ihre Jugendzeit zurückerinnerte, damals, als ihre Familie noch groß gewesen war. „Ich glaube inzwischen, jeder wusste, was wir damals taten, aber mein Vater hat es stillschweigend gestattet, damit ich für diesen Moment gewappnet wäre, an dem es nur noch mich gibt."

Asifa hatte sich ihr endlich zugewandt, auch wenn ihr Blick unergründlich war.

„Ich muss wirklich nicht Eure gesamte Lebensgeschichte hören", sagte sie schließlich, und ihre Lippen kräuselten sich in genau jenem spöttischen Lächeln, mit dem Mathilda sie schon nach wenigen Stunden in Verbindung brachte. „Ihr übertönt sonst noch die Warnsignale eines nahenden Angriffs."

Mathilda hob die Augenbrauen.

„Ich habe versucht, eine gewisse Vertrautheit zwischen uns herzustellen", entgegnete sie. „Wenn wir gemeinsam kämpfen, so will ich wenigstens das Gefühl haben, Euch etwas besser zu kennen."

Asifa schnaubte auf. „Und Ihr lernt mich kennen, indem Ihr über Euch selbst sprecht?"

„Ich wollte lediglich den Anfang machen", gab Mathilda fest zurück. „Ihr seid herzlich dazu eingeladen, von Euch selbst zu erzählen. Habt Ihr Brüder?"

Für einen Augenblick sah es so aus, als wollte Asifa sich nicht zu einer Antwort herablassen, dann jedoch wurde ihr angespannter Gesichtsausdruck etwas weicher.

„Ja", antwortete sie. „Eine ganze Menge sogar. Zwei von ihnen sind mit uns in die Dornen gereist."

„Ihr stammt also aus einer Kriegerfamilie?", fragte Mathilda.

„Gewissermaßen", sagte Asifa und ein schwaches Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. „Es hat uns alle irgendwann mit dem Säbel in der Hand hinausgezogen."

Mathilda wartete, ob sie es noch näher erläutern würde, aber Asifa hatte sich schon wieder abgewandt.

„Was ...", begann sie, doch die Morgenländern unterbrach sie mit einem energischen „Schh!" und dem Zeigefinger auf ihren Lippen.

Sie setzte ihre Schritte langsamer und bedächtiger, während sie lauschte und dann hörte auch sie das Heulen in der Ferne.

„Was ist das?", fragte sie irritiert. Der Bär hielt in seinem stetigen Trott inne und hob den Kopf.

Dornen - Das verwunschene KönigreichWhere stories live. Discover now