Aus dem Schutz hinaus

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Warmes Licht flutete durch die weinroten Vorhänge zu ihnen hinein und blendete sie selbst durch den Stoff. Mathilda rollte sich hoch, stöhnend, als sich die unzähligen Kratzer und Blessuren an ihrem Körper bemerkbar machten. Es war schwer zu sagen, ob sie sich ihretwegen so gerädert fühlte, oder weil ihr Schlaf von Albträumen durchzogen worden war.

„Du bist wach. Gut", sagte Asifa, die neben dem Fenster lehnte, die Arme verschränkt. Zu ihren Füßen ruhte Tizita, die irgendwann in der Nacht zu ihnen gestoßen sein musste, ihre Schnurrhaare zuckend. Lorelei und Zacharie hinter ihr im Bett schliefen noch, ihr Atem lang und gleichmäßig.

„Wie spät ist es?", fragte sie seufzend.

„Früh", sagte Asifa und lächelte schwach. „Aber wir haben genug zu tun, falls du helfen willst."

„Mit was?", fragte Mathilda verwirrt. „Ich dachte, wir wollten erst später aufbrechen?"

„Bevor die Prinzessin das Schloss verlässt, wollen wir alle Schlafenden in die Gebäude bringen", antwortete Asifa. „Wenn sie aufwachen, werden sie sich erst eine Weile erholen müssen, so haben sie mehr Zeit, sich vor den Dornen in Sicherheit zu bringen."

„Oh", sagte Mathilda und versuchte sich nicht vorzustellen, wie die Dornen über die Mauern krochen und auch den letzten unberührten Ort in ihrer Mitte nach und nach verschlangen. Keiner von ihnen wusste, wie lange es dauern würde – hoffentlich lange genug, dass sie die Dornen ganz bezwingen würden, bevor sie die Menschen im Schloss erreichten.

Sie ließen Lorelei und Zacharie, genauso wie Tizita, schlafen und begaben sich in den Hof, wo ihnen sofort Sharif begegnete, der mit einem großen Handkarren mehrere schlafende Diener zur Küchentür brachte. Er hob eine Hand um ihnen grinsend zuzuwinken, wodurch ihm fast der Karren entglitt und er ihn nur gerade so noch festhalten konnte. Asifa verdrehte die Augen und schnaubte auf, aber ihre Mundwinkel zuckten mit Belustigung.

„Es gab einmal eine Zeit, als meine Brüder versuchten mir weißzumachen, ich würde mich auf Abenteuern nur selbst in Gefahr bringen", bemerkte sie leise, während sie und Mathilda sich weiter über den Hof bewegten, dorthin, wo Hagen und Samir die Schlafenden von den Mauern herunter schleppten. „Ich konnte ihnen schnell beweisen, dass ich von uns allen am wenigsten zu befürchten habe."

Mathilda lachte leise. Asifa war deutlich entspannter, seit sie das Schloss erreicht hatten, selbst mit dem Wissen, dass dies hier noch nicht das Ende war. Sie musste den Einfluss der Dornen stärker gespürt haben, als Mathilda gedacht hatte.

„Die Prinzessin hat die meisten Wachen bereits von den Mauern fortgebracht", informierte sie Samir, als sie zu den beiden arbeitenden Prinzen stießen. „Es sind nur noch einige Diener hier im Hof, die wir in ihre Unterkünfte zurück bringen sollten."

Asifa nickte knapp, sah sich kurz um und winkte dann Mathilda mit sich. Gemeinsam trugen sie wen immer sie noch fanden in die nächsten Häuser hinein und verschlossen nach bestem Vermögen die Türen und Fenster, während die Männer dasselbe an anderen Stellen des Hofes taten. Mathilda fragte sich, wo Prinzessin Elwa steckte – allein, weil es ihrem ganzen Auftreten nicht ähnlich sah, sich nicht bei derartiger Arbeit zu beteiligen.

Die Frage wurde beantwortet, als sie und Asifa gerade einen Jungen, der nach einem Bäckerlehrling aussah, an Armen und Beinen gepackt über den Hof trugen und die Prinzessin mit schnellen Schritten und voll bepackt aus der Richtung des Thronsaals herankam. Die großen Taschen, die sie trug, waren fast größer als sie selbst und Mathilda musste sich daran erinnern, dass sie Jahrzehnte Zeit gehabt hatte, um ihre Kraft und Ausdauer zu üben.

Mit einem lauten Scheppern schüttete sie den Inhalt der Taschen auf den Hof, wartete aber mit tappendem Fuß, bis sie alle ihre aktuellen Aufgaben beendet hatten, bevor sie sie herbeiwinkte. Mathilda sah aus den Augenwinkeln, wie Asifa skeptisch die Nase rümpfte über den Haufen glänzendes Metall, den Elwa herbei gebracht hatte.

Dornen - Das verwunschene KönigreichWhere stories live. Discover now