Kundschafter

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Der Tritt, der Djadi diesen Morgen weckte, war noch unsanfter als der letzte.

Der Schmerz riss ihn augenblicklich aus dem Schlaf und sein Körper krümmte sich zusammen, während seine Augen aufflogen und das Lachen von Jügen in seinen Ohren klang.

„Wer erzählt mir jetzt, dass ich dich in Frieden lassen soll, was?", fragte er gehässig. „Nächstes Mal opfern wir dich, dann sollten wir unsere Ruhe haben, endgültig. Von allem."

„Bitte, lass es sein", sagte Lore neben ihm leise. Sie lag nicht mehr am Boden, wie der Großteil der Männer, sondern saß aufrecht, die Arme um die Knie geschlungen. Ihre Augen waren gerötet, dunkle Ringe darunter. Djadi spürte sein Herz mitleidig pochen, als er sie so sah. Sie schien kaum geschlafen zu haben, auch wenn die Nacht wie Sharif gesagt hatte ruhig geblieben war.

Jügen warf ihr einen kurzen Blick zu, dann spuckte er aus.

„Frauen sind zu rührselig", sagte er. „Wir wären besser dran, wenn wir dich zurückgelassen hätten, Heilerei hin oder her."

Djadi sah sich unbehaglich um. Jügen machte keine Anstalten, sie in Ruhe zu lassen und außer ihnen war nur ein einzelner Melancer bereits wach, der etwas weiter entfernt ein Feuer entfacht hatte und betont beiläufig darin herumstocherte. Er vermisste Prinz Alaron schmerzlich.

„Ich merke mir das, wenn die Dornen dich das nächste Mal erwischen", sagte Lore dumpf. Sie meinte es nicht so bissig, wie sonst schon so oft, aber Jügen schnappte empört nach Luft und erwiderte nichts. Dann grunzte er unwillig und stapfte zu dem anderen Mann am Feuer hin.

Djadi grinste schwach seinem Rücken hinterher, wandte sich dann aber lieber Lore zu, die ihren Kopf auf den Knien gebettet hatte und düster in die Ferne starrte. Es gefiel ihm nicht. Sie hatte ihre Entschlossenheit schon zu lange beibehalten, um jetzt vom Ernst ihrer Lage eingeholt zu werden.

„Du wärst ein besserer Soldat als er", sagte er schließlich und entlockte ihr ein kurzes Lächeln.

„Nein, wirklich", fuhr er entschlossener fort. „Wetten, wenn dir jemand ein Schwert geben und dich unterrichten würde, dass du nach zwei Tagen mindestens die Hälfte von ihnen im Zweikampf besiegen könntest?"

„Um was wollen wir wetten?", erwiderte sie und er hörte zu seiner großen Freude, dass wieder etwas Leben in ihre Stimme zurückgekehrt war.

„Um den besten Wein des Abendlandes", schlug er vor. „Ich sollte noch ein paar Flaschen bei meinen Freunden zurückgelassen haben."

„Ich mag kein Wein", sagte Lore und verzog das Gesicht. „Aber du könntest mir mehr Morgenländisch beibringen. Also, wenn das hier vorbei ist." Sie warf einen vielsagenden Blick zu Jügen hin.

„Wahrscheinlich ziehen wir dann bald weiter", sagte Djadi bedauernd. „Da wird nicht viel Zeit bleiben."

Etwas blitzte in ihren Augen auf.

„Dann komm ich mit!", sagte sie. „Albin ist ohnehin schon in euren Diensten, nicht wahr? Dann könnten wir gemeinsam mit dem Wanderprinzen weiterziehen."

Djadi grinste, als er es sich vorstellte.

„Wir müssen ...", begann er, doch ein ungewohnt lautes Knacksen auf dem Weg vor ihnen unterbrach ihn. Sie sahen unweigerlich in die Richtung, aus der es gekommen war, die beiden Männer am Feuer eingeschlossen.

„Da kommt jemand", sagte der Melancer halblaut. „Sollten wir die anderen wecken?"

„Nicht nötig", sagte Jügen. „Hört sich nicht schlimm an. Und wir haben ja einen Kundschafter."

Dornen - Das verwunschene KönigreichWhere stories live. Discover now