Schatten und Rauch

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Prinz Willehad hatte es für den sichersten Weg gehalten, sich möglichst weit hinter die ersten Reihen der Armee zurückfallen zu lassen. Er wusste, dass die Prinzen Hagen und Alaron es vorzogen, fast direkt hinter der Vorhut zu reiten und sofort zur Stelle zur sein, wenn etwas geschah, aber ihm selbst war es nur recht, wenn er in keinerlei Schwierigkeiten hineingezogen wurde, so es nicht unbedingt sein musste.

Natürlich gab er acht, dass noch ein paar Soldaten hinter ihm waren, bevor der große Teil der Diener und Knechte kam, die nur von vereinzelten Kämpfern bewacht wurde, damit er auch ja zu allen Seiten abgesichert war. Sein liebster Knecht ging neben ihn und führte sein Pferd am Geschirr, sodass er selbst sich nicht mehr um sein Lenken kümmern musste, und sein General ging auf der anderen Seite und sah sich aufmerksam um. Die wenigen Jötmarker Soldaten flankierten sie.

Willehad war erleichtert, dass in diesem Teil des Dornenwaldes wieder mehr Raum war und er sich nicht eingezwängt in dichten Rankentunneln fühlte wie zu Beginn ihres Weges am Morgen. Er sah wohl, dass die Dornen deswegen nicht an Bedrohlichkeit eingebüßt hatten – ein Soldat von irgendeinem gotundischen Herzogssohn hatte sich ihnen als Mutprobe genähert und einer der Stacheln hatte sich ihm glatt durch die Hand gebohrt, sodass er mit bleichem Gesicht zur Ärztin gerannt war.

„Macht so etwas bloß nicht", ermahnte er seine eigenen Männer. „Ich möchte nicht noch mehr verlieren."

Seine Worte hatten nur bedingt Macht über sie. Ihre Stimmung war gedrückt, seit sie zwei ihrer Kameraden im gestrigen Angriff verloren hatten und Willehad wusste nicht, was er tun konnte, um ihre Geister wieder zu erhellen. Er kannte nicht einmal ihre Namen, sein Großvater hatte die Männer ausgewählt. Und selbst wenn, er war nicht gut mit Worten. Das überließ er dem General, der zugegeben nur halb begeistert von dieser Mission schien, aber immerhin über das richtige Pflichtbewusstsein verfügte, Willehads Wohl voranzustellen und seine Männer gut im Zaum zu halten. Vielleicht wären sie ihm davongelaufen, Willehad hielt es nicht für unmöglich. Sie wussten wahrscheinlich, dass er sich aus der Gutmütigkeit seines Herzens noch Entschuldigungen für sie ausdenken würde, anstatt sie zu verfolgen und zu bestrafen, wie es sich gehörte – wie es sein Vater und sein Großvater, und wahrscheinlich all seine Onkel und Vettern tun würden.

Er fragte sich manchmal, was sie wohl denken mochten. Nicht von ihm, das konnte er sich gut genug vorstellen, sondern von diesem Abenteuer – glaubten sie wie die Gunderforter daran, dass sie Erfolg haben würden? Oder waren sie nur hier, weil sie irgendwann einmal einen Eid geschworen hatten und ihre Anstellung im Heer nicht verlieren wollten?

Willehad war so in seinen Gedanken versunken, dass er den Aufruhr nur knapp hinter sich erst nicht wahrnahm, dann jedoch scheute sein Pferd und tänzelte seitwärts zurück, sodass sich der Knecht mit aller Kraft in sein Geschirr hängen musste, damit es Willehad nicht vor Überraschung durchschüttelte.

„Was ist das?", fragte er besorgt und sein General trat ein paar Schritte von ihnen weg, um einen besseren Ausblick zu haben.

„Da scheint etwas hinter uns zu sein", sagte er mit zu Schlitzen verengten Augen. „Aber es ist bei dem schlechten Licht schwer zu erkennen."

„Daran liegt wohl viel von der Bedrohlichkeit des Dornenwaldes", murmelte Willehad mehr zu sich selbst als zu ihm, „Durch die durchgehend schlechten Lichtverhältnisse werden Abenteurer verunsichert und müssen ungewohnt viel Aufmerksamkeit in ihren Weg stecken, wenn sie dem gefährlichen Terrain nicht zum Opfer fallen wollen."

Ferne Schreie ertönten und Holz brach unter schweren Körpern. Willehad erbleichte.

„So sehr ich Eure schlauen Ausführungen schätze", knurrte der General, „Ich fürchte, wir haben andere Probleme."

Dornen - Das verwunschene KönigreichWhere stories live. Discover now