In fremder Tracht

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Die Blicke, die ihm begegneten waren voller Verwunderung und Albin konnte es ihnen nicht verdenken – schließlich kam er zusammen mit einer großen Gruppe von Morgenländern daher, die allesamt dunklere Haut und Haare hatten als er. Sie hatten ihm Kleidung gegeben, damit klar war, dass er im Gefolge des Wanderprinzen mitreisen würde und nicht ohne Erlaubnis unter den Gunderfortern, und der Stoff fühlte sich kalt und glatt auf seiner Haut an, ein schweres, dunkles Seidenwams und weite Hosen, die in jedem Windzug aufgebauscht wurden.

Die Kleidung ließ ihn sich jedoch fast noch fremder unter den Maraldurern um sich fühlen –Asifa, der junge Djadi und seine Begleiterin Qamar hatten zwar in die Wege geleitet, dass er sie begleiten durfte, aber sie alle hatten bestimmte Aufgaben oder waren Teil des prinzlichen Stabes, sodass er unter den Dienern des Wanderprinzen allein war. Er wollte sie nicht einfach ansprechen, und sie selbst redeten nur auf raschem Morgenländisch miteinander.

Einer von ihnen, ein rundlicher Mann mit einem großen Schnauzbart namens Rajesh, der so etwas wie der Hausmarschall zu sein schien – nur ohne Haus-, hatte ihm ein dickes Bündel in die Arme gedrückt und gelacht. „Hier, Zelt! Du bist verantwortlich jetzt." Jetzt schleppte er das Bündel umher und wusste nicht recht, was ihre Aufgabe war, denn natürlich hatte keiner die Befehle auf Abendländisch gegeben. Wie es wohl erst für die Morgenländer sein musste, wenn sie hier allein unterwegs waren? Wie kamen sie überhaupt damit zurecht, seit Jahren schon in dieser Fremde, fern von allem Vertrauten und ihrer Heimat umherzuziehen, wenn ihm schon nach einer kurzen Nacht in ihrem Lager das Herz vor Heimweh hüpfte?

Er war glücklich, zumindest wieder vertrautere Gesichter zu erblicken, auch wenn sie auf seinen Aufzug nur mit fragendem Stirnrunzeln reagierten. Aber er eilte weiter. Es gab einen Grund, der über ihnen allen stand, warum er hier war, warum er all seinen Mut zusammengenommen und die Maraldurer gebeten hatte, ihn mitzunehmen.

Albin hoffte, er würde Lore finden, bevor sich die langsame Bewegung des Zuges bis zu ihnen fortgesetzt hatte und es womöglich zu spät war. Er sah in allen Karren nach, doch überall begegneten ihm nur verwirrte Diener und Fußsoldaten, manchmal nur hochgetürmtes Gepäck und griesgrämige Kutscher. Ein Blick zurück zeigte ihm, dass inzwischen fast der halbe Zug in Bewegung war und es würde nicht mehr lange dauern, bis auch die Diener an der Reihe wären.

Da tippte ihn eine Hand an und er fuhr herum. Für einen Augenblick dachte er, Lore hätte ihn gefunden, aber es war Qamar, die ihn aus schwarz umrandeten Augen ansah, ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen.

„Gerade in Dienst, und schon verloren, was?", fragte sie belustigt und deutete auf sein Bündel. „Mit Zelt du musst bleiben mit Nähe uns, weil schnell schlafen."

Er blinzelte verwirrt. „Meinst du, das ist eures?", entgegnete er langsam. Nachdem er all seine Beobachtungen und Vermutungen zu Fürst Vitus, seinen Männern und all den anderen im Gefolge, die den Maraldurern womöglich feindlich gesinnt waren, vor einer großen Gruppe von Männern und Frauen mit aufmerksamen Gesichtern vorgebracht hatte, war es so spät gewesen, dass ihm fast die Augen zugefallen waren. Qamar hatte ihn schließlich in das Zelt mitgenommen, das sie sich mit Asifa, ihrer Freundin Rana und zwei weiteren Frauen teilte, und ihm dort ein paar Decken zwischen den Sitzrollen am Teetisch ausgebreitet. Vor lauter Scham, dass ihn nur dünne Vorhänge von so vielen so hübschen Frauen trennten, hatte er das Schlafen letztendlich fast wieder vergessen.

Sie grinste und zog ihn dann am Arm weiter nach hinten. „Ja, ja!", rief sie, „Frauenzelt, sicher in Nähe. Aber du musst schlafen Djadi, wahrscheinlich, leider."

Er hatte sich schon gefragt, warum nicht Djadi einen Platz in seinem Zelt gehabt hatte, aber anscheinend war das nur eine Frage des Zeitpunktes gewesen. Oh, er hasste diese ewigen Fragen und Unsicherheiten. Fast bereute er es schon, diese Reise als seinen Gefallen zu fordern. Fast.

Dornen - Das verwunschene KönigreichWhere stories live. Discover now