Werte Ratsherren

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Erst als der König schließlich den Hofstaat und neugierige Gäste hinausschicken ließ, fühlte sich Mathilda, als könne sie wieder atmen. Sie spürte die verurteilenden Blicke der anderen Fürste und Herzoge auf sich und sie wollte sich nicht ausmalen, was der König selbst ihr noch zu sagen hatte, sobald er die Gelegenheit bekam, aber sie spürte eine merkwürdige Befriedigung dabei, einen so wichtigen Teil dazu beigetragen zu haben, dass sie nicht mehr tatenlos herumsaßen. Jetzt mussten sie über das Aufgebot Gotunds verhandeln, dass sie gegen den Dornenwald schicken wollten – jetzt würden sie etwas tun.

Der König hatte es anders vorgesehen, und der Ärger war ihm klar anzusehen, als er und Prinz Hagen aus den Hinterkammern zurückkehrten, in die sie sich für eine kurze Pause zurückgezogen hatten.

Hagen fing ihren Blick auf und schenkte ihr ein zufriedenes Grinsen, über das sie nur schwach den Kopf schütteln konnte. Sie wusste nicht genau, warum sie zuerst zu ihm gekommen war; warum sie da schon die Entscheidung getroffen hatte, ihm das nötige Vorwissen zu geben, seinen eigenen Part nach eigenem Gutdünken aushandeln zu können. Er war einer ihrer wenigen Freunde, dazu noch der künftige König, und sie hätte alles daransetzen müssen, ihm Hindernisse in den Weg zu werfen, damit er sein Leben nicht genauso achtlos hingab wie die Männer ihrer Familie.

Glaubte sie selbst am Ende daran, dass er Aussichten darauf hatte, der wahre, würdige Thronfolger von Ilreth zu sein?

Sie sah zu, wie der König mit grimmiger Miene wieder seinen Platz einnahm.

Auch der Wanderprinz hatte den größten Teil seines Gefolges fortgeschickt, nur sein Übersetzer, der alte Berater, drei weitere Männer und zwei Soldaten waren zurückgeblieben, die sich jetzt um seinen Stuhl gruppiert hatten und sich mit leisen Stimmen unterhielten. Mathilda spürte das Misstrauen der Ratsmitglieder um sich, weil sie ihre Worte nicht verstehen konnten, aber sie konnte gut verstehen, dass man sich lieber in seiner eigenen Zunge und nicht einer fremden unterhalten wollte.

„Nun gut", setzte der König ohne Umschweife an, „Nachdem wir so drastisch von den Entwicklungen bei Ilreth erfahren haben, bleibt uns wohl wenig anderes, als sofort zu handeln, wenn wir die Sicherheit der Bevölkerung gewährleisten wollen. Der Wanderprinz ist bereit, unserer Sitzung beizuwohnen und Nachfragen zu beantworten, sowie unsere Entscheidung bezüglich seiner Begleitung direkt anzunehmen. Ich bitte um Vorschläge, werte Ratsmitglieder."

„Das ist alles Blödsinn", meldete sich ein alternder Herzog zu Wort. Balwart, wenn sich Mathilda recht erinnerte. „Wenn Ihr den Dornen mehr Aufmerksamkeit geschenkt hättet und jedes Jahr nach ihrem Wachstum gesehen, dann wäre all dies keine Überraschung gewesen. Ich bezweifle, dass die Hecke allzu schnell wächst. Wir kommen ihr sicher mit Äxten und Feuer bei, wir fühlen uns nur bedroht, weil seit Jahrzehnten die Grenze gemieden wurde und keiner die Entwicklung dokumentierte."

„Genau!", kam es von anderer Seite, „Wir mögen uns getäuscht haben darin, wo die Grenzen des Fluchs liegen, gut. Aber unser Königsschloss haben die Dornen nicht verschlungen und uns hilflos gemacht, und wir haben genug Manneskraft, um uns ihrer zu erwehren. Ohne dass wir in ihr Herz vordringen müssen."

Mathilda sah unauffällig zu Hagen, dessen Lippen zu einem festen Strich zusammengepresst waren, der sich jedoch zurückhielt.

„Das könnt Ihr leicht sagen, als Herren von Gefilden, die weit südlich von hier liegen", setzte einer der Fürsten zurück. „Ich habe bereits Teile meines Lands verloren, weil meine Schäfer und Bauern sich nicht mehr an die Grenze gewagt haben und der Wald meine fruchtbaren Wiesen zurückerobert hat. Wenn sich dazu die Dornen weiter ausbreiten, wird mein Volk gänzlich fliehen und einen wüsten Landstrich zurücklassen. Und so wird es immer und immer weitergehen, bis die Dornen an Gunderforts Tore klopfen und nicht darauf warten, um Einlass gebeten zu werden!"

Dornen - Das verwunschene KönigreichWhere stories live. Discover now