Ein einfacher Mann

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Die Rede der Morgenländer hatte geholfen und Hagen musste sein Bestes tun, um seinen eigenen Missmut darüber zu verbergen.

Er sollte sich freuen, dass die Männer wieder mit mehr Tatendrang und Erfolg vordrangen und sich nicht von seltsamen Geräuschen oder Kratzern aus der Fassung bringen ließen, wie es im Lager noch fast den Anschein gehabt hatte, aber die Tatsache, dass dies dem Wanderprinzen zu verdanken war und nicht ihm selbst und der Loyalität seinem Wort gegenüber, wurmte ihn dennoch.

Mit den anderen Hoheiten hatte er ausgemacht, dass er zurückbleiben würde, bis der gesamte Zug sich in Bewegung gesetzt hatte, um sicherzugehen, dass auch jeder mit ihnen kam und nichts zurückblieb, weshalb er jetzt hinten mit der Nachhut verblieben war und sein Pferd unruhig zwischen den marschierenden Soldaten tänzeln ließ, während vor ihm die Wagen laut über die Wurzeln rumpelten.

Norwin war bisher nicht wieder mit dem morgenländischen Übersetzer aufgetaucht und bis dahin wollte er noch hinten bleiben. Gerüchte pflanzten sich in einem fortbewegten Zug deutlich einfacher von vorne nach hinten fort als umgekehrt. Auch wenn er aus reinem Interesse mit dem Übersetzer sprechen wollte, kam ihm zumindest eine gewisse Diskretion nicht ungelegen. Man wusste ja nie, wohin sie das Gespräch führen würde.

Es dauerte eine geraume Zeit, bis er endlich seinen General und den weiten blauen Umhang und einfachen Turban des Übersetzers von seinem Pferd aus entdecken konnte und dann dauerte es noch etwas länger, bis sie sich auch tatsächlich ihren Weg hin zu ihm gebahnt hatten. Die Männer hielten sich an die Anweisung, dicht zusammen zu bleiben. Hoffentlich war es auch wirksam gegen erneutes mysteriöses Verschwinden von ganzen Kompanien, sonst hatte es den Weg von Norwin und dem Übersetzer zurück nur unnötig erschwert.

Er nickte ihnen zur Begrüßung knapp zu, dann sagte er zu Norwin: „Versuche, wieder nach vorne zu kommen und ein Auge auf unsere Männer zu haben. Alaron wird seine Sache zwar gut machen, aber wenn es an schwierige Entscheidungen geht, die meine eigenen Soldaten betreffen, sollst du mich sofort benachrichtigen."

Norwin warf einen skeptischen Blick auf den engen Zug hinter sich, zuckte letztlich aber mit den Schultern. Er wusste genauso gut wie Hagen, dass man mit der nötigen Dringlichkeit in der Stimme und besonders als Prinz deutlich besser durch die Männer hindurch kommen würde.

„Seid gegrüßt, junger Morgenländer", wandte er sich dann höflich an den Übersetzer, der zwar gewiss nicht klein war, aber dennoch den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm auf dem Pferderücken ins Gesicht blicken zu können. Hagen war nichts anderes gewohnt, wenn er mit der Armee unterwegs war und seine Befehle gab, aber es fühlte sich dieses Mal nicht richtig an und so besann er sich eines Besseren, bevor er fortfuhr, und schwang sich zuerst vom Pferd.

Der Hauch von Anerkennung blitzte im Gesicht des Morgenländers auf, als er trittsicher neben ihm auf der Erde aufkam.

„Womit verdiene ich diese Ehre, mein Prinz?", fragte er mit einem schwachen Lächeln. „Ich erinnere mich nicht, dass Ihr bisher sonderliches Interesse an mir oder meinen Begleitern gezeigt habt."

„Dann ist es wohl an der Zeit, das zu ändern, nicht wahr?", entgegnete Hagen und hob die Augenbrauen. „Ich weiß nicht, wie viel Ihr von dem Streit zwischen den Männern heute Morgen mitbekommen habt, aber ich bezweifle, dass Eure bewegten Reden sie noch lange darüber hinwegtäuschen können, dass sie mit Fremden durch diesen Wald reiten."

„Ihr habt mich auch nur dieses eine Mal wirklich reden gehört, mein Prinz", sagte der Übersetzer. Erst wollte Hagen seine Aussage für Arroganz halten, dann jedoch sah er die Belustigung in seinem Gesicht, die seine Mundwinkel warm tanzen ließ. Der Unmut, der in ihm aufsteigen wollte, legte sich wieder.

Dornen - Das verwunschene KönigreichWhere stories live. Discover now