Fanfaren

711 89 3
                                    

Mathilda fühlte sich unwohl, wie sie in den Reihen der anderen Adeligen zu Hofe stand und wartete. Da sie ihre Ankunft hier nie geplant hatte, hatten sie nur wenig Gepäck mitgeführt, und nichts davon war für den Aufenthalt zu Hofe geeignet. Unter großem Murren hatte schließlich die Gattin eines Ratsherrn, die von ähnlicher Statur war, eingewilligt, ihr eines ihrer alten Kleider zu leihen, doch natürlich war es kaum mit ihrer eigenen, maßgeschneiderten Garderobe zu vergleichen. An Hüften und Brust war es ihr zu weit, während es an Schultern und Oberarmen in ihre Haut kniff und sie sich nur sehr eingeschränkt bewegen konnte. Wenn ihre Brieftaube in Niederzollern angekommen war, durfte es hoffentlich nicht mehr allzu lange dauern, bis man ihre Sachen nachsandte.

Sie versuchte, möglichst unauffällig ihre Position zu wechseln, damit sie es wenigstens etwas bequemer hatte, aber als sie aufsah, lag Prinz Hagens Blick selbst auf ihr, ein schwaches Zucken um seine Mundwinkel. Er stand ruhig und gefasst neben dem Thron des Königs, eine Ausgeburt an Eleganz und Haltung, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt. Als die große, dem Thron gegenüber liegende Saaltür aufschwang und sich für einen Moment fast alle Köpfe dorthin umwandten, zwinkerte er Mathilda jedoch kaum merklich zu.

Die Fürstin tat ihr Bestes, die starre Maske ihres Gesichtes dennoch nicht aufzubrechen. Um sie herum stand der gesamte Rat, eine gute Anzahl an anderen Fürsten und Herzogen mitsamt ihrer Gattinnen eingeschlossen und wenn sie auch nur einen Augenblick von ihnen sichtbar die Fassung verlor, wäre es auch mit allem Respekt dahin, den sie sich über die letzten Jahre so mühselig erarbeitet hatte. Allein die Herzogin Edeleide, die nach Tod ihres Mannes und bekannt unrühmlichen Verhalten ihres einzigen Sohnes ebenfalls als Frau an der Spitze ihres Volkes stand, fühlte eine gewisse mütterliche Zuneigung ihr gegenüber und hatte gelegentlich freundliche Worte für sie übrig, aber darauf konnte Mathilda schlecht eine gute Stellung zu Hofe aufbauen.

Ihre Augen wanderten zurück zum Prinzen, der wieder mit unbewegter Miene nach vorne starrte und zusah, wie die letzten Mitglieder des Hofes eintrudelten. Geladen waren heute nur der Rat wie üblich, und zusätzlich manche der Adeligen, Mathilda eingeschlossen, aber der angekündigte Besuch hatte solche Neugier geweckt dass jeder, dem seine sonstigen Pflichten eine Pause erlaubten, ebenfalls dazugekommen war, um dem Spektakel beizuwohnen. Solange sie nur im Schloss tätig waren, gab es kein Gesetz, das sie davon abhielt. Noch nicht.

König Hartmut hatte sein Gesicht so auf die Hand gestützt, dass seine Mundwinkel nicht zu sehen waren, aber der Unmut in seinen Augen war deutlich zu erkennen, als er beobachtete, wie sich der Saal bis in die letzten Ecken füllte, der Lärm der Unterhaltungen so stark wie selten hier drinnen, vielfach verstärkt durch das Echo der großen Halle.

Adelige und Rat zu seiner linken waren stumm, genauso wie die versammelten Ritter auf der rechten Seite, doch ganz hinten wartete ein wahres Meer aus Dienern, Knechten und Mägden darauf, einen Blick auf die Besucher zu erhaschen, und sie schnatterten und tratschten ohne Unterlass dabei. Mathilda erkannte das violette Kleid der königlichen Zofe, die ihr am Morgen bei der Ankleide geholfen hatte.

Es fiel ihr heute schwer, ruhig zu bleiben. Zwei Tage war es her, dass sie überstürzt in Gunderfort angekommen war und Prinz Hagen von den Dornen auf ihrer Seite der Grenze gewarnt hatte, aber anders als erwartet war er damit nicht direkt zu seinem Vater gestürmt. Im Gegenteil war er seitdem so gefasst geblieben, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. Sonst war es immer andersherum gewesen – sie behielt den kühlen Kopf, er verlor die Fassung. Fast fragte sie sich, ob er unter irgendeinem Zauber stand. Sie konnte nicht einmal sagen, ob er überhaupt schon mit König Hartmut gesprochen hatte, was ihre Neuigkeiten anbelangte, oder ob er es sich für die heutige Besprechung aufgespart hatte.

Die Besprechung. Sie hätte bei dem Gedanken gerne laut geseufzt.

Ganz offiziell war dies hier der erste richtige Staatsempfang für die Besucher aus der Ferne, nachdem sie bald eine ganze Woche in ihren Zelten außerhalb der Stadtmauern gelebt und wenig Anstrengungen unternommen hatten, mit König Hartmut ins Gespräch zu kommen. Natürlich hatten sie Gesandte geschickt, um von ihrer Anwesenheit und ihrer Absicht zu unterrichten, aber ihre Bitte nach Unterstützung war wenn dann nur sehr leicht herauszuhören, und ihr Vorhaben hatte erst einmal wenig mit den dringlicheren Angelegenheiten des Reiches zu tun. Der König hatte ihnen zwanzig gebratene Gänse und zwei Kühe als Willkommensgeschenk senden lassen und ihnen einen langen, von ihm genehmigten und geschützten Aufenthalt zugesichert, und sie dann für heute eingeladen.

Dornen - Das verwunschene KönigreichTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon