Abschied

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Es war schwer zu sagen, ob sie sich die Pause verdient hatten, oder ob die Dornen nur so friedlich dalagen, um sie sofort in die nächste Falle zu locken. Die Sonne brach durch das Blätterdach über ihnen und warf helle Flecken auf den felsigen Boden, während Samir am anderen Ende der Lichtung an einem provisorischen Grab für seinen alten Berater arbeitete, das Klackern der Steine beinahe besänftigend monoton. Wenn Hagen darüber nachdachte, war es ihm eigentlich egal, wann die elende Kämpferei wieder losgehen würde. Er war einfach nur froh, endlich Zeit zu haben, seinen Atem wiederzufinden, ohne sich Gedanken machen zu müssen, wie sie der nächsten lebensgefährlichen Bedrohung entkamen.

Ganz abgesehen davon, dass die Katze ihre kleine Lichtung mit einem tiefen, beständigen Grollen in der Kehle umwanderte und sich sicher bemerkbar machen würde, sollte sich ihnen etwas nähern.

Ihre Herrin hatte sich einige Schritte von Hagen entfernt an einen hohen Stein gelehnt, ihre Arme verschränkt und ihr Blick weit in die Ferne gerichtet, an keinen bestimmten Punkt. Er legte sein Schwert zur Seite, das er notdürftig mit einer Handvoll Moos glatt poliert hatte und erhob sich, um näher zu ihr hinzutreten.

„Asifa, nicht wahr?", begann er höflich. Er konnte sich vage erinnern, sie bereits gesehen zu haben, auch wenn es gut sein konnte, dass er sie mit einer der anderen vielen jungen Dienerinnen des Wanderprinzen verwechselte. An den Leoparden konnte er sich auf jeden Fall erinnern.

„So werde ich genannt", antwortete sie ohne Wärme in der Stimme und ohne ihm den Blick zuzuwenden. „Und Ihr seid der Gotunder-Prinz. Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr es so weit schaffen würdet, so impulsiv wie Ihr damals in unser Zelt gestürmt seid."

Also hatte er sie tatsächlich gesehen. Hagen beschloss, den sonstigen Inhalt ihrer Antwort zu ignorieren. Ihm war nicht danach, sich mit ihr über mangelnden Respekt zu streiten, so etwas war lange unnötig geworden in ihrer Situation.

„Mathilda wird sich freuen", fügte sie hinzu und Hagen konnte sehen, wie sich ihre Mundwinkel spöttisch kräuselten.

„Fürstin Mathilda?", fragte er überrascht, „Was wisst Ihr von ihr? Geht es ihr gut? Hat Norwin sie gefunden?"

„Gemach, gemach", sagte sie, als redete sie mit einem aufgeregten Kleinkind, keinem Prinzen. „Übt Euch in Geduld und Ruhe, so kommt Ihr besser ans Ziel."

Hagen ballte die Hände zu Fäusten, kümmerte sich aber zu sehr um die Informationen über Mathilda, um sich auf ihre kaum verhohlene Beleidigung einzulassen.

„Also?", sagte er nur.

Asifa lächelte schwach.

„Wir sind uns begegnet", sagte sie. „Haben die Schattenkönigin bezwungen, den Prinzen von Melance befreit, die Wachende getroffen, Mathildas Familie gefunden und eine Horde Kobolde bezwungen. Unsere Wege trennten sich gestern, als die dem Vater des kleinen Jungen folgte und ich Tizita hin zum Wanderprinzen."

„Das heißt, sie ist noch in den Dornen", sagte Hagen dumpf. „Obwohl sie ihre Familie gefunden hat?"

„Ein stärkerer Ruf hat uns nach vorne gezogen", sagte die Morgenländerin. „Und alte Magie würde uns nicht umkehren lassen. Wir sind zu weit voran geschritten, als dass wir einfach gehen könnten."

Hagen brummte unwillig. Er fühlte, dass sie Recht hatte – der Gedanke daran, so kurz vor ihrem Ziel aufzugeben und umzudrehen, selbst wenn keine Prinzessin auf sie gewartet hätte und die Gruppe um König LePapin den Fluch leicht hätte lösen können, war unvorstellbar. Die Dornen hatten ihn fest in ihrem Griff, auch ohne ihn dafür umschlingen zu müssen.

„Hat General Norwin sie nicht gefunden?", fragte er.

„Ihr habt ihn also geschickt", sagte sie nachdenklich. „Wie habt Ihr es angestellt?"

Dornen - Das verwunschene KönigreichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt