Stein

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„Vorsicht!", rief Samir und zog Djadi gerade rechtzeitig zurück, bevor direkt vor ihnen eine große Steinlawine niederging und den schmalen Gang bis weit über ihre Köpfe auffüllte.

Djadi blinzelte überrascht und dann blinzelte er etwas mehr, weil ihm Staub in die Augen geraten war und ihn nur noch verschwommen sehen ließ. Nicht, dass es eine große Einschränkung war – mehr als schmale, dunkle Wege und die fernen, drohenden Bewegungen der Steinmonster gab es ohnehin nicht zu sehen.

„Wir dürfen nicht stehen bleiben", sagte Samir und zog ihn sanft mit sich, zurück in einen der anderen Gänge zwischen den Felsen.

„Wir müssen mehr nach rechts", bemerkte Djadi besorgt, als sich der Weg immer mehr gen links wandte. Er spürte, wie es an ihm zog und ihn zum Ausgang aus dem Steinlabyrinth wies, aber diesem unbestimmten Gefühl zu folgen erwies sich unter der ständigen Bedrohung durch fallende Steine und wütende Steinmonster als fast unmöglich.

„An der nächsten Abzweigung, wenn es uns erlaubt ist", sagte Samir knapp und eilte ihnen voraus, um sich umsehen zu können. Lore lief dicht hinter Djadi, wiederum gefolgt von Al-Hashid, der nicht ganz so schnell auf den Beinen war. Zu Beginn, als sie sich gerade aufgeteilt hatten, waren sie den anderen Männern noch öfter über den Weg gelaufen, aber jetzt schien es fast, als wären sie allein der bebenden Erde und ihren Kreaturen ausgeliefert.

Samir verlor kein Wort darüber, aber Djadi wusste genau, dass er die Gefahr schon dreimal hinter sich hätte lassen können, wenn er nicht so darauf bedacht gewesen wäre, bei ihm und Al-Hashid zu bleiben. Er selbst spürte noch viel zu sehr die Erschöpfung von ihrem letzten Kampf mit den Trollen, um so schnell zu sein wie er es gewohnt war. Es war nicht gerecht – sie hatten sich eine ruhige Nacht verdient nach den Biestern, nicht noch mehr Flucht und Tod und Bedrängnis.

Er hatte noch nicht einmal mit Samir darüber gesprochen, warum er überhaupt gekommen war, was für Männer ihnen auf den Fersen waren, was mit Qamar geschehen war ...

„Vorsicht!", schrie Lore und zog ihn heftig am Arm zurück, kurz bevor eine große Erdscholle auf dem Boden aufprallte, wo er gerade noch gestanden hatte.

Djadi keuchte und wollte sich bei ihr bedanken, doch ihm blieb kaum noch Atem, um auch nur einen Laut zu machen. Hinter ihm keuchte Al-Hashid noch lauter als er selbst und ihn beschlich ein ganz und gar unangenehmes Gefühl, dass sie jene Gruppe waren, die zum Tod innerhalb dieser Steine verdammt waren. Bis auf Samir – Samir würde sich retten können, wenn er sie zurückließ.

Sie eilten um zwei weitere Ecken, nahmen die Abzweigungen, die Djadi als die richtigen erkannte und wichen dabei gerade so einem vorbeipreschenden Steinmonster aus. Samir drückte sie alle in einen kleinen Einschnitt in der Wand, als das nächste Monster an der nächsten Abzweigung vorbeikam und den Kopf suchend zu beiden Seiten pendeln ließ.

„Wenn es uns jetzt sieht, können wir nicht mehr rennen", murmelte er ihnen zu, „Wenn es vorbei ist, können wir uns hoffentlich hinter seinem Rücken vorbeischleichen."

Er lehnte sich vorwärts für einen kurzen Blick, dann wieder zurück.

„Einen Moment noch."

„Samir", flüsterte Djadi, dessen Atem sich ein wenig beruhigt hatte. „Wir müssen reden."

„Nicht jetzt", erwiderte sein Freund knapp, „Wenn wir den Moment verpassen ..."

„Deine Aussichten sind größer, und du solltest wissen...", unterbrach ihn Djadi, nur um wiederum von seinem Freund mitten im Satz vorwärts geschoben zu werden.

Dornen - Das verwunschene KönigreichWhere stories live. Discover now