Kapitel 32

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"Es ist eine Einladung zum Klassentreffen deines gesamten Abiturjahrgangs." Als Oliver das sagte, spürte er, wie Dan sich versteifte. Er sah den geschockten Blick, als sein Freund sich von ihm löste und nach dem Stück Papier griff.

Kurz überflog Dan den Brief nur um festzustellen, dass es genau so war, wie Oliver gesagt hatte.

Zu sagen, dass diese Nachricht total unerwartet kam, wäre gelogen. Vor ein paar Monaten hatte er einen Anruf von einer ehemaligen Mitschülerin bekommen, die ihn fragte, ob er Zeit für ein Klassentreffen hätte.

Das es ein Treffen des gesamten Jahrgangs werden sollte war ihm entgangen, da er gerade mitten in einer Prüfungsvorbereitung gesteckt hatte und so schnell wie möglich wieder auflegen wollte.

Hätte er besser zugehört, hätte er sofort absagen können. Aber nein, da er dachte, er sieht nur Menschen wieder, die auch in seiner Klasse waren, hatte er überschwänglich zugesagt. Ehrlich gesagt hatte er sich sogar darauf gefreut.

Aber der gesamte Jahrgang; das ist etwas anderes.

"Dan, alles ok?" Besorgt schaute Oliver seinen Freund an, der immer noch auf den Brief starrte. Dan hatte ihm damals vage erzählt, dass es jemanden in seiner Schule gab, mit dem er Probleme hatte, was er sich auch denken konnte.

Immerhin wusste er noch genau wer Dan war, als er damals in dem Club auftauchte. Er hatte nicht vergessen, dass sie sich schon mal bei ihm auf Arbeit gesehen hatten, als Dan neue Beruhigungsmittel kaufte.

Trotz allem hatte Dan nie wirklich über die Geschichte geredet, was schon zu der ein oder anderen Auseinandersetzung geführt hatte. Mittlerweile hatte Oliver aber kapiert, dass es nichts bringt, darüber zu sprechen.

"Ja, denke schon." Abwesend griff Dan nach seinem Tee und deutete Oliver, dass er ins Wohnzimmer geht. Oliver tat es ihm nach und setzte sich neben ihn aufs Sofa.

"Gehst du hin?" fragte er und schaute zu Dan. Dieser hätte auch geantwortet, wenn er es gewusst hätte. Absagen konnte er schlecht noch, aber hingehen schien für ihn auch keine gute Option zu sein.

Andererseits wollte er auch nicht, dass seine Angst Jack zu sehen ihn davon abhielt, die Menschen zu treffen, auf die er sich gefreut hatte.

Doch was, wenn er Jack trifft und alles wieder wie früher ist? Das Herzklopfen, das Kribbeln und vor allem die Gefühle. Ja, er liebt Oliver. Das tat er wirklich, aber auf eine andere Art und Weise als er Jack liebt.

Und Dan wusste, dass es nicht fair wäre, seinem Freund das zu verschweigen. Bis jetzt war es nie nötig, ihm davon zu erzählen, aber nun wo die Chance bestand, dass er seine Jugendliebe wiedertraf, sah es anders aus.

"Ich denke schon, dass ich gehe" entschied Dan zögerlich. "Aber ich muss vorher noch mit dir reden." Er merkte selber wie unsicher er klang. Es war auch komisch, seinem langjährigen Freund sowas zu sagen.

"Dan" Oliver griff nach seinen Händen, um ihn darauf aufmerksam zu machen, wie sehr sie zitterten. "Beruhig' dich bitte erst mal. Komm her." Damit zog er ihn an sich. Sie lagen eine Weile einfach nur da, bis Dan wusste, was er sagen wollte.

"Ein dreiviertel Jahr nachdem ich die Schule gewechselt hatte lernte ich einen Jungen kennen. Ich habe mich verliebt, für ihn war alles nur Spaß. Sobald wir das Abi in der Tasche hatten, hat er mich fallen lassen und das war's." Dan hoffte, dass Oliver etwas sagen würde, aber er blieb still.

"Ich hab nie darüber nachgedacht oder damit abgeschlossen, weil ich das nicht konnte. Ich liebe dich, Oli. Aber die Gefühle die ich damals für ihn hatte sind nie weggegangen."

Dadurch, dass er es laut aussprach, wurde es real für Dan und er wurde sich bewusst, wie blöd das klang. Er hatte quasi seinem Freund gesagt, dass er nicht nur ihn, sondern auch noch einen anderen Typ liebt.

Olivers Miene verriet nichts darüber, was er gerade dachte. Innerlich schlug sich Dan dafür, es ihm gesagt zu haben.

"Sag was" bat er ihn und drehte sich ordentlich zu ihm um. "Was soll ich dazu sagen?" fragte Oliver und klang dabei kälter als sonst. "Ich weiß nicht, ob ich wütend sein soll oder traurig. Ich hab keine Ahnung, was das für mich oder uns bedeutet."

Sein Kiefer war angespannt, als er weitersprach. "Ich weiß nur, dass du mich nie so geliebt hast, wie ich dich und das tut weh."

Dan fühlte sich elend. Das war alles und es tat ihm leid. Vorsichtig löste er Olivers geballte Faust. "Jeder liebt auf eine andere Art. Und ich liebe dich auf meine. Es tut mir leid, dass das vielleicht nicht das ist, was du willst."

Oliver entspannte sich ein wenig und schaute wieder zu seinem Freund. "Was ist, wenn du merkst, dass deine Gefühle für ihn stärker sind?" Dan sah ihm deutlich an, wie verletzt er war.

"Es bringt nichts, wenn ich dir sage, was du hören möchtest, also musst du wohl durch die Wahrheit durch. Es kann sein, dass meine Gefühle zurückkommen, deswegen hab ich dir davon erzählt. Ich will nicht der Freund sein, der seinen Partner im Unklaren lässt."

Oliver nickte und wartete gespannt darauf, dass Dan weitersprach. "Ich will die Hunde nicht heiß machen. Das Treffen ist erst in einem Monat. Wenn du nicht willst, dass ich gehe, dann geh ich nicht und das Thema ist vom Tisch."

Im Endeffekt war es Dan egal, ob er ging oder nicht. Wenn er durch sein Fernbleiben seine Beziehung behalten könnte, würde er es tun. Aber wenn er geht und merkt, dass eine Chance bei Jack besteht, würde er sie eventuell ergreifen.

"Doch geh. Ich will, dass du das für dich endlich klärst. Rede mit ihm und finde raus, ob es noch Liebe ist. Und wenn dann habe ich-" Oliver unterbrach sich, um nach den richtigen Worten zu Suchen.

"- einem Jungen gezeigt, wie es ist zu lieben und zurückgeliebt zu werden" beendete Dan den Satz anders als geplant.

"Ja das habe ich wohl" stimmte Oliver mit einem traurigen Lächeln zu. Dan kam nicht umhin ihn zu küssen. "Bist du sauer?" fragte er und kraulte dabei seinen Haaransatz. "Enttäuscht vielleicht, aber trotzdem froh, dass du ehrlich bist. Also sauer nein."

"Du bist ein bewundernswerter Mensch, weißt du das? Und dafür liebe ich dich" versicherte Dan seinem Freund nochmal, bevor sie ins Bett gingen. Er wünschte sich einfach, dass alles so bleiben würde, wie es ist.

Mehr als ein Kuss ~ boyxboyWhere stories live. Discover now