Kapitel 79

475 39 29
                                    

Nach der Adrenalinflutung seines Körpers war die Massage ein starkes Gegenteil, doch Dan genoss es. Viel zu schnell waren die gebuchten 45 Minuten um und die Masseurinnen verließen das Zimmer.

Er hob seinen Kopf aus der Vorrichtung und sah, dass Jack noch völlig entspannt in Position lag. Er ließ es sich nicht nehmen, zu ihm zu gehen und sich neben ihn zu setzen. Mit den Fingerspitzen fuhr er über Jacks Rücken.

"Und hat es dir gefallen?", fragte Dan mit sanfter Stimme. Die Kopfbewegung von Jack deutete er als Ja. 

"Willst du nicht aufstehen?", forschte er vorsichtig nach. Schließlich konnten sie das Zimmer nicht ewig okkupieren.

"Nein, lass mich einfach hier liegen", nuschelte Jack. "Und schick am besten die Frau nochmal rein", fügte er noch hinzu. So begeistert, sich berühren zu lassen, war Jack fast nie und das brachte Dan dazu, sein Glück zu testen.

Er nahm seine zweite Hand dazu und versuchte die Bewegungen zu imitieren, die er gerade noch am eigenen Leib erfahren hatte. Jacks Haut war warm und weich unter seinen Händen.

"Fester", wies Jack ihn an und brummte zufrieden, als Dan seiner Anweisung nachkam. Ein leises Lächeln schlich sich auf Dans Lippen. Es war schön, Jack so entspannt sehen - und berühren - zu können.

Seine Massage zog sich immer weiter nach unten, doch er traute sich nicht, weiterzugehen, als seine Daumen ein paar Mal in kreisenden Bewegungen wenige Millimeter unter Jacks Hosenbund zu schieben. Es brachte ihn völlig aus dem Konzept, dass Jack nicht protestierte.

Spürte er es überhaupt? Jack diese Frage zu stellen war für ihn keine Option, also schob er seine Finger noch ein kleines Stück tiefer und massierte mit aller Kraft, die er aufbringen konnte.

Fast sofort richtete Jack seinen Oberkörper so weit auf, dass er sich zu Dan umdrehen konnte und fragte: "Willst du mir das Becken brechen?"

Mit betretenem Blick entschuldigte sich Dan.

"Ist egal", tat Jack es ab. "Lass uns gehen." Mit aufforderndem Blick wartete er, dass Dan den Raum vor ihm verließ.

Während Dan vor der Tür auf ihn wartete, konnte er sich seine Frage selbst beantworten: Er spürte es. Nur wie weit ging das Gefühl? War es verwerflich, dass er darüber nachdachte, wie Sex mit Jack wohl wäre? Würde es anders sein als früher?

Könnte es schlechter sein? Dan legitimierte seine Überlegungen für sich selbst, indem er sich sagte, dass er nur darüber nachdachte, weil Jack das Thema am Vortag angeschnitten hatte. Es kam Dan surreal vor, dass Jack offen zugab, dass er mit ihm schlafen wollte.

Doch es gab zu viel, was ihn abhielt. Allem voran Oliver. Und selbst, wenn er ihn für den Moment vergessen könnte, war er viel zu unsicher, was möglich war und was nicht. Was würde Jack fühlen können? War es ihm möglich, eine Erektion zu bekommen? Könnte Dan ganz normal versuchen, mit ihm zu schlafen oder musste Jack sich irgendwie besonders vorbereiten?

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen als Jack ihm einen Finger in die Seite stieß.

"Wovon träumst du denn?", zog Jack ihn auf.

"Von dir natürlich", antwortete Dan nüchtern und ließ nicht erkennen, ob er es ernst meinte oder spaßte. Jack zog beide Augenbrauen hoch, ging aber nicht verbal darauf ein. Stattdessen machte er sich auf den Weg zurück in ihr Zimmer.

Dan wusste nicht, ob er es gut oder schlecht fand, dass Jack nicht auf seine Aussage eingegangen war. Und er wusste verdammt noch mal nicht, wie er das Ganze zwischen ihnen auf eine andere Ebene heben sollte.

Ja, Jack hatte seine Hand bei der Autofahrt gehalten, im Schwimmbad zugelassen, dass er ihn hochhob, ihn nachts umarmt, ihn am Morgen von sich aus berührt und eben wirkte er, als würde er die Massage genießen. Zu all dem hatte er sogar deutlich gesagt, dass er mit ihm schlafen will!

So viel Bestätigung hatte er noch nie von Jack bekommen und trotzdem traute er sich nicht. Er war sauer auf sich selbst. Was hielt ihn ab? War seine Angst vor Zurückweisung so stark, dass er direkt den Schwanz einzog?

Sein Blick fiel auf Jack, der vor ihm den Gang entlangfuhr. Er konnte sich nicht erklären, wie er diesen Mann so stark begehren und sich gleichzeitig vor seinen eigenen Gefühlen fürchten konnte.

"Du hast vorhin was von Abendessen gesagt?", erkundigte Jack sich, während er die Tür zu ihrem Zimmer aufschloss. Mit Schwung drückte er sie auf, um hindurchzufahren, bevor sie wieder schloss. Dan hatte das mittlerweile oft genug erlebt, um seine Hand auszustrecken und die Tür zu stoppen, sodass er nach ihm eintreten konnte.

"Ja, ich habe einen Tisch im Restaurant reserviert", antwortete Dan, schloss die Tür und ging auf das Bett zu, um sich auf das Fußende zu setzen.

"Scheißt du Geld?"

Dan verdrehte lediglich die Augen. Fast wurden Jacks Verhaltensmuster langweilig.

"Wir haben gesagt, wir wollen wissen, wie es gewesen wäre. Ich hätte dich nun mal so sehr verwöhnt, wie ich kann."

"Und dass ich absolut nichts zurückgebe, ist dir egal?", fragte Jack herausfordernd.

"Muss ich dir das jetzt echt erklären?" Dan war gar nicht mehr daran gewöhnt, auf so einer niedrigen Ebene Beziehungsgrundsätze zu diskutieren.

"Erleuchte mich", forderte Jack.

"Ich gebe, weil ich das möchte. Mir macht es Freude. Und wenn es dir auch nur ein bisschen gefällt, reicht mir das. Ich will dich glücklich machen. Du gibst mir genug, indem du mich das versuchen lässt", gab Dan ehrlich zu, auch wenn sich sein Magen dabei fast umdrehte. Sich vor Jack verletzlich zu zeigen, war bisher nie eine gute Idee gewesen zu sein.

"Das klingt ziemlich schwach", sagte Jack abwertend wie immer.

Anstatt wie sonst verletzt zu schweigen, erwiderte Dan: "Warum bist du hier?"

"Wie?"

"Na warum bist du mitgekommen?", spezifizierte Dan seine Frage.

"Warum nicht?" Jack zuckte mit den Schultern.

Dan verkniff sich ein enttäuschtes Seufzen. Warum war es für Jack so schwer, offen mit ihm zu reden?

"Kannst du mir einfach ehrlich auf meine Frage antworten?", bat er. Jack war nicht glücklich über diese Frage, das sah Dan ihm an, doch er antwortete - wenn auch mit sehr verkniffenem Gesichtsausdruck: "Weil du mich gefragt hast."

"Heißt?", bohrte Dan nach. Diesmal wollte er ihn nicht so leicht davonkommen lassen. Trotzdem sagte er nichts, als Jack sich von ihm abwandte und mit einem Päckchen Zigaretten aus seinem Koffer auf den Balkon verschwand.

Dan wartete, bis er die ersten Rauchwolken aufsteigen sah und folgte ihm dann. Obwohl es ihn frustrierte, fand er es irgendwie auch süß, dass Jack solche Schwierigkeiten hatte, mit ihm über sowas zu reden.

"Ich wollte gerne die Zeit mit dir verbringen", gab Jack zu, ohne ihn anzusehen. So entging ihm auch das Grinsen in Dans Gesicht.

"Du kannst also damit leben, dich chic von mir zum Essen ausführen zu lassen?", neckte Dan ihn.

"Vermutlich", stimmte Jack vage zu.

"Gut", sagte Dan lächelnd. "Dann zieh deinen Anzug an."

Mehr als ein Kuss ~ boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt