Kapitel 65

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Ertappt riss Dan die Augen auf, konnte sich aber nicht von Jacks Blick lösen. Wie blöd war es von ihm, darauf keine Antwort zu haben? Beziehungsweise eine Antwort zu haben, die er Jack nicht geben konnte.

Ich wollte dir nochmal nah sein. Ich wollte, den Jack von gestern noch einmal erleben. Ich wollte so tun, als wäre ich Single und wir hätten eine Chance.

Aber er konnte nichts davon sagen und das wusste er. Also blieb er stumm und starrte Jack einfach weiter an.

So lange hatten sich die beiden noch nie in die Augen gesehen. Dan wusste, dass sich für Jack anscheinend etwas geändert hatte, sonst hätte er den Blickkontakt schon längst unterbrochen.

Und Jack wusste, dass er das nicht tun sollte - dass er Dans Leben nicht noch einmal durcheinanderbringen sollte. Aber im Gegensatz zum letzten Mal hatte er nicht vor, es kaputt zu machen. Was genau er jedoch wollte, war ihm nicht klar. Dan wiederzusehen, mit ihm zu reden, ihn zu küssen, hatten es ihm auch nicht klarwerden lassen.

Jack war kompliziert und das war ihm selbst bewusst. Ebenso, dass er nicht das war, was Dan wollte und er ihm nie geben könnte, was er sich wünschte.

Er hatte es geschafft, nach der Nacht des Abschlussballes zu gehen und komplett aus Dans Leben zu verschwinden. Er hatte sich alle Mühe gegeben, dass sich ihre Wege nicht wieder kreuzen würden, und trotzdem war er jetzt hier.

Wieder einmal hatte er versagt, doch er war nicht wirklich traurig darüber. Morgen, wenn er wieder allein sein würde, ja - dann sähe die Sache ganz anders aus. Jetzt jedoch war Dan da und er müsste nur die Hand ausstrecken, um ihn zu berühren.

Sein sonst so trostloses Leben nahm etwas Farbe an, als sich ein verlegenes Lächeln auf Dans Lippen legte und dieser sagte: "Ich konnte einfach nicht aufhören an gestern zu denken." Jack bemühte sich, das Grinsen zu verhindern, dass sich bei diesen Worten auf seinem Gesicht bilden wollte.

Dan war bei weitem nicht perfekt und Jack könnte unendlich viele Macken und Fehler an ihm auflisten, doch irgendetwas an ihm zog ihn an.

Für dieses Irgendetwas hatte er seinen Plan über Bord geworfen. Sein Plan, Dan nie wieder zu treffen, war alles, was er noch hatte. Schon früher war er selten glücklich, doch er kam mit seinem Leben klar.

Jetzt fühlte er sich so wertlos in seinem Körper, der für ihn nutzlos geworden war. Er ekelte sich vor sich selbst. Er war sicher Dan würde das genauso sehen, doch in seinem Blick konnte er immer noch die Zuneigung von früher erkennen.

Er würde ihm gerne nah sein, sich in seinen Armen verkriechen und Dan einfach nur zuhören. Vielleicht könnte er seine Sorgen dann vergessen.

Doch er konnte nicht fragen. Und er konnte diese Nähe nicht noch einmal zulassen. Er war ein hoffnungsloser Krüppel und noch dazu feige. Was sollte Dan schon von ihm wollen. Er hatte einen Freund und bald seinen Abschluss. Sein Leben lief super.

Jack hingegen war die meiste Zeit an seinen Rollstuhl gebunden, hatte ein angefangenes Studium, von dem er sich nicht vorstellen konnte, es jemals abzuschließen und niemanden, der sich um ihn scherte.

Hatte er ein Recht Dan das alles zu nehmen? Und wenn er es tun würde, wäre er dann glücklich? Es gab keine Garantie dafür und momentan ging es nur ihm beschissen. Wollte er Dan wirklich mit runterziehen?

"Du bist ganz schön nachdenklich", bemerkte Dan und unterbrach somit Jacks Gedankengänge. Seine Stimme war leise und doch flackerte die Flamme der Kerze, die zwischen den beiden auf dem Tisch stand.

"Ich weiß nicht, was ich hier mache", gestand Jack und ließ ihn erstmals wirklich an seiner Gefühlswelt teilhaben. Ein kurzes Nicken von Dan zeigte, dass es ihm genauso ging. Sie hatten sich Jahre nicht gesehen, waren jetzt erwachsen und hatten ihre Leben ohne den anderen weitergelebt.

Mehr als ein Kuss ~ boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt