Kapitel 30{Vögeln und Schläge}

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Gerade rechtzeitig konnte ich die Kette hoch heben, da knallte das Eisen schon dagegen und ich war geschockt von der Kraft des Schlages, mit der Akon ausgeholt hatte.
Es war ihm wohl ernst, und obwohl es eine Übung war bedeutete es für Akon eindeutig mehr.
Das sah ich ihm an, es war die perfekte Gelegenheit für ihn, sich wegen Finn an mir zu rächen und für eine Entschädigung von Finns Tod zu sorgen.
Aber dieses Mal liess ich mich nicht klein kriegen.
Ich hatte in Alecs Kammer geübt. Oft.
Ich hatte fleissig alles gemacht was verlangt worden war weil ich besser werden wollte.
Ich hatte mir den Arsch abgerackert aber es machte sich bezahlt.
Ich war wirklich besser geworden.
Also stand ich auf.
Ich konzentrierte mich auf ihn, versuchte an seinen Augen und den Zügen seines Gesichtes zu erahnen was er tun würde.
Denn wenn es eines gab das ich wusste, dann das Menschen immer aufgrund von Emotionen handelten. Jedenfalls fast alle.
Und bei ihm war es Wut.
Wut war ein guter Antrieb zum Überleben, für Rache oder nach dem Sinn der Gerechtigkeit.
Aber manchmal färbte sie die Sicht so rot dass man nichts mehr sehen konnte. Und so traf man blinde Entscheidungen, die man später bereute.
Und ich sah genau diesen Ausdruck auf den zusammen gepressten Lippen, den angespannten Brauen, dem feinen hämischen Zug um seine Augen herum.
Ich hatte lange genug mit Menschen zu tun gehabt, vielleicht kam mir das jetzt irgendwie zu nutze.
Aber eigentlich behinderte er sich selbst.
Durch seine Wut vergass er die Lektionen, alles was er wollte war zuschlagen, und ich war nun diejenige die den Verstand einsetzen konnte.
Verstand gegen Muskelmasse, soweit hatte ich es bringen wollen. Denn jetzt würde ich gewinnen.
Ich blockte den nächsten Schlag ab, auch wenn die Kette meine Finger streifte und ein stumpfer Schmerz sich durch meine Hand schlich.
Dann schnellte ich vor.
Wütende Menschen setzten auf Angriff, wenn sie selbst attackiert wurden waren sie deutlich langsamer in ihrer Abwehr. Weil es sie überraschte.
Ich traf ihn, das Metall landete schwer an seiner Brust und er wurde hustend zurück geschleudert.
Meine Haare lösten sich aus meinem Pferdeschwanz und fielen mir in die Stirn, als ich ihm folgte und mich unter der schwingenden Kette duckte.
In meinen Augen musste etwas ähnliches wie Wut glitzern, nur hatte ich noch die Kontrolle über mich.
Die Anderen hatten inne gehalten, die Waffen waren gesenkt und man sah uns zu.
Eine Frau die einen Mann bekämpfte gab es nicht oft. Vor allem nicht, wenn es beiden so ernst war, wie uns. Ich war fest entschlossen, ihnen zu zeigen dass es sehr wohl möglich war. Dass eine Frau obsiegte.
Mein nächster Schlag war kräftiger, nun, wo er in der unterlegenen Position war, konnte ich mir mehr erlauben.
Ich traf seine Schulter und er verzog das Gesicht schmerzhaft, während er zurück taumelte, um danach gleich wieder einen Angriff zu starten.
Niemals hätte er einen Laut von sich gegeben, das sah ich in seinen verbissenen Zügen. Bitter und hasserfüllt. So weit konnte Freundschaft gehen. Er musste Finn gemocht haben. Sehr sogar.
Wenn die Männer sahen, dass eine Frau mit denselben Waffen kämpfte wie der ihr gegenüber, und dazu noch gut war, staunten sie.
Aber ich wollte ihnen zeigen dass ich mehr konnte, als sie bloss zum Stauben zu bringen. Ich war nicht schwach, ich konnte genauso gewinnen wie sie alle.
Weil ich es wollte und mich darum bemühte.
Das konnte auch die anderen Frauen wach rütteln, dass sie genau dieselben Möglichkeiten hatten, wie die Männer.
Die Frauen hier wurden meiner Meinung nur klein gehalten, weil die Männer Angst davor hatten, übertroffen zu werden. Aber natürlich würde das kein Mann jemals zugeben.
Trotzdem gewann ich.
Wenn er meinen hieben ausweichen wollte, die ihm keine Zeit gaben, sich zu sammeln, musste er zurück weichen und konnte in dieser Zeit nicht angreifen.
Bei einem Frontalangriff hätte ich verloren, aber so spielte er mir in die Hände.
Ich versetzte meine Ausatmen mit Kraftvollen Rufen, es verlieh mir mehr Kraft für die Arme.
Es schien mir nach einer Weile wie ein Spiel.
Ich schlug, er wich aus.
Dann drehte er sich um Spielraum zu bekommen und ich versperrte ihm diese Möglichkeit.
Katz und Maus. Nur war ich das erste Mal in meinem Leben das Raubtier.
Und scheisse, fühlte sich das gut an.
Ich war froh diese Erfahrung gemacht zu haben, denn sowas wollte ich noch öfters spüren.
Alles nachholen was ich verpasst hatte. Irgendwann würde sich diese Gelegenheit ergeben.
Verbissen kämpften wir weiter, er hatte keine Chance mehr ausser auszuweichen, zu sehr war er in dieses Muster verfallen.
Trotzdem würde er niemals aufhören, nicht freiwillig.
Und ich erst recht nicht, ich würde alles tun um zu zeigen dass ich dem 20. Platz würdig war.
Und jetzt auch dem neunzehnten.
Und das sah Alec wohl auch.
Es war gut dass er mich machen liess, es musste ihn wohl einige Kraft kosten, aber ich hatte mich bewiesen, auch wenn es nur ein kleiner Schritt war.
Kleinen Schritten folgten bekanntlich grössere.
"Es reicht, hör auf Amara."
Alec klang neutral, niemand konnte die Zufriedenheit in seiner Stimme heraus hören.
Selbst ich konnte sie nur erahnen.
Meinen Stolz konnte ich nicht verbergen als ich die fast tauben Arme sinken liess und mir dann eine Strähne zurück pustete. Meine Finger surrten und waren ganz rot, ich bewegte sie, damit sie nicht erstarrten.
Ich spürte förmlich, wie mein Selbstbewusstsein höher anstieg.
Und ich sah ganz genau wie die Wut in Akon stieg.
Vor ihm musste ich mich in acht nehmen, ab jetzt würden es keine fairen Mittel mehr sein, das konnte ich mir denken. Er war von einer Frau gedemütigt worden und er wollte sich dafür sicherlich revanchieren
Trotzdem, ich war viel zu gut gelaunt um mir jetzt Sorgen darüber zu machen.
Ich drehte mich um und lief langsam zu meiner Wasserflasche, trank einige Schlücke und genoss das kühle Wasser dass wie eine Oase in einer Wüste wirkte.
Ich hätte schnurren können wie eine Katze, als ich die Kommentare der Anderen hörte.
Sie hatten sich etwas zerstreut, einige hatten sich auch an Akon gewandt.
Ich konnte bei vielen Zweifel erkennen, einige begannen mich jedoch langsam ernsthaft wahrzunehmen und nochmals eine zweite Mehrheit tat das alles einfach mit einem vergesslichen Schulterzucken ab.
Vielleicht vergassen sie es, aber in meinem Gedächtnis würde es verewigt sein wie ein Meilenstein.
"Sie hat dich eiskalt besiegt."
Grinste Alan und klopfte Akon auf die Schulter, dessen Kopf gesenkt war wie der eines Stieres, bevor er angriff.
Die Dunkelheit hatte sich in seinen Augen breit gemacht, diese Niederlage würde nicht leicht zu verkraften sein.
"Halt doch die Fresse."
Knurrte er nur und wischte sich mit einem Handtuch die schwitzigen Haare ab, bevor er die Hand von Alan weg stiess.
„Lass mich in Ruhe!"
Alan schüttelte nur grinsend den Kopf und zwinkerte mir zu.
Ich fand ihn okay, aber ich wusste dass er es mochte, zu prahlen und Interesse an ihm hegte ich schon gar keins.
"Gibs einfach zu, sie war besser als du."
Ein anderer lehnte an der Wand, für sie schien es wirklich gefundenes Fressen zu sein; noch etwas darauf rum zu hacken.
Leid tat mir Akon auf jeden Fall nicht.
"Ja war sie, auch kein Wunder..."
Ich hätte in diesem Moment wissen sollen, dass es nicht gut ausgehen würde.
Dann hätte ich das nicht gesagt was ich nun aussprach, und vielleicht wäre dann alles anders geworden. Im Nachhinein kann ich nicht sagen was ich lieber gehabt hätte.
Aber so konnte ich mir den Kommentar nicht verkneifen.
"Stimmt. Ich war einfach besser."
Ich wusste man sollte nach einem Sieg nicht übermütig sein und das war ich eigentlich auch nicht.
Nur dieses Eine Wort, ich konnte ja nicht wissen wie stark Menschen mit verletztem Stolz reagieren konnten.
Seine Mundwinkel verzogen sich für eine Sekunde, dann kam er etwas auf mich zu.
Sofort hatte er natürlich alle Blicke, vielleicht wollte er ja eine Revanche.
"Ja klar bist du besser geworden. Du hast da ja auch dein kleines Geheimnis, wie wäre es wenn du uns das erzählst kleine Mama."
Zischte er und ich sah die Schadenfreude darin. Er wusste definitiv etwas, was nicht gut für mich war.
Mir fuhr es kalt über den Rücken, aber da ich nicht wusste was er meinte konnte ich auch nichts sagen.
"Was meinst du damit Akon?"
Hakte Alan nach, in seinem Blick lag Interesse, aber keine bösen Absichten. Er war nur aufgeblasen und ein astreiner Kämpfer.
Nun grinste Akon triumphierend und hob die Arme, als müsste er der ganzen Welt verkünden was er zu sagen hatte.
Seine Stimme klang laut im Raum, auch wenn ich mir wünschte die Sätze nie gehört zu haben.
"Na ganz einfach! Natürlich wirst du besser, wenn dich unser Lehrer auch nach den Stunden noch trainiert! Nachdem ihr im Nebenraum gevögelt habt natürlich."
Spöttisch betrachtete er mich.
Ich stand völlig steif da und starrte ihn nur an. Wie konnte er es wagen. Und wie hatte er das heraus finden können?
Am liebsten wäre ich ihm an die Kehle gesprungen dafür dass er mir alles versauen würde, aber ich blieb ruhig, mein Gesichtsausdruck herablassend.
Alec blieb lässig, als würde ihn das ganze amüsieren.
Ich sah dass es zur Verharmlosung der Worte war, aber ich entdeckte auch die Aufmerksamkeit in seinen Augen. Er war gewarnt und würde aufpassen.
Für mich jedoch hing mehr von all dem hier ab als unsere geheime Affäre. Er würde nicht mehr als ein Klein wenig seines Ansehens verlieren, ich konnte jedoch alles verlieren.
Ich war nicht imstande mich zu regen, aber solange ich dazu nicht aufgefordert wurde musste das Niemandem auffallen.
Die Meisten waren zwar still aber schienen da nicht wirklich beeindruckt.
"Ich meine, wer kann es ihm vergelten."
Akon fort und drehte sich mit dem Rücken zu mir, zu seinen Kumpels um. Diese schwiegen und blickten ab und zu unbehaglich zu Alec, der ganz ruhig dastand.
"Schön und aufmüpfig, wer mag so eine denn schon nicht zähmen. Sie mal so richtig zureiten!"
Angeekelt starrte ich ihn an, doch auch die Gesichter der Anderen brannten sich in mein Gedächtnis.
Einige grinsten bei dem Kommentar breit und schienen ihm tatsächlich zuzustimmen.
Die Meisten aber waren nicht so ganz überzeugt und fühlten sich offensichtlich unwohl, weil Alec eine Autoritätsperson war. Und auch anwesend.
Sich mit ihm anzulegen war nicht die Beste Idee.
"Okay es reicht Alter."
Etwas unruhig berührte ihn Alan an der Schulter und sah von mir zu Alec.
Egal ob er ihm glaubte oder nicht, er erkannte sofort dass das nicht seine Angelegenheit war und er sich besser raus hielt. Gut so.
Aber Akon schlug seine Hand weg und kam blitzschnell auf mich zu.
Waren meine Reflexe vorhin noch so gut, war ich jetzt nicht mehr als ein gelähmter Mensch, dessen Angst sich mit Sorge um seine Zukunft vermischte.
"Klar zeigt er uns das nicht...aber wenn sie nichts miteinander haben, hat er bestimmt nichts dagegen wenn ich das hier mache."
Er packte mich und stiess mich mit einer unglaublichen Wuchtzurück, ich war darauf nicht gefasst und stolperte an die Wand, die mir aber keinerlei Rückhalt gab.
Nur mein Herz pochte in meiner Brust, als er sich so nahe an mich drängte dass ich seinen Oberkörper spüren konnte.
Aber es ekelte mich nur an, und ich bekam es mit der Angst zu tun. Eine Angst die nur wir Frauen kannten, die uns lähmte und uns unheimliche Bilder in den Kopf zauberte.
Als Frau hatte ich gelernt, wem ich aus dem Weg gehen musste, aber bei Akon war das anders als bei allem, was ich zuvor erlebt hatte.
Er war so aufdringlich, dass sämtliche Alarmglocken schrillten und das rote Licht in meinem Kopf aufleuchtete.
Der Stumme Alarm hatte recht.
Ich verlor Alec aus dem Blick und einer der Jungs wollte noch etwas sagen. Von wegen Akon sollte es jetzt doch gut sein lassen, doch er zog mein Shirt mit seinen ekligen Fingern nach unten.
In dem Moment zog sich in mir alles Zusammen, ich wollte nicht, dass er mich anfasste aber ich war viel zu geschockt als das ich mich hätte bewegen können.
Und dafür hasste ich mich selbst und schämte mich zutiefst.
"Oder das hier, vielleicht gefällt es ihm wenn ich seine kleine Puppe hier vor allen taub vögle?"
Zischte er und das boshafte in seinen Augen verwandelte sich in einen wahren Orkan von Dunkelheit, während ich versuchte meine Hände frei zu machen um mich irgendwie vor ihm zu schützen.
Ich konnte kaum die Tränen zurück halten. Ich wollte dass er mich nicht anfasste. Dass er mich losliess. Er sollte aufhören!
„Okay Akon, jetzt lass die Scheisse und lass die arme Frau in Frieden."
Alan setzte sich langsam in Bewegung, um mir zu Hilfe zu kommen.
Doch Akon hörte nicht auf ihn. Er schien gar nichts mehr zu hören und hatte nur Augen für mich.
Er fuhr mit den Fingern weiterhin langsam unter mein Shirt, während mein ganzer Körper zu Zittern begann.
Weiter kam er nicht, bevor er meine Haut streifen  oder mein Shirt irgendwie zerreissen konnte, wurde er von mir weg gerissen.
Er taumelte durch den Schlag, den er gleich darauf in die Magengrube bekam, und vor ihm konnte ich Alec sehen.
Sein Gesicht war dunkel geworden, so kalt und gefühllos dass ich ihn kaum wieder erkannte. Er hatte sich direkt vor mich hingestellt. Er war mein Racheengel.
Und er würde nicht zulassen dass Akon mich nochmals anfasste.

Auch ein ernstes Thema. Es passiert natürlich auch Männern, doch mehrheitlich eben die Frauen. Wenn euch jemand gegen euren Willen anfasst, sei es auch bloss an der Schulter, dann schämt euch nicht, euch zu wehren! Es ist euer Körper und es darf nicht sein, dass ihr euch wegen einem Mann schlussendlich vor euch selbst ekeln müsst. Und auch wenn ihr Angst vor Jemandem habt, dann getraut euch und holt euch Hilfe. Alles ist besser als zu schweigen!
Angora77

Poisoned Kiss *beendet* Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt