Kapitel 18 { Stolz und Männer}

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Schweissgebadet fuhr ich hoch und spürte wie ich am ganzen Leib zitterte.
Das konnte nicht wahr sein, an so etwas schreckliches hätte ich mich doch erinnert. Das hatte ich nicht erlebt, das war nur ein schrecklicher Albtraum gewesen. Mehr nicht. Das konnte ich unmöglich wirklich erlebt haben!
Da musste irgend ein Trick vorliegen, irgend eine Gedankenmanipulation.
Aber ich konnte es nicht leugnen, egal wie viele Male ich versuchte um mein Bett herum zu laufen und meinen Atem zu beruhigen, ohne Kelly aufzuwecken.
Ich hatte es gesehen, und seit diesem Moment hatte ich gewusst, dass es real war, es war mir wieder im Gedächtnis erschienen, mit allen Gefühlen und Handlungen.
Als wäre es schon immer da gewesen und ich jetzt einfach erst darüber gestolpert war. Die ganze Zeit war es irgendwo in meinen Erinnerungen gewesen.
Ich versuchte, meinen bebenden Atem unter Kontrolle zu bringen, doch es klappte nicht.
Kelly wachte trotzdem nicht auf, sie schlief fester als ein Murmeltier im Winter.
Aber dafür hatte ich Angst dass dieser Traum. Ich wollte nicht mehr einschlafen. Ich hatte Angst, dass dieser Traum mich erneut so grausam verfolgen würde, wenn ich die Augen wieder schloss.
Ich hatte Angst wieder zu schlafen und es machte mich verrückt, genau wie der Doktor es prophezeit hatte.
Aber ich fühlte mich nicht imstande dazu mit jemandem zu reden. Es würden mich alle für verrückt halten.
Ich war nicht dafür gemacht mein Leid zu teilen und erst recht wusste ich nicht mit wem.
Es gab einfach Niemanden, nicht einmal Alec.
Ich drückte meine Hände an den Kopf in der Hoffnung dass meine Gedanken sich dann ordnen würden, doch das taten sie nicht.
Und ich musste einen klaren Kopf haben.
Ich musste körperlich und geistig fit sein wenn ich den Wettbewerb gewinnen wollte, denn nur so konnte ich hier raus.
Es hing für mich alles daran, dass ich unter den Zwanzig Gewinnern war.
Und wenn ich mich nicht einmal mehr getraute mich schlafen zu legen, würde ich auch nicht meine gut trainierten Rivalen besiegen können.
Mein Blick wanderte zu meinem Kopfkissen.
Es war eine absurde und völlig falsche Idee, aber vielleicht würden die Tabletten tatsächlich helfen.
Wenn ich sie nahm gingen diese Erinnerungen vielleicht wirklich weg.
Denn ich wollte sie nicht, mein Leben brauchte nicht noch mehr Stoff der mir zeigte wie scheisse es mir ging.
Mehr als nichts nützen konnte es nicht und dann hatte ich es wenigstens versucht.
Denn diese Träume wollte ich nicht nochmals, sie würden mich in den Wahnsinn treiben so wie jetzt.
"Okay, beruhig dich Amara, nimm die Tablette."
Ich musste es mir selbst befehlen bevor ich meinen Körper wieder völlig unter Kontrolle hatte.
Mit klammen Fingern fischte ich eine der runden Dinger hervor und spülte sie hinunter.
Dann schloss ich die Augen und atmete tief ein.
Dann langsam aus.
Besser, Kontrolle war alles, was mir an Macht über irgendetwas noch blieb.
Und wenn ich sogar die Kontrolle über mich selbst verlor, hatte ich gar nichts mehr.
Und das durfte nicht passieren. Jetzt konnte ich nur hoffen, dass diese Tabletten auch das bewirkten, wofür sie gedacht waren. Dass sie nicht wieder irgend ein krankes Spiel von Michael waren.
Den Rest der Nacht lag ich wach im Bett und jedes Mal wenn ich drohte einzuschlafen hielt ich mich wach.
Nur zur Sicherheit.
Das hatte zur Folge dass ich am nächsten Morgen ganz und gar nicht wach war, als ich nach dem Frühstück in Richtung Lift trottete, um in meinem Zimmer zu trainieren, so gut es ohne Kraftraum eben ging. Bodenübungen und so.
Da entdeckte ich eine Traube an Männern, die sich vor die eine Wand drückten, in die so eine Art Plakat eingelassen war, dass sich jeden Tag erneuerte. Keine Ahnung was es war, ich wusste nur, dass es das Einzige war, was hier unten für Abwechslung sorgte.
Ich hatte das Gefühl, dass sich hier jeder Tag wiederholte. Und gleich war wie jeder Tag vor ihm.
Für alle war es so, ausser für Diejenigen, die an die Oberfläche durften.
Sofort lief ich darauf zu, doch ich konnte mich einfach nicht durch drängeln, jedes Mal verwies mich ein Mann respektvoll aber entschlossen zurück, weg von dem Plakat.
Natürlich spornte mich das nur noch mehr an heraus zu finden was da stand.
Es ging eine Weile, während ich von allen Seiten versuchte mich durch zu quetschen, doch die Männer juckte das nicht im geringsten. Ich konnte keinen von ihnen auch nur einen halben Meter zur Seite schieben. Meine Wut wuchs und das war eigentlich ganz gut, denn so würde ich mich hoffentlich mehr anstrengen.
"Brauchst du irgendwie Hilfe, kleine Kriegerin?"
Eine amüsierte Stimme hinter mir ertönte und ich verdrehte die Augen. Das hatte mir jetzt auch noch gefehlt. Aber ein klein wenig freute ich mich schon.
"Niemals Alec."
Sagte ich und musste dabei grinsen, meinen Stolz hatte er ja schon kennen gelernt.
"Dachte ich' s mir doch."
Er schob sich an mir vorbei und stellte sich an die Lücke der Männer wo ich gerade durchschlüpfen wollte.
Empört schnaubte ich.
"Was soll das, du Esel!"
Ich muss zugeben ich machte ihn nicht gerne so blöd an und den Männern gefiel es anscheinend auch nicht wenn eine Frau ihr Maul aufriss.
Aber Alec winkte nur locker ab und sie wandten sich wieder dem Plakat zu.
"Wie war das? Du brauchtest doch keine Hilfe Amara oder?"
Eine Mischung aus Belustigung und Sanftheit lag in seinem Blick, was mein Herz irgendwie schneller schlagen liess.
Aus Genervtheit natürlich.
"Man Alec...du weisst doch wie ich es meinte."
Murrte ich leise, wieder hasste ich es dass hier unten einfach Jeder am längeren Hebel sass als ich.
"Sag mir wo ich dir helfen kann und ich tu es Amara. Du musst mir nichts beweisen."
Ernst sah er mich an und ich hatte nicht bemerkt wie nahe er mir plötzlich war.
Normalerweise wäre jetzt der zickige Protestant in mir hervor gekommen, doch seine Ausstrahlung hatte etwas an sich was mir jegliche Konzentrationsfähigkeit raubte. Etwas so sanftes und verständnisvolles.
Also nickte ich langsam.
"Okay."
Flüsterte ich leise.
"Also?"
Ich biss mir auf die Lippen, ich war nicht so der Mensch der auf Hilfe stand, ich wollte es selbst schaffen.
Und mein Stolz war dabei keine Hilfe.
"Könntest du mir sagen, was auf dem Zettel steht?"
Nuschelte ich und er grinste triumphierend.
"Klar Kriegerin, darauf steht wann die Prüfung statt findet."
Ich knurrte, er hatte es doch gewusst also hätte er mich nicht so aufziehen müssen.
Aber innerlich hämmerte mein Herz bereits schmerzhaft an meine Brust.
"Und wann?"
Irgendwie hatte ich Angst den Termin zu hören, weil ich das Gefühl hatte dass mir die Luft zum Atmen dann ausging, mit jeder Sekunde die bis dahin verging.
Alec wurde ernst und machte einen gequälten Gesichtsausdruck.
"'Morgen."
Ich kniff die Augen ungläubig zusammen.
"Du verarscht mich doch."
Er musste lügen, ich hatte mich noch nicht mal vorbereiten können, das waren noch nicht mal Zwei Wochen, seit ich und die anderen Männer hier angekommen waren. Das reichte doch für niemandem, sich gut auf die Prüfung vorzubereiten!
Nicht mal für die Männer, was wohl der Grund für ihr Geschwatze war. Soweit ich mich erinnern konnte waren sie nämlich in der Öffentlichkeit eher ruhig.
"Nein...Michael war der Meinung dass diesen Monat kein Training von nöten sei. Er sagt es zähle nur, wie stark die Männer von Natur aus waren. Deshalb gibt es kein Training mehr davor."
Ich mahlte mit dem Kiefer.
Dieser Mistkerl.
"Das hat er dich Absichtlich gemacht Alec! Damit ich keine Chance habe!"
Protestierte ich und er zog mich schnell weg vom Männer Haufen, der mir immer häufigere missbilligende Blicke zu warf.
"Ich weiss Amara, aber wenn Michael etwas nicht will, passiert es auch nicht. Du könntest dich höchstens Verletzen, lass es lieber. Er wird nicht zulassen, dass du gewinnst."
Er nickte und versuchte mich wohl zu überzeugen, aber ich schnaubte nur abwertend.
"Ich bin kein Feigling! Ich gönne Michael diesen Sieg nicht. Ich mache mit!"
Und etwas leiser meinte ich dann: „Schliesslich kann ich doch auch mit Köpfchen und Geschicklichkeit gewinnen, oder?
Er sah mich an und massierte dann die Schläfen.
Schulterzuckend sah er mich an.
„Ich schätze deinen Kampfgeist Amara. Wirklich, das beeindruckt mich."
Er legte mir eine Hand auf den Arm.
"Aber gesagt nicht nein. Du kannst nicht gewinnen."
Ich nickte und in meinem Kopf spann sich ein Plan.
Mir wurde ein Spiel vorgesetzt in dem ich von Anfang an die schlechteren Karten hatte. Mir wurden Steine, fast schon Felsen in den Weg gelegt, also musste ich eben einen Weg finden, wie ich es trotzdem schaffte. Wie ich diese Felsen überwand.
Und Michael war nicht der Einzige, der sich zu helfen wusste.
Ich hatte auf der Strasse gelebt, ich war nicht dumm und auch wenn ich nicht stolz darauf war, wusste ich durchaus wie ich mit Menschen umgehen musste. Sie manipulierte.
Das widersprach zwar meinem Prinzip des freien Willens, aber ich war bereit weiter zu gehen als früher, damit ich hier weg kam.
"Gut. Dann finde ich eben einen anderen Weg zu gewinnen. Danke."
Alecs Brauen hoben sich langsam und er hob mahnend die muskulösen Arme, die grauen Augen strahlten Besorgnis aus. Süss. Eh, ich meine unnötig.
"Oh oh nein, denk am besten gar nicht an sowas Amara, sowas geht immer schief."
Ich musste leicht lächeln.
"Vielleicht. Aber so habe ich immernoch bessere Chancen, als wenn ich nichts tun würde."
Entschlossen drehte ich mich um und stapfte Richtung Gemeinschaftsraum.
Etwas was ich eigentlich noch nie freiwillig getan hatte.
Und wenn ich doch hin geschleppt worden war war ich nur den ganzen Abend da gesessen und hatte mir was über die Leute erzählen lassen.
Gort sei dank hatte ich das getan.
Hinter mir hörte ich Schritte und dann joggte Alec locker neben mir her.
"Ich hab dich noch nie so eilig auf den Raum
Zugehen sehen.
Willst du vor mir flüchten?"
Schief grinsend lockerte er es etwas aus, aber so süss ich seine vollen Lippen auch fand, ich war zu konzentriert als darauf einzugehen.
"Ich flüchte nicht vor dir.
Ich gehe jetzt Männer anbaggern."
Er hob eine Braue und irgendwie hatte ich das entzückende Gefühl, dass ihm das nicht gefiel.
Aber auch wenn es etwas verwirrend klingen mochte, fragte er nicht nach und nickte. Er verstand schon, was ich meinte.
Seine Schultern strafften sich und von einem Moment auf den anderen sag er nicht mehr wie der verspielte Junge aus, sondern wie ein Kerl mit sehr viel Dominanz.
Irgendwie heiss.
Ich schüttelte den Kopf.
Ich brauchte Konzentration.
An Eingang blieb ich stehen und liess meinen Blick über die vielen Anwesenden Schweifen.
Ich atmete langsam. Ich hatte das früher schon getan.
Ich wusste Dinge über Menschen, wenn ich sie nur ansah, und das verschaffte mir Sicherheit und einen Vorteil.
Nur bei Alec und Michael nicht.
Merkwürdigerweise.
Ich erinnerte mich an die Gesichter und an alles was ich jemals darüber gehört hatte.
Ich erstellte eine Art Akte in meinem Kopf, beinahe kein Gesicht welches ich je gesehen hatte ging vergessen.
Ich scannte die Menge und liess jedes Gesicht wieder fallen, weil die Punkte nicht dazu passten was ich suchte.
Dann legte ich den Kopf schief und entdeckte eine Gruppe von zehn Mann, die gerade Billard spielten und laut lachten.
Mein Blick fiel auf ihren Anführer, es gab kleine Gruppen die unter sich Hierarchien ausführten, sowas gab es an jeder Schule auch.
Und der hier war perfekt.
Ich musterte ihn.
Viel hatte ich nicht gehört, aber was das reichte mir.
Er hiess Finn Mitchell, womanizer und tat alles für eine neue Trophäe, was ihm hier unten wohl nicht so einfach gemacht wurde, weshalb er ziemlich mies drauf war und alles für eine Frau tat.
Zusätzlich hatte er nicht gerne Konkurrenz, vor allem nicht einen gewissen Caleb Salster, der seinerseits Boss einer grossen Gruppe war und schon einmal durch den Test gerasselt war,  weshalb ihn solche Neuankömmlinge wie den selbstzufriedenen Finn unglaublich reizten.
Es war die perfekte Begebenheit, dass diese Männer gerade im selben Raum standen.
Der Rest der Männer waren sowiewo nur Mitläufer und somit uninteressant.
"Amara, es wirkt zwar heiss wenn du so entschlossen und mutig drein schaust, aber ich warne dich. Diese Männer sind stärker als du."
Ich drehte mich zu ihm um, meine Augen funkelten.
„Vielleicht körperlich. Aber sonst nicht."
„Ich bleibe hier, wenn etwas ist greife ich ein."
Ich schüttelte genervt den Kopf.
„Nein tust du nicht!"
Er beugte sich zu mir hinunter.
„Es ist mir scheiss egal, was du sagst Amara. Wenn du in Schwierigkeiten kommst, hole ich dich raus, kapiert?"
Ich seufzte. Schaden würde es ja nicht, einen Aufpasser bei mir zu haben.
„Na gut."
Ich richtete meine Haare und Alec verzog das Gesicht.
Es ging mir ja selbst gegen den Strich, mich wie ein Stück Fleisch begaffen zu lassen und mich so billig zu verhalten, dass ich selbst kotzen könnte.
Es verletzte meinen Stolz und jegliche Ehre die ich besass. Doch das musste jetzt sein, wenn ich meine Konkurrenz loswerden wollte. Und sie zwei waren die stärksten von allen.
Ich blickte zu Alec.
"Reiss mein Shirt auf."

Wieso fragt sie ihn wohl sowas xD rätselt und ich bin mir sicher dass viele von euch nicht viel von Manipulation halten..oder doch?
Love ya
Angora77

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