Kapitel 21 { Die Sirene}

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Der Raum war nur eine Umkleide.
Schnell huschte ich entlang der zwei langen Bänken die sich an der grauen reinen Wand erstreckten nach ganz hinten.
Es waren erst einige der Männer hier, und desto weniger mich sahen, desto weniger redeten über mich, die Frau, die als allererstes weibliches Wesen an dieser Prüfung teilnahm.
Es waren wohl an die siebzig Rüstungen die da an den Kleiderhaken hingen, alle gleich ausgerüstet.
Ich schnappte mir denjenigen ganz hinten, er sah etwas kleiner aus, doch bei genauerem Hinsehen war er das nicht. Michael hatte sich also nicht die Mühe gemacht es mir angenehm zu machen. Fein, ich würde auch damit umgehen können.
Ich band mir die Haare hoch und legte meine Sachen auf die Bank, die voller Kerben war, die irgendetwas mal hinein geschlagen haben musste.
Ich versuchte, nicht zu denken, denn sonst würde ich mir alle möglichen Szenarien ausdenken, die mich verrückt machen würden.
Zuerst zog ich die festen Schuhe an, die sich an meinen Füssen anfühlten wie Bleiklötze.
Es war alles in schwarz gehalten und mit einem Drachen der sich um ein Schwert wand gekennzeichnet. Jedes einzelne Kleidungsstück.
Ich schluckte, ich wusste dass mein Vater und die Leute die mich hatten töten wollen das gleiche trugen...das hiess mein Vater musste hier gewesen sein. Oder spielte mir nur wieder meine Erinnerung einen Streich? Das war gut möglich, vielleicht hatte ich das Symbol hier gesehen und es einfach in meine Albträume mit eingebaut.
Ich schon die Gedanken beiseite bevor ich noch auf der Stelle einen Zusammenbruch erlitt. Noch bevor die Prüfung überhaupt angefangen hatte.
Ich zog die Beinpanzer an und dann den Brustpanzer, der etwa so aussah wie die Schutzwesten in den Filmen, die immer die Kugeln abhielten. Nur an den Seiten, wo sie zusammen gebunden war war ich vollkommen ungeschützt.
Das gute an der klobigen Uniform war, dass sie meine Kurven total verdeckte.
Und wenn ich nun die zu einem Knoten gebundenen Haare unter dem riesigen Helm versteckte, konnte ich leicht als zu klein geratener Schwächling von Mann durchgehen, um den sie sowieso niemand scherte.
Leise ausatmend setzte ich mich auf die Bank, während sich der Raum immer mehr mit Männern füllte. Das schlechte an der Uniform war, dass sie mich langsam machen würde. Sie war echt schwer und ich schwitzte darin jetzt schon.
Ich starrte auf den Boden und versuchte das Treiben um mich herum auszublenden, versuchte die Schritte die in meinen Ohren klangen zu ignorieren und die lauten Gespräche die an den Wänden widerhallten und lauter wurden.
Durch gespitzte Lippen stiess ich die Luft aus und nickte langsam, ich würde das schaffen und durfte jetzt nicht aufgeben, bevor es überhaupt begonnen hatte.
Ich musterte die Waffen an meinem
Gürtel. Sie schienen mir so schwer dass ich damit nicht einmal zwei Schritte machen konnten, aber vielleicht machte ich sie auch grösser als sie waren.
Eine geladene Pistole, Patronen zum nachladen.
Zwei Messer.
Das wars.
Nicht das, was ich mir unter der gefährlichsten aller Organisationen, wie sie gerühmt wurde, vorgestellt hatte.
Aber wahrscheinlich wollten sie einfach sehen wie wir damit umgingen wenn wir kein Maschinengewehr hatten, dass für uns den ganzen Job erledigte.
Ich schauderte.
Würde ich hier gezwungen sein auch zu töten? Oder würde ich sterben?
Ich hatte Ziele, die ich benutzte um meine Grenzen zu überschreiten, sowie gestern.
Aber ich wusste nicht ob ich dazu imstande war, einen Menschen zu töten.
Ihm in die Augen zu sehen und ihn auszulöschen.
Es hatte mir auch nie Jemand gesagt, was mit den Verlierern der Prüfung passierte. Ob die einfach wieder nach oben gelassen wurden? Ich bezweifelte es, denn dann wäre die Organisation nicht mehr so geheim. Also wurden die Verlierer womöglich...ausgelöscht?
Ich schüttelte den Kopf und presste die Lippen zusammen. Nein, für mich gab es die Option, zu verlieren nicht.
Ich musste so weit gehen wie es nötig war, ich wollte nicht nachdenken ob ich in der Lage war Jemanden so stark zu verletzen, selbst wenn nicht, jetzt war nicht der Zeitpunkt darüber nachzudenken.
Das konnte ich gründlich auswalzen wenn es vorbei war.
Dann erhoben sich die Teilnehmer und strafften ihre Schultern, setzten ihre Helme auf.
Ich sah hoch und stand ebenfalls abrupt auf, die Türe am anderen Ende des Raumes hatte sich geöffnet und kurz herrschte Unsicherheit wer durch sollte, bevor Caleb und seine Jungs sich als erste durchdrängten.
Zufrieden sah ich, dass er tatsächlich mehr Teilnehmer um sich gescharrt hatte, als es noch gestern Abend waren.
Danach folgten die Anderen und ich trat so ziemlich gegen Schluss heraus.
Das erste was ich fühlte, war Erde unter meinen Schuhen.
Dann erstarrte ich und konnte nicht fassen, was sich mir für ein Anblick bot.
Dieser „Raum" war so riesig, dass er locker an eine längliche Arena heran kam.
Die Wände waren behangen mit löchrigen grünen Netzen und Blättern, während oben an der Decke grosse Fenster eingelassen waren. Helles Licht strahlte in die Arena.
Die Zuschauer sassen kur unter dem Dach auf langen Bänken, sie reihten sich und ich konnte durch das zurück geworfene Licht in den Scheiben, die sie von uns hier unten trennten, erkennen, wie sie aufgeregt tuschelten, etwas assen oder auf einem Gerät rum tippten.
Ich schauderte, so viele Leute, die kamen um uns zuzusehen.
Aber was noch viel schlimmer war als die Schaulustigen, war die Arena.
Sie war höchstens zwanzig Meter breit aber erstreckte sich ziemlich weit nach vorne, so dass keiner auch nur schätzen konnte wie weit er rennen musste.
Der Untergrund bestand aus Blättern und Gras, an manchen Stellen auch nur aus Erde.
Es gab Bäume die bis fast an die Decke hinauf reichten, ihre Nadeln wirkten spitz und gefährlich, auch wenn es normale Bäume waren, die zu einem Geflecht von Stämmen führte, durch welches man direkt in den Wald hinein sehen konnte, der anscheinend das Gelände war, indem wir geprüft wurden.
Das hatte ich niemals erwartet und mich nicht im geringsten darauf vorbereitet.
Die Gipfel der Bäume ragten bedrohlich vor uns auf und das dunkle Grün hatte etwas dunkles, unheilvolles.
Das schlimmste an allem war dass es beinahe keine Geräusche gab.
Der Wald rauschte nicht im Wind, er stand nur ruhig und unbeweglich da. Kein Wunder, wir waren ja auch unter der Erde.
Die Blätter am Boden bewegten sich nicht und knirschten nur dann wenn man darauf stand.
Es war unnatürlich und brachte mich aus irgend einem Grund aus dem Gleichgewicht.
Diese Ruhe war unangenehm, vor allem weil die Teilnehmer als Einziges ihren Atem und das Rasen ihres Herzens hörten.
Es roch aber nach Wald.
Es roch nach Erde und dem Duft von Vögeln die in den Kronen nisteten.
Es roch auch nach den Kräutern die immer an den Wurzeln der grossen Bäume wuchsen.
Nach Gras am Morgen, wenn es mit dem
Wunderschönen Tau besetzt war.
Zu viele Gerüche auf einmal sodass es nicht möglich war sich auf einen davon zu konzentrieren.
Ich spürte die Kälte hier drinnen, ich fröstelte und schlug die Arme kurz um mich.
Meine Haut fühlte sich klamm an und meine Finger steif.
Am liebsten hätte ich mich umgedreht und wäre weg gerannt.
Doch ich blieb neben den Teilnehmern stehen, die sich alle aufmerksam umsahen.
Ich hatte es mir eingebrockt, jetzt musste ich die Ruhe behalten und mir die Dinge merken.
Netze, Bäume, Gerüche, Geräusche.
Alles konnte wichtig sein; aber es war ehrlich gesagt auch einfach das Einzige worauf ich mich konzentrieren konnte ohne auszurasten.
"Willkommen zum diesjährigen Wettbewerb und Prüfung zu der sich siebzig Männer angemeldet haben, um dem Team beizutreten, welches wir alle hoch schätzen."
Eine Männliche Stimme, aber nicht Michaels Stimme, schallte durch den Raum. Wahrscheinlich irgend ein Moderator, wie im Fernsehen.
Von allen Seiten kam sie und nistete sich dröhnend in meinem Kopf ein.
"Es gibt einen einfachen Ablauf. Der gilt ausnahmslos für alle Teilnehmer.
Durchquert den Wald und erreicht die andere Seite. Sie ist gekennzeichnet, durch einen weissen langen Strich am Boden. Die ersten Zwanzig die diesen Strich überqueren, werden ins Team aufgenommen.
Es is alles erlaubt. Es gibt keine Regeln. Es gilt bloss: die Ersten werden die Gewinner sein."
Kurz war es ruhig und ich starrte auf den Wald vor mir.
Was im Wald geschah war also unwichtig. Man würde versuchen sich gegenseitig davon abzuhalten durch zu kommen und diesen Strich zu erreichen.
Also würde es Kämpfe geben. Und Blutvergiessen.
Verdammt.
Es gibt keine Regeln.
Ich schwebte in Lebensgefahr, genau wie die Anderen hier und das spornte uns an, denn keiner wollte sterben.
Niemals.
Ich atmete langsam aus, mein Kopf füllte sich mit Leere und mein Körper mit Adrenalin.
"Die Teilnehmer stellen sich bitte in einer Linie auf."
Mit langsamen Schritten nahm ich meinen Platz ganz am Rande der langen und dreispurigen Linie ein, und sah kurz durch die Zuschauer.
Ich sah Alec nicht, nur Kelly die neben Ash sass und ganz und gar nicht gut aussah. Nervös kaute sie auf ihren Nägeln. Sie hatte wohl genau soviel Angst wie ich.
Dann nickt ich langsam und sah gerade aus.
Jetzt war es wohl soweit. Ich kämpfte wortwörtlich für meine Freiheit. Und jetzt gab es kein Zurück mehr.
"Achtung."
Die Stimme war ruhig und verheissungsvoll.
Ich beugte mich vor und fixierte den Wald, die Bäume die so ruhig dastanden.
Ich schon jegliche Gedanken weg, jetzt musste ich anders denken, jetzt zählte alles oder nichts.
"Fertig."
Mein Körper schwitzte und ich schluckte den Kloss hinunter. Ich wollte nicht, doch alles in mir spannte sich automatisch an, bereit los zu rennen.
Um mein Leben zu rennen.
Es war totenstille und nur das Atmen der anderen war um mich herum zu hören.
Ein Moment in dem sich jeder darüber klar wurde dass jeder hier drinnen sein Feind war.
Sie waren alle meine Feinde. Neunundsechzig Leute.
Dann ertönte eine Sirene, so laut dass sie durch mein Ganzes Skelett rauschte und jegliche Alarm Anlagen in mir aktivierte.
Ich rannte los, stiess mich mit aller Kraft von der Erde ab und hatte meine Pistole fest in den Händen.
Ich sah einige vor mir, einige hinter mir rennen, doch ich durfte mich nicht umsehen.
Ich rannte so schnell meine Beine mich trugen, mein Körper pumpte jegliche Kraft in meine Schritte.
Der Boden um mich herum wackelte unter den vielen schweren Schritten, ich sah sie nur aus den Augenwinkeln, die Männer, als verschwommene schwarze Schatten, die wie Geister auf den Wald zu rasten.
So wie ich.
Einige waren aggressiver und stiessen sich an, die anderen setzten aufs Rennen ohne Kampf wie ich.
Dann, kurz bevor die Masse den Wald erreichen konnte, nahm ich wahr wie sich zwei Gruppen aus den Rennenden heraus lösten.
Mein Herz klopfte schneller als ich sah wie sich die Beiden Gruppen aufeinander zu bewegten.
Ich rannte schneller um nicht mehr dazwischen zu geraten, genauso ging es auch den Restlichen, die weiter rannten.
Doch die beiden Gruppen stürmten aufeinander zu als wären sie zwei Heere die sich zerstückeln wollten.
Sie knallten gegeneinander und hieben aufeinander ein.
Ich konnte das Klirren von Waffen hören und bald Schreie der Schmerzen von den Verlierern.
Bald fielen die ersten Schüsse und ich fuhr bei Jedem von ihnen zusammen. Sie töteten einander.
Bevor ich die Waldgrenze überschritt, blieb ich kurz stehen und sah zurück.
Es waren über vierzig Leute die sich angriffen.
Die in einen Nahkampf verwickelt waren aus dem sie nicht so schnell raus kamen ohne gleich getötet zu werden.
Die Tatsache dass sie sich tatsächlich töteten zählte für mich nicht mal mehr.
Was zählte war, dass mein Plan aufgegangen war.
Ein kurzes Lächeln zuckte über meine Lippen und zwischen den sich windenden und gegeneinander prasselnden Körpern sah ich langsam hinauf zum Zuschauer Raum.
Meine Augen trafen genau diese von Michael, als hätten sich unsere Blicke angezogen. Er betrachtete mich aufmerksam.
Ich spürte Mut der mich durchrauschte, Triumph ihn erstaunt zu haben, denn er wusste genau, wessen Schuld dieser Kampf war.
Dann drehte ich mich um und rannte wieder los, so schnell ich konnte sprang ich über Baumstämme und zwängte mich zwischen den Bäumen hindurch.
Zweige kratzten mir das Gesicht auf oder klatschten hart gegen meine Seite.
Doch das alles war nichts, das Adrenalin strömte anstatt meines Blutes durch mich hindurch und ich legte noch mehr Kraft in meine Schritte.
Alle die ich aufbringen konnte.
Ich hörte meinen Atem rasen und gehetzt die Stille durchschneiden, die Äste rasten laut durch die Luft und ich hörte auch andere Schritte, sah das Rascheln der Blätter wenn einer der Männer weiter weg von mir an mir vorbei zog.
Ich presste die Lippen zusammen und zwang mich schneller zu laufen, spornte mich innerlich an zu rennen, zu rennen als wäre es das Einzige in meinem Leben was zählte.
Dann hielt ich schlitternd an und sah vor mir einen Mann schreien der einfach ohne Grund gestürzt war, eine kleine Explosion mitsamt Rauch war zu sehen und dann war die Stelle still.
Mit rasendem Herz sah ich mich um und liess meine Augen panisch über den Boden gleiten.
Ein Mienenfeld? Oder was?
Die Männer die nicht langsamer wurden rasten alle an mir vorbei an derselben Stelle in eine rote Explosion, nach der der Rauch langsam zwischen den Zweigen hoch stieg und es nach verbranntem Fleisch roch sodass mir schlecht wurde. Ich spürte Blutspritzer auf meinem Gesicht und wischte es mir fassungslos von den Lippen.
Scheisse, die waren tot. Vor meinen Augen in die Luft geflogen. Ich zitterte. Nein, jetzt nicht schlapp machen! Ich musste weiter laufen!
"Konzentrier dich."
Flüsterte ich und hielt eine zitternde Hand an einem Baumstamm.
Sie waren alle an derselben Stelle gestürzt.
Mein Blick schweifte auf die Höhe vor mir und ich erkannte ein feines Seil in Fusshöhe.
Stolperseile. Bingo. Die mussten wohl irgendeine Explosion auslösen.
Ich setzte mich wieder in Bewegung, behielt das Seil, welches leicht durchsichtig glänzte im Blick und als ich dicht davor war sprang ich darüber.
Es passierte nichts und ich atmete erleichtert ein.
Dann prallte ein massiver Körper gegen mich.

Also wenn diese Spannung euch nicht gefällt muss ich echt noch mehr rein packen xD aber ich hoffe ihr konntet euch alles vorstellen und mitfiebern^^
Ich freue mich auf eure Vermutungen wer es sein könnte und was passiert^^
Love you all
Angora77

Poisoned Kiss *beendet* Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt