Kapitel 3 {Eine neue Welt im Schatten}

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Während er mich vor sich her führte, einen meiner Arme als Warnung gepackt und auf den Rücken drehte, bereute ich meine Aussage bereits.
Nachdem ich gesagt hatte, was nur aus einer Lüge und einem weissen Gang bestanden hatte, war sein Gesichtsausdruck ernster geworden.
"Dann kann ich dich nicht zurück lassen."
Hatte er gesagt, und mich wieder gepackt.
Ich hatte mich nicht gewehrt, denn ich wollte ja gar nicht zurück. Auf mich wartete nichts, zu dem ich zurück kommen könnte.
Nun führte er mich durch den weissen Gang, der an einer Türe endete, die man nur dank den feinen Rillen der Öffnung erkannte, denn alles hier war so sauber und weiss dass ich es beinahe übersehen hätte.
Dann stiess er sie auf, irgendetwas an dem kleinen Apparat daneben hatte mit grünen Laserstrahlen seine Hand und sein Auge gescannt, bevor sich der Druck mit dem sie verschlossen war gelöst hatte. Das war krasser High Tech Scheiss. Sowas hatte ich noch nie gesehen.
Ich schluckte als ich die bewaffneten Wachen sah, die hinter der Türe zum Vorschein kamen.
Sie standen, die ersten Zehn Meter an der Wand aufgereiht, die Waffen auf uns Gerichtet, die Gesichter verschlossen. Als sie den jungen Mann hinter mir erkannten, und nach einem kurzen Blick zu mir, nahmen sie wieder Haltung an und nahmen die Finger vom Abzug. Phu. Was für ein Empfang.
Als hätten sie das Interesse verloren starrten sie geradeaus, während wir zwischen ihnen hindurch gingen.
Langsam sah ich mich um, ein Schauer fuhr über meinen Körper als ich erkannte was das hier war.
Es war nicht nur ein Gang, jetzt wo ich hier so stand, inmitten von Wachen und in dem breiteren Gang, fiel es mir wie schuppen von den Augen.
Das hier war ein Haus, ein Haus unter der Erde mit so vielen Gängen und Stockwerken, die ich nun sehen konnte, als ich den Platz betrat, von dem aus so viele andere Gänge und Lifte hoch und auf die Seiten führte.
Es war gigantisch, die drei Stockwerke die ich über mir sah, in einer ovalen Form wand sich das Gelände mit den Treppen hoch, bis es an einer hell beleuchteten Decke endete, von der eine Art Kugel Baumelte, an welcher hunderte von Kameraähnlichem Equipment befestigt war. Das Gebilde war sicherlich zehnmal so gross wie eine Bowlingkugel.
Die Leute waren verschieden Angezogen, meistens jedoch in dunkeln Farben.
Kein einheitlicher Haarschnitt, Jeder trug sie wie er es wollte, es schien mir eine Gemeinschaft zu sein, die einfach unter der Erde lebte.
Aber nur auf den ersten Blick.
Danach konnte ich erkennen das es fast nur Männer waren, und das jeder von ihnen Bewaffnet war und ein festes Ziel im Aug hatte, auf das er mit eiligen Schritten zuging.
Als mich der Mann hinter mir vorwärts stiess weil ich vor Staunen angehalten hatte, warfen uns einige einen Blick zu, doch ansonsten berührte es sie nicht all zu sehr, dass eine schäbig gekleidete Fremde hier drin stand.
Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
All das existierte hier unten, versteckt wo niemand es finden konnte.
Wir lebten im Jahr 2030, es war verständlich dass die Forschung ein wenig weiter gekommen war, aber in all den Jahren in dem Ghetto war es mir nie aufgefallen.
Der Fortschritt der Stadt war uns stets verwehrt worden, und auch wenn es keine Züge gab die im
Himmel herum fuhren oder fliegende Sessel, so waren wohl einige technische Errungenschaften gemacht worden.
Ich versuchte das alles aufzusaugen, das was ich hier sah war all die Jahre direkt unter meinen Füssen gewesen.
Und nie hatte ich es bemerkt.
Dann sah ich wie zwei Wachen, deutlich gepanzert und somit von den anderen unterschiedlich, auf uns zu kamen. Durch die Menge an Leuten, die ihre Ziele verfolgten und in den abzweigenden Gängen, Treppen Oder Liften verschwanden.
Ich schluckte, sie sahen aus wie Elefanten die auf mich zugestürmt kamen, nur mit gleichmässigem Schritt und den Gesichtern hinter unerkennbaren Masken versteckt.
"Halt."
Sagten sie, und der Mann hinter mir stoppte sofort, während er mich etwas zurück zog und ich ebenfalls stolpernd zum Stehen kam.
Mein Blick huschte zu ihren Maschinengewehren. Wieviele Kugeln pro Sekunde die schiessen konnten, wollte ich mir gar nicht ausmalen.
"Weisen sie sich aus."
Sagte der eine Schroff, was den jungen Mann nicht all zu sehr juckte, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, als ich mich zu sich umdrehte.
„Ist das jetzt echt nötig?"
Meinte er genervt. Die Männer schwiegen. Dann seufzte er und hob lediglich die Kette mit einer Art Magnetkarte hoch, die unter seinem schwarzen Muskelshirt lag, und der Wachmann hob ein kleines Gerät hoch, dass einen Blauen Schein darauf warf und rote Punkte über die Inschrift tanzten als wären sie auf der Party ihres Lebens.
Dann piepte es einmal und der Mann nickte.
"Alec, wen haben Sie dabei? Einen Agent?"
Ich blinzelte ungläubig.
Agent? So wie Agents die in den Filmen immer für das FBI und all diese Organisationen arbeiteten? Gab es etwa noch andere, versteckte Verbindungen die Agenten beschäftigten? Und wenn ja, wofür?
Fragen über Fragen hämmerten in meinem
Kopf, während sich alle drei Männer zu mir wandten.
"Sie ist unserer Ladung von diesem Monat wohl gefolgt. Sie hat zu viel gesehen, ich konnte sie nicht wieder gehen lassen."
Die Männer nickten verstehend.
Ladung...das mussten wohl die Jugendlichen gewesen sein. Was lief hier eigentlich ab, langsam wurde mir wirklich Angst und Bange, in was ich hier hinein geraten war.
"Sie sollten sie zu ihm bringen, er kann dann entscheiden was mit ihr passiert."
Meine Angst verstärkte sich, entscheiden? Über mich entscheiden?
Ich dachte auf der Strasse war es schlimm gewesen, doch wenigstens hatte dort nie Jemand über mich bestimmt.
Der Mann hinter mir nickte, dann verabschiedeten sie sich mit einem kurzen heben der Finger, die sie von den Waffen lösten, um danach weiterzugehen und wieder in der Menge zu verschwinden.
Völlig verstört wandte ich mich an den schwarzhaarigen hinter mir.
Es hatte wahrscheinlich nicht viel Sinn eine Antwort von ihm zu erwarten aber ich kam nicht klar mit all den Fragen die mir auf der Zunge lagen.
"Wer ist er?"
Platzte es aus mir heraus.
Mein Herz arbeitete zwar auf Hochtouren an meinem Angstgefühl, doch ich konnte meine Angst gut unter meiner Anspannung und Neugierde verstecken.
"Der Anführer. Und seine Berater."
Na toll, jetzt wurde ich auch noch dem Kopf der Schlange vorgestellt, wie schön.
Mein Kopf reagierte immer auf seine eigene Art, wenn es für mich gefährlich wurde.
Die dummen Sprüche waren meistens nur um mich selbst runter zu holen.
Ich schluckte und nickte nur, vielleicht wollte ich es gar nicht genauer wissen.
Die Türe zu dem Lift der komplett aus Glas bestand und an der Aussenwand befestigt war, an einer langen senkrechten Schiene und im
Allgemeinen aussah wie eine Kapsel an der Wand, öffnete sich.
Ich wurde hinein geschoben und dieser Alec stellte sich hinter mich, drückte eine Taste im gläsernen Brett und die Türe schloss sich.
Zwischen meinen Füssen sah ich hinunter auf die Menschen, während wir mit einem Surren hoch stiegen, über die zweite, etwas ruhigere Etage bis zur Dritten, wo viel mehr Wachen herum standen.
Als wir aus dem Lift hinaus traten und ich nur froh war, diese Fahrt überlebt zu haben, wollte ich noch kurz über den Rand des Geländers hinunter sehen, doch Alec zog mich beständig mit sich, liess mir keine Zeit mich so gründlich umzusehen wie ich es wollte.
Auf der Gegenüberliegenden Seite des Ganges, der in einem Oval wie die beiden unteren aufgebaut war und von dem Ebenfalls wieder Türen und Gänge weg führten, konnte ich eine Frau erkennen, die Erste die ich überhaupt hier gesehen hatte, was mir schon komisch vorkam.
Sie war nicht sonderlich dünn und verschwand auch gleich weder in einem Zimmer. Scheu wie eine Gazelle.
Blinzelnd wandte ich mich nach vorne, wo mich der junge Mann nun hin zerrte, den ersten, breiten Gang entlang, der vor uns lag. Ein Wunder wir er sich in diesem Labyrinth zurecht fand.
Türen lagen zu beiden Seiten des Ganges.
Sie waren zum Teil mit einem Z und einer Nummer und zum Teil mit einem A und einer Nummer gekenntzeichnet, die auf einem gläsernen Schild flimmerte, dass daran angebracht war.
Bei den Z's stand immer noch ein Name darunter, bei den A' s nicht.
Völlig verwirrt hielt ich vor einem grossen A an, an dessen Türe zwei Wachen standen, die nicht wirklich willens aussahen, zur Seite zu treten.
Alec oder der Agent oder was auch immer der Mann in meinem Alter war, redete kurz mit gesenkter Stimme mit ihnen, bevor sie nickten und zur Seite traten.
Sie bedachten mich mit einem Blick, das spürte ich, doch unter den Masken konnte ich nicht erkennen wie er gestimmt war.
Dann machte mein Begleiter die Türe auf und stiess mich hinein, bevor er folgte.
Ich war mir den Wechsel von dem glatten Gang zu einem blauschwarzen Teppich im ganzen Zimmer nicht gewöhnt sodass ich kurz stolperte, bevor ich den Kopf unter den Strähnen heben konnte.
Ich stand mitten in einem Büro, einem, wie ich es noch nie gesehen hatte.
Die Gesamte Rückwand war ein Fenster, doch zeigen tat es nur Licht, das wohl Tageslicht symbolisieren sollte. Auch wenn wir dafür zu weit unter der Erde waren.
Mein Blick huschte weiter zu den Tischen, einer Links, einer Rechts und einer direkt vor mir.
Die Computer und Tablets darauf sahen so modern aus, dass ich das Gefühl hatte in die Zukunft gereist zu sein, obwohl wahrscheinlich die Entwicklung im Ghetto wohl einfach zurück geblieben war.
Danach sah ich auf die drei Männer, die vor dem Schreibtisch standen.
Sie hatten alle drei identische lange, schwarze Mängel an, schwarze Schuhe und komplett schwarze Kleidung.
Der ganz Links hatte die Kapuze hochgeklappt und sah eher etwas schmächtig aus.
Er musterte mich interessiert.
Langsam drehte ich den Kopf zu dem Mann ganz rechts, der doppelt so breit war wie sein Vorgänger.
Seine Bullenhaften Schultern verdeckten mir die Sicht auf ein komplettes Fenster.
Er hatte kurze Haare und aufmerksame blaue Augen, die mich eher herablassend betrachteten, als wäre ich nicht mehr als ein Gegenstand, den es einzuordnen galt.
Und in der Mitte stand die Mischung der Beiden.
Pechschwarze Haare und genauso rabenschwarze Augen, die von hohen Wangen Knochen hervor gehoben wurden und mich mit einem undurchdringlichen Blick löcherten, sodass ich das Gefühl hatte, er arbeite sich tief in mich hinein.
Alle von ihnen strahlten eine gewisse Macht aus, doch der in der Mitte hatte eindeutig das Sagen, das spürte sogar ich.
Immer wenn ich verunsichert war hob ich den Kopf um das wieder wett zu machen.
Und vielleicht war auch ein klein wenig Stolz mit dabei. So auch jetzt.
Dann spürte ich den Jungen Mann neben mir und war beinahe schon erleichtert, nicht alleine mit ihnen in einem Raum sein zu müssen.
"Alec."
Begrüsste ihn der Mittlere, sein Blick sah kurz beinahe gelangweilt zu meinem Begleiter, der respektvoll den Kopf senkte.
"Michael."
Dann nickte er auch den beiden anderen zu.
„Malthael, Marco."
Sofort verteilte ich innerlich die Namen auf die Drei.
"Ich habe gehört du hast sie einfach hier rein gebracht. Ohne den geregelten Vorgang zu beachten."
Meldete sich der Berg zu Wort, sichtlich wenig begeistert.
Alec nickte erneut.
"Ja Marco, sie behauptete gesehen zu haben wie wir die Ladung hier her brachten, ich zog es vor sie zuerst zu euch zu bringen und sie nicht gleich zu töten."
Pff, gar nichts hatte er gedacht, dieser Lügner.
Ich schwieg.
Der Mann unter der Kapuze meldete sich zu Wort.
Im Gegensatz zu der Stimme des breiten Kollegen sprach er leise und fast singend.
So weich.
"Das ist eindeutig richtig gehandelt, sie ist eine Frau."
Zustimmend nickte der Felsen und der Mittlere sah mich bloss an als hätte ich irgendetwas im
Gesicht. So eindringlich, dass er mich mit den Blicken zu durchlöchern schien.
Schon wieder war das Wort gefallen.
Die Technik war weiterentwickelt worden, aber waren wir in Sachen Gleichberechtigung etwa zurück gefallen? Hatte ich da irgendwas verpasst?
Finster kniff ich die Augen zusammen, auch wenn ich mir vorgenommen hatte nichts zu zeigen um mich nicht angreifbar zu machen.
Empört sein durfte ich dennoch.
"Sie ist unnütz und schmutzig."
Erwiderte der Block.
"Nicht so schnell Marco."
Meldete sich nun der Mittlere zu Wort.
Diese schwarzen, bohrenden Augen richteten sich weiterhin auf mich.
"Wir müssen zuerst abklären was wir mit ihr machen."
Zustimmendes Nicken.
Alec neben mir war etwas zurück getreten.
Stattdessen trat nun der Mann mit dem glänzenden Schwarzen Haar hervor, keine einzige Strähne fiel ihm ins Gesicht, sein Anzug unter dem Mantel war sogar bis auf das Hemd schwarz. Kein Staubkorn war darauf zu sehen.
Er lief um mich herum, mir wurde beinahe schlecht, so wie er mich musterte, als wäre ich eine Kuh die man nur kaufte wenn man sich sicher war dass sie intakt war.
"Michael, bist du sicher dass du so nahe an sie heran willst? Sie könnte Flöhe haben."
Meldete sich Marco zu Wort, die Herablassung in seiner Stimme stach sich in mich hinein wie Dornen, auch wenn ich es mir eigentlich mittlerweile gewöhnt sein sollte.
"Du vergisst Marco."
Meldete sich nun Malthael unter der Kapuze zu Wort.
"Sie ist nicht gewaschen oder gepflegt, du solltest dir dein Bild danach machen."
Der Mann schnaubte, und Michaels Augen trafen kurz erneut die meinen, bevor er wieder seinen Platz zwischen den beiden Streithähnen einnahm.
"Was sagt ihr?"
Marco antwortete sofort, er mochte es wohl den Ton anzugeben. Ob ihm das gefiel, liess sich der Mittlere nicht anmerken.
"Sie hat unsere Organisation dank Alec bereits gesehen, also können wir sie schlecht gehen lassen.
Und sie ist unrein, weder ausgewählt noch eine getestete Frau. Wir sollten sie töten."
Ich starrte den Mann an.
Getestet? Gewählt? Töten!
Ich verstand gar nichts, nur dass er ganz offen meinen Tod forderte.
Das Herz rutschte mir in die Hose. War ja eine super Idee gewesen, diesem Gang zu folgen. Ein Dankeschön geht raus an DJ.
"Ich wäre dafür, sie hier zu lassen, sie zuerst mal waschen lassen, bevor wir sie dem Test unterziehen, danach kann sie entweder sterben oder zu den Frauen eingeteilt werden, das können wir immer gebrauchen Michael." Argumentierte der schmächtigste der Drei.
Ich könnte kotzen, hier wurde also wieder nach Mann und Frau eingeteilt?
Wieso sollte man einen Schritt in der Revolution zurück machen?
Ich musste das aufsteigende Knurren zurück halten, so sehr wünschte ich mich wieder zurück auf die Strasse.
Niemals hätte ich das Gedacht, aber tatsächlich hing mein Leben nun von einer Person ab.
Er musste nur ein Wort sagen, und ich wäre entweder tot oder lebendig.
Ich wollte es gar nicht annehmen, doch langsam, als ich die wärme im Zimmer spürte und mein Puls in meinen Ohren rauschen hörte, begriff ich dass es tatsächlich so war.
Mein Blick war auf den Mann vor mir gerichtet, das Schwarz seiner Augen war auf eine Weise angsteinflössend und faszinierend zugleich.
Dann nickte er.

So, jetzt habe ich euch garantiert ganz viel Stoff für Kommentare und Gedanken geliefert, immer her damit^^
Ich hoffe euch gefällt die Geschichte, aber um wirklich alles zu verstehen müsst ihr noch etwas weiter lesen.
Keine Angst, bald versteht ihr dann alles.
Bis dahin, viel Spass beim Lesen.
Love
Tala

Poisoned Kiss *beendet* Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt