Kapitel 7 {Die Organisation}

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"Also, dieses Gebäude hier ist auf keinem Radar irgend eines Geheimdienstes. Wir sind wie Kämpfer im Schatten. Du hast sicher schon davon gehört dass das FBI, die CIA oder die Navi Fälle unbearbeitet liess? Oder sie einfach für abschlossen erklärten, weil sie es nicht fertig brachten den Fall zu lösen?"
Ich zuckte die Schultern.
„Ja, ich denke schon."
„Tja, eben, unsere Männer sind diejenigen die genau dafür da sind, solche Fälle in die Finger zu bekommen und zu lösen."
Sie klang wie ein kleines Kind, welches allen erzählen musste was sein Dad für einen tollen Job hatte.
Aufmerksam nickte.
"Und...wie bist du her gekommen?"
Fragte ich.
Sie seufzte leise und senkte kurz den Blick, während wir die Linie übertraten und den Gang betraten, der um das gesamte Geländer reichte, von dem aus man bis zum untersten Geschoss sehen konnte.
"Ich war ein Frauentransport, also ich meine damit ich war die Ladung, gemeinsam mit einigen anderen. Aber dann wurde der Trakt überfallen und ich wurde mitgenommen. Und getestet, und genau wie alle anderen, die hier sind, habe ich bestanden. Ich bin froh dass ich ein neues Leben habe. Vieles ist jetzt besser als früher."
Ich nickte erneut bedächtig.
Sie liebte es hier, keine Frage, für sie war das hier alles ihr Zuhause.
Und ihr Schicksal war genauso schwer gewesen wie meins, wenn nicht sogar noch schlimmer. Sie konnte auch glücklich werden hier. Vielleicht konnte ich dad auch?
"Und was passierte mit denen die den Test nicht bestanden haben?"
Fragte ich erneut.
"Ich weiss es nicht.
Einige wurden raus gelassen, andere wurden nie wieder gesehen."
Sie klang unbekümmert.
Ich runzelte die Stirn.
"Aber hat dir das nie Angst gemacht? Das Leute getötet werden nur weil ein Test nein zu ihnen sagt?"
Sie zuckte die schultern und lächelte mich ehrlich an.
"Auf der Strasse werden Leute auch einfach so umgebracht. Hier müssen die Schwächsten aussortiert werden, dafür überleben die Starken und bilden neue Generationen. Generationen, die armen Leuten da oben wieder helfen.
Das sind Opfer die gebracht werden müssen. Dafür überleben hier mehr gesunde Menschen. Das wäre anders, wenn wi hier jeden aufnehmen würde."
Es war auf eine gewisse Art logisch was sie sagte. Auch auf der Strasse überlebte nur der Stärkere, so anders war es hier gar nicht. Und trotzdem fand ich es nicht richtig, denn auch die Schwachen hatten ein Recht auf Leben. Diese unnatürliche Auslese hier drin war moralisch verwerflich. Eindeutig. Entweder verstand Kelly das nicht oder sie verschloss einfach die Augen davor.
"Genug Fragen gestellt, darf ich jetzt weiter machen?"
Grinsend sah sie mich an und wies auf den Gang vor uns. Ich nickte schnell.
"Ja. Natürlich."
Ich musste mich zügeln, bevor ich mehr erfahren konnte und entscheiden würde ob ich abhauen wollte oder hier blieb.
"Gut."
Sie klatschte in die Hände und einige Leute die an uns vorbei liefen, alle in weissen Kitteln, sahen uns mit hoch gezogener Braue an.
"Also. Hier oben ist der 3. Stock, der höchste. Wir haben über hundert Zimmer und er ist in zwei Seiten gegliedert."
Sie deutete auf die Seite des Ovalen Geländers auf der wir standen.
"Hier ist der Trakt der Frauen. Hier dürfen nur wir sein, damit wir so viel Platz haben wir wir brauchen, wenn wir mal keine Lust auf die vielen Jungs hier haben und unter uns sein wollen."
Sie zwinkerte mir zu und hüpfte am Geländer entlang, mit ihrer feinen Hand strich sie darüber.
Ich merkte es mir. Hier kamen also keine Männer rein. Gut.
"Aber komm nicht auf die Idee wo anders als in den Duschen und den Zimmern nackt rum zu laufen, alles andere ist wie der Rest des Gebäude voller Kameras."
Nachdenklich hielt sie inne.
"Einer Freundin ist das passiert, sie wurde zum Gespött der gesamten Gemeinschaft und schliesslich verschwand sie." Ich blickte sie misstrauisch von der Seite her an. Mobbing gab es also auch hier.
Blinzelnd warf sie sich das rote Haar zurück und lächelte wieder.
"Aber das ist lange her. Jetzt hat sich die Technik ja verbessert. Gott sei dank, die Video Qualität hier unten war wirklich scheisse."
Ich lächelte gepresst, so verwirrend wie sie sonst war konnte sie auch nicht bei einem Thema bleiben.
"So, und hier auf der Anderen Seite", wir hatten das Geländer halb umkreist, das sich um das Loch in der Mitte rankte,"haben wir den Medizinischen Trakt."
Aufmerksam bemerke ich dass die Meisten hier weiss trugen und sterile Handschuhe anhatten, hier oben war also alles was mit Ärzten zu tun hatte.
"Und was genau umfasst das?"
Fragte ich.
"Ach, das funktioniert in etwa wie ein normales Spital. Von Chirurgie bis zu Entbindungen über normale Grippen und Amputationen oder Impfungen.
Das ist all inclusive sozusagen."
Sie kicherte und ich wusste erneut nicht, wieso sie alles so naiv betrachtete.
Aber vielleicht war ich einfach nur finster und mürrisch geworden.
Während sie auf den Knopf drückte, der den Lift, der etwas in den Leerraum in der Mitte der Organisation ragte, zu uns herauf holte, ignorierte ich lieber die Tasten auf dem durchsichtigen Brett, die digital blau Leuchteten und sah mich die Kugel an.
Sie hing an der Decke wie eine Bowling Kugel, nur ohne Löcher. Sie war Bronzen und keineswegs wunderschön. Sie hing eher wie ein Klotz an der modernen Ausstattung der Organisation.
"Wieso ist die hier?"
Fragte ich und deutete auf das krüpplige Teil, das bestimmt mehrere Tonnen wog.
"Ach das hässliche Ding."
Sie machte eine unwillige Handbewegung.
"Es hat mir noch nie gefallen. Aber es ist der beste Schutz den die Organisation hat."
Sofort stellte ich mir alle möglichen Funktionen innerhalb der Kugel vor, bis zur Überwachung sämtlicher Kameras.
Aber nein. Das war es nicht.
„Sind das da Kameras, oder?"
„Ja, aber es ist noch viel mehr als das."
Ich runzelte die Stirn und sie grinste ehrfurchtsvoll.
"Das ist eine Bombe."
Mein Unterkiefer klappte auf. Ja, eine Bombe inmitten der Organisation: super Idee.
"Sie ist so angelegt, dass sie direkt durch die Stöcke fallen kann, wenn man den Zünder drückt. Sie ist da für den Notfall, wenn zum Beispiel die Organisation eingenommen wird, oder alle Menschen, die in den Akten verzeichnet sind, gefährdet werden.
Dann explodiert sie und vernichtet so alle Beweise die Jemals hier gesammelt wurden."
Ich starrte sie an.
Also genau genommen waren wir ja auch Beweise. Hierfür. Für das Leben im Untergrund. Uns würde sie auch vernichten. Kapierte sie das nicht?
Sie schien mit die Bedenken im Gesicht ablesen zu können.
"Ach, mach dir keine Sorgen. Das wird nie passieren, solange es Agenten hier hat. Wir haben ein gutes Sicherheitssystem. Wir sind hier völlig sicher."
Ja. Sehr beruhigend.
"Ja...leuchtet ein."
Murmelte ich wenig begeistert und stieg hinter ihr ein, die Türen des durchsichtigen Liftes hatten sich mit einem leisen Pling geöffnet.
Es war merkwürdig zu sehen wie weit es unter meinen Füssen hinunter ging. Vor allem wenn man dezent unter Höhenangst litt wie ich.
Sie drückte den Knopf und hielt eine Karte an den Sensor, der Grün Aufleuchtete.
Sogar die Schnelligkeit des Liftes konnte sie einstellen.
So fuhren wir ganz langsam, fast wie eine Sight-Seeing Tour.
"Du musst nicht immer den Lift nehmen, es hat auch Treppen, die sind einfach in der Mauer versteckt.
Also, hier im zweiten Stock sind ausschliesslich die Zimmer der Männer. Wie du siehst sind das einige Mehr als unsere, deshalb braucht es einen ganzen Stock. Wir Frauen dürfen zwar hier rein, aber die Jungs haben natürlich auch Privatsphäre verdient, also können wir den Stock nur betreten wenn wir in männlicher Begleitung sind."
Merkte ich mir. Ich hatte sowieso nicht vor, mich hier aufzuhalten.
Überall standen Junge und ältere Männer herum, redeten oder banden sich gerade Schutzwesten um.
Es war immer etwas los, egal wo ich hinsah.
Es interessierte mich, wieviele Einwohner diese kleine Stadt unter der Erde wohl hatte.
"Die Lüftung hier die uns das Atmen ermöglicht und all das mir dem Druck regelt, wird regelmässig kontrolliert und ist noch nie ausgefallen, trotzdem sind immer Atemmasken in all den Schränken der Zimmer."
Plapperte Kelly weiter. Ich fühlte mich wie in einer Sight-Seeing Tour in Rom, nur war das eben eine andere Art von Stadt.
Sie hatte diese Rede wohl schon oft gehalten und ich musste mich bemühen all die Infos aufnehmen zu können, die auf mich einströmten.
"Achso."
Machte ich um mich auch mal wieder zu melden.
Kelly erkannte das Lebenszeichen an, redete aber gleich weiter, da der Lift ja auch nicht still stand und sie ihre Aufgabe wohl sehr ernst nahm, mich in alles einzuweisen.
"Hier im ersten Stock sind links alle Trainingsräume. Das geht über Simulationen bis zu Krafträumen und natürlich hat es auch ein Schwimmbad. "
Ihre Augen leuchteten. Es war wirklich beeindruckend, was die Menschen hier unten aufgebaut hatten, auch wenn ich das Gefühl hatte dass die Zeit hier unten in der Entwicklung etwas stehen geblieben war.
"Und rechts ist die Küche und das Esszimmer. Hier können alle rein, das Essen und das Buffet ist immer offen, also musst du zu keiner bestimmten Zeit da sein. Hier hat es auch einen Gemeinschaftsraum, hier kann man sich mal so richtig entspannen und auch mit den Jungs reden. Du kannst dir ja vorstellen dass das den Meisten gefällt."
Ja, konnte ich.
Wiede nickte ich nur und beobachtete die Frauen und Männer, die ihrer Wege gingen. Sei es mit satten Bäuchen oder einem Handtuch auf der Schulter und einer Hantel in der Hand.
Das es Simulationen gab wusste ich von den modernen Stadtteilen. Aber ich war noch nie aus dem Viertel raus gekommen und hatte immer andere Gedanken gehabt als die Entwicklung der Technik.
Der Lift blieb stehen als wir am Boden ankamen, die grosse Kugel an der obersten Decke kam mir schon ein ganzes Stück kleiner vor und wir stiegen aus.
Sofort musste ich einigen Menschen ausweichen, die meist in Anzügen oder Aufmachung eines SWAT-Team Mitglied würdigen Mitglieds steckten.
"Vorsicht, die meisten hier sind grade auf dem Sprung."
Kelly zog mich zu sich und schlängelte sich geübt zwischen den Leuten durch, die nicht all zu viel Vorsicht walten liessen, wenn sie ihrer Wege gingen.
"Hier findest du die Computer und Aktenräume, die zentrale Leitung von allem auf der ganzen Linken Seite. Rechts ist die Schule und der kleine Kindergarten, für die Kinder."
Meine Brauen wanderten hoch.
Es war ja logisch dass es in eine Gemeinschaft Kinder gab, aber dass sie so gemischt wurden mit der erwachsenen Welt? Schon etwas Speziell, blieb einem dann überhaupt noch die Ganze Kindheit die einem Zustand? Mir wurde sie entrissen, und ich hatte es nie ganz weg gesteckt.
"Hier gibt es die einzigen Beiden Ausgänge. Einmal eine Garage, durch die die Einsatz Teams meistens gehen und kommen und einmal den Gang, durch den du gekommen bist."
Sie deutete auf die bewachte weisse Türe weiter hinten, wo ich noch heute Morgen rein gekommen war ohne etwas zu ahnen.
Und jetzt war mein Leben übernommen und
beschlossen worden: aber noch nicht endgültig.
"Der Gang kann mir Giftgas geflutet werden, wenn wir angegriffen werden, deswegen muss er so gut bewacht werden. Damit keine Menschen sich drinnen aufhalten oder die Türe undicht ist."
Ich sog die Luft ein.
Auf der Strasse war ich mir harte Bedingungen gewohnt, aber solche organisierte Tötungsmethoden machten mir etwas Angst. Vor allem war ich vor nicht einmal einem Tag ebenfalls in diesem Gang gewesen. Nichtsahnend wie tödlich er gewesen war.
"Deshalb musst du dich auch immer ausweisen können, denn alle die das nicht können werden sofort als Feind oder Unbekannt eingespeichert. Und auch dementsprechend behandelt."
Fast feierlich hob sie eine silberne Karte hoch, die mit allerlei Kritzeleien versehen war, die rein gedruckt waren und deren Muster ich nicht verstand.
"Was ist das?"
Fragte ich sofort und wollte danach greifen, doch sie zog es schnell zurück und tadelte mich.
"Etwas Geduld bitte Ami, ich muss das erklären."
Jetzt bekam ich schon Spitznamen. Das gefiel mir gar nicht.
" 'Tschuldige."
Murrte ich wenig ernst gemeint. Sie akzeptierte sie bereitwillig.
"Also. Hiermit kannst du bestimmte Bereiche öffnen und dich ausweisen dass du zu uns gehörst."
"Klar."
Kommentierte ich, das war wirklich nicht so schwierig.
"Du kannst den Lift überall benutzen, ausser natürlich für den Stock der Männer und die Garage und den Eingang.
Die Meisten Arbeitszimmer die nicht für dich sind sind gesperrt genauso wie andere Schlafzimmer als dein eigenes, es sei denn du bekämest eine extra Bewilligung wie zum Beispiel für das Zimmer deines Mannes.
Die Trainingsräume sind für uns Frauen Gesperrt, aber Das Schwimmbad und der gesamte untererste Stock steht uns komplett zur Verfügung."
Ich nahm das mit dem unkompliziert zurück.
Sie sah wohl dass ich nicht ganz mit kam und seufzte.
"Du kannst einfach nur dort rein gehen wo der Sensor grün aufleuchtet. Ist er rot dann solltest du da nicht nochmals ran gehen.
Klar soweit?"
Ich nickte bestimmt, das konnte auf jeden Fall interessant werden.
Und immerhin konnte ich zuerst hier bleiben und mir immer noch einen Plan zum Fliehen ausdenken wenn ich meine Kraft hier etwas aufgefüllt hatte.
"Völlig klar."
Stimmte ich zu und sie lächelte mich breit und ehrlich an.
"Na dann."
Sie drückte mir die glatte Karte in die Hand, nicht grösser als meine Handfläche aber Rechteckig und sauber.
"Willkommen als offizielles Mitglied der Organisation."

Ein eher aufklärendes Kapitel, ich hoffe ihr könnt euch das ganze Gebäude etwas vorstellen, falls ihr Fragen habt schreibt es einfach in die Kommis. Welchen Stock oder welchen Teil der Organisation fändet ihr am wichtigsten, wenn ihr einen aussuchen müsstet?
Bleibt gespannt
Love
Tala

Poisoned Kiss *beendet* Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt