Kapitel 16 {Dark Paradise}

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Michael regte sich nicht gross und blickte auf das bisschen Sauce, dass die Gabelzinken auf seinem Handrücken hinterlassen hatten. Ich hatte wirklich gehofft dass man hier unten nicht so weit in der Revolution zurück gegangen war, dass man sich über so ein kleines Missgeschick aufregte.
"Serviette."
Fordernd streckte er seine Hand aus und ich schnaubte.
Ich half kochen und verteilen aber ganz sicher führte ich mich nicht wie seine Dienerin auf.
Die Serviette lag gleich neben seiner Hand, er konnte sie also getrost selbst aufheben.
Ich bewegte mich also nicht, den Topf auf dem Tisch hatte ich los gelassen um im Notfall so schnell als möglich zurück zu weichen.
Aber dazu blieb mir nicht mal die Zeit.
Alec sass, und trotzdem war er auf dem hohen Stuhl beinahe so gross wie ich, wenn ich stand. In einer flüssigen und unglaublich schnellen Bewegung hatte er meinen Arm gepackt und mich nahe zu ihm gezogen. Ich hatte nicht einmal die Gelegenheit gehabt, zu reagieren.
Sein Griff war so hart wie Stahl und ich presste die Lippen zusammen. Aua.
Mein erster Reflex war es, mich los zu reissen aber eine Szene vor allen zu machen, die bisher noch nichts bemerkt hatten, das wollte ich nicht riskieren.
Und das wusste er auch. Er schien jeden meiner Gedanken noch vor mir zu erahnen.
Nur Alecs Blick spürte ich im Rücken brennen wie Feuer.
Merkwürdig, eisige Kälte vor-und brennende Hitze hinter mir. Damit kam mein Körper nicht ganz klar.
Kein Wunder war ich nicht imstande einen klaren Gedanken zu fassen.
Ich starrte in Michaels schwarze Augen, die mich durchbohrten und wie jedes Mal drohten, mich allein mit einem einzelnen Blinzeln zu zerfetzen.
Innert einer weiteren Sekunde hatte er mir die lange Gabel entwendet, auf einmal spürte ich ihr Gewicht nicht mehr in meiner Hand. Seine Finger waren so flink, dass ich mit meinen Augen nicht nachgekommen war. Verdammt, wieso konnte er sowas?
Ich wollte einen Schritt zurück machen doch sein Griff liess nicht zu dass ich mich auch nur einen Millimeter von der Stelle bewegte.
Die Gabel lag an meinem Hals und er bewegte sie langsam weiter daran hinunter.
Seine Augen folgten beinahe fasziniert den heissen Zacken, die meine Haut ansengten sodass ich zusammen zuckte und mir ein Zischen verkniff. Das brannte ganz schön.
Langsam liess er sie meinen Hals hinunter wandern bevor er kurz über meiner hellen Bluse, die ich beim Kochen trug, anhalten liess.
Ohne Probleme hätte er sie zerreissen können. Und ich war mir sicher, dass er gerade darüber nachdachte. Das wäre dann wohl die schlimmste Demütigung und Bestrafung in einem gewesen.
Bei meiner Reaktion, er musste wohl mitbekommen haben dass ich mich komplett verspannt hatte, musste er leicht lächeln, seine Zähne waren weiss und makellos. So wie alles an ihm. War er überhaupt menschlich?
Dann liess er die Gabel sinken, kurz bevor er die Knöpfe der Bluse abgetrennt hätte.
Langsam atmete ich langsam, während er sich seine Serviette selbst nahm und seinen Handrücken damit abwischte.
Dafür brauchte er mich nicht, schön dass er es auch endlich verstanden hatte.
"Es wäre Zeit, dich einem Mann zu geben. Der kann sich dann mit dir herumschlagen und dich zähmen, dann muss ich mich wenigstens nicht mehr mit solchen Makeln herum schlagen."
Seine Stimme war rau und dunkel, so tief wie ein Abgrund um den ich herum tanzte.
Versuchte nicht hinein zu fallen oder einen falschen Schritt zu machen, der mein Ende sein konnte.
Und trotzdem war der Unterton in seiner Stimme irgendwie anziehend, provozierend. Er lockte mich, das ich mich doch auf das die Gefahr einlassen sollte.
Ich wusste selbst, dass das dumm war, denn ich strebte nach Sicherheit und Frieden, nicht nach Abenteuern und Schmerzen.
Trotzdem hielt ich meine Klappe nicht.
Vielleicht lag es daran dass er mich ansah als erwartete er beinahe einen frechen Kommentar.
"Ach ja und wie wollt Ihr das anstellen, wenn ich mich weigere?"
Zischte ich leise.
In meiner Stimme war zu hören wie scheisse ich die Idee fand jemandem zugeteilt zu werden wie Vieh. Das konnte er vergessen. Seine Augen funkelten. War er amüsiert von mir? Nein, das war es nicht.
"Wollt Ihr eine Auktion starten und mich dem Meistbietenden geben?"
Herausfordernd erwiderte ich seinen harten Blick.
Wir redeten beide leise und den Saal schien es wirklich nicht zu interessieren. Nur Michaels Berater beobachteten uns von der Seite her.
Nur mein Rücken schien mittlerweile in Flammen zu stehen.
Was sich Alec wohl dachte, wenn er bei einem so langen Gespräch zwischen dem Anführer und mir zusah. Er war wahrscheinlich nicht amüsiert.
Mit einer desinteressierten Klarheit die selbst Eis erneut gefrieren lassen würde, antwortete Michael mir.
"Nun, dank dem Test können wir gezielt auswählen.
Desto mehr Unterschiede in der DNA vorliegen, desto gesünder werden Nachkommen werden, falls es das ist was du wissen wolltest."
Er musterte mich ruhig und ich hätte mich gerne direkt auf ihn übergeben.
Er schien zufrieden mit meiner Reaktion.
Es waren wirklich absolut keine Gefühle im Spiel, dieses ganze System schien nur darauf aus, gute Nachfahren zu zeugen. Wie krank.
Mag sein, vielleicht lernten die Paare sich zu lieben, wenn sie ihr Leben zusammen verbrachten.
Aber was passierte in den Fällen in denen sie einfach nicht zusammen passten?
Mussten sie ihr Leben lang leiden und nie wieder Liebe spüren nur weil sie unglücklich vergeben waren?
In meinem Kopf ratterte es.
Niemals würde ich zulassen dass mir so etwas widerfuhr.
Wir Menschen waren nie ganz Frei.
Das wusste ich und wahrscheinlich strebte ich genau deshalb nach so viel Freiheit wie ich kriegen konnte.
Aber hier unten hatte ich keine, nichts.
Das Einzige worüber immer noch ich entschied waren meine Gefühle.
Und selbst diese wollte er nun untergraben indem er mich irgend einem fremden Mann zuteilen würde.
Das hier war für mich nicht Leben, nur Qual und Unterdrückung.
Zumindest für die Frauen.
Denen schien es aber nicht mal etwas aus zu machen.
Keine Ahnung, vielleicht kannten sie es nicht anders oder sie liebten es, einen klaren Ablauf in ihrem Leben zu haben.
Aber ich mit Sicherheit nicht.
Ich verzog das Gesicht und versuchte gar nicht, meinen Ekel vor Michael zu verbergen.
"Wow wie liebevoll, muss ja eine super Hochzeit abgeben."
Geringschätzig ewiderte ich seinen Blick.
Ich wusste von den Frauen, dass ich mir sowas nicht erlauben durfte.
Denn Michael vergass nichts. Niemals. Selbst wenn er dich in Ruhe liess sponn er hinter deinem Rücken ein Netz und irgendwann gab es Rache für Dinge die du selbst nicht einmal mehr wusstest.
Einige nannten ihn auch Karma. Das hatte mich
Kelly wissen lassen, als wir Würste gekocht hatten.
Trotzdem wagte ich es, mich ihm zu widersetzen. Erneut. War ich lebensmüde? Nein, aber ich konnte einfach meine Klappe nicht halten.
Seine Augen waren matt und schwarz irgendwie leblos und nichts sagend. Auf einmal.
Aber wenn man sich getraute, länger hinzusehen, erkannte man feine gräuliche Risse in dem Schwarz, als würde noch eine andere Seite an ihm durchstechen und sich nicht unterkriegen lassen wollen. Als würden sich zwei Augenfarben in seiner Iris bekämpfen.
Eine brennende Seite, welche die der Kälte zu schmelzen versuchte.
Dieser Mann war speziell, ich wusste nicht wie aber er war es definitiv. Aber nicht unbedingt ein gutes Speziell.
"Vielleicht sollte ich dich auch selbst zähmen."
Er legte den Kopf schief.
Was war ich eigentlich in seinen Augen? Eine Stute, die man einfangen musste damit sie sich seinem Willen beugte?
Nein, nicht mit mir. Ich war eine Wölfin, die für ihre Freiheit kämpfen würde und sich niemals zu einem Haustier machen liess.
"Wieso? Habt Ihr Angst andere würden scheitern?"
Er reagierte gemächlich.
Ich hoffte so sehr auf Reaktionen wie Wut, Nerven verlieren oder wenigstens ein genervtes Zucken der Mundwinkel.
Aber ich erreichte nicht einmal, dass er sich ein kleines bisschen aufregte.
Er schien dieses Spiel schon so lange zu spielen und ich hatte gerade erst angefangen.
"Denk nicht du seist eine Herausforderung für mich Amara. Nur weil du am leben bist heisst es nicht dass du unsterblich bist. Jeder Mensch hat Schwächen. Und ich denke gerade du, solltest dir nicht so viel zutrauen."
Ruhig stach er in seine Wurst und zerschnitt sie, während ich ihn anstarrte. Seinen Blick hatte er längst desinteressiert abgewandt, als wäre ich es nicht mehr wert, dass er noch länger aufs Essen verzichtete.
Ich wusste, dass er von meiner Störung wusste, von der ich selbst erst gerade erfahren hatte. Er musste es mir nicht nochmals unter die Nase reiben. Aber er kannte halt meine Schwäche. Logisch tat er es.
Eigentlich beeinträchtigte mich diese psychische Krankheit ja bis vor kurzem nicht, nur einmal hatte ich dieses Gefühl gehabt, bei der Geburt der jungen Frau.
Aber ich war mit sicher er würde einen Weg finden sie gegen mich zu verwenden. Würde aber schwer werden, denn ich wusste ja selbst nichtmal, wann und wieso meine Störung ausgelöst wurde.
"Wir werden ja sehen."
Murmelte ich leise und drehte mich weg, schnappte mir den Topf und rauschte in Richtung Küche.
Ich würde ihm zeigen dass ich nicht von ihm oder sonst Jemandem abhängig war.
Ich musste nur hier raus kommen und
Müsste ihn nie mehr wieder sehen.
Auch wenn ein winziger Teil in mir das begonnene Spiel zwischen uns nicht verlassen wollte.
Bevor ich in die Küche einbog, konnte ich Alec ausmachen.
Er hatte sich über seinem Teller verkrampft und starrte finster zu Michael hoch.
Dieser erwiderte seinen Blick.
Es schien, als würden sie über ihren Augenkontakt zu kommunizieren.
Dann verschwand ich in der Küche, die von dem ganzen Dampf und Feuer immer noch ganz heiss war, sodass ich meine Schürze auszog.
Atemlos lehnte ich mich an eine Spüle und legte den Kopf in den Nacken um richtig durchzuatmen.
Seit der Gabel an meinem Hals hatte ich das Gefühl gehabt nicht mehr richtig zu Atem zu kommen.
Und selbst als ich normal atmete ging ich nicht zurück in den Saal sondern ass in der Küche, wo der Lärm nur gedämpft hinein drang. Mir war bewusst, dass ich gerade vom Regen in die Traufe gerutscht war. Aber wenn es nur noch bergab ging, musste irgendwo auch wieder eine Steigung kommen.
Und wenn das nicht der Fall war, musste ich mir eben selbst eine bauen.

Ich hatte weder mit Kelly noch Alec gesprochen, nach dem Essen war ich einfach leise und möglichst unauffällig im Zimmer verschwunden. Mein Körper war müde und mein Verstand auch.
Ich hatte mindestens eine viertel Stunde auf meiner Bettkante gesessen und in dise Dunkelheit des Zimmers hinein gestarrt.
Der schwache Schein der Nachttischlampe beleuchtete die Pillen die ich in der Hand hielt als wären sie ein Heiligtum.
Ich wollte sie eigentlich gar nicht nehmen, ich hatte das noch nie in meinem Leben gebraucht.
Ich wusste nicht genau was sie mit mir machten. Und seit ich wusste, dass Alec davon wusste, vertraute ich dem Doktor nicht mehr. Was wenn in den Tabletten was anderes drin war? Ich war vielleicht paranoid ja, aber ich wollte nicht riskieren, ziemlich vergiftet zu werden oder sowas. Da hatte ich lieber weiter diese Erinnerungsmomente.
Also hatte ich sie langsam wieder unter mein Kissen geschoben und hatte das Licht ausgemacht.
Nun war ich umgeben von Wärme eines weichen Bettes.
Und der Kälte der Dunkelheit.
Ich fühlte mich gefangen in einem dunkeln Paradies.
Ich war schnell eingeschlafen und lag ruhig da.
Immer wenn ich schlief war es ruhig, von den Wilden Träumen die andere Menschen hatten war bei mir nie etwas zu sehen gewesen. Ich hatte nicht geträumt. Nie.
Bis heute.
Ich schwebte in meiner Dunkelheit die mich beruhigend umgab und mein einziges Zuhause darstellte, als plötzlich etwas meine Welt erschütterte.
Dann machte ich einen schwachen weissen Riss in der Dunkelheit aus, er schien zu leuchten wie eine Tür, die jedoch nur einen Spalt breit offen war.
Ich konnte nicht laufen, ich wusste aber auch nicht mehr, dass es ein Traum war. Es fühlte sich real an.
Ich meinte, dass ich mich bewegte und der Spalt kam näher, bis ich bemerkte dass es eine ganze Kluft war, die nur von Weitem so klein gewirkt hatte.
Vor dem Abgrund der in das Weiss hinein führte, blieb ich stehen.
Die lauwarme Atmosphere hier oben wurde durchzogen von eisiger Furcht, die mir aus der Kluft entgegen strahlte.
Nun war sie nicht mehr an einer Türe sondern sah aus wie das Tor zur Hölle.
Eine weisse Hölle.
Etwas in mir drängte nach vorne.
Ein Teil den ich gar nicht als mich selbst empfand.
Ein Teil der einfach plötzlich in mir war und mir vorkam wie ein Fremdkörper, obwohl er ganz klar zu mir gehörte.
Ich bekam Angst, das fühlte sich alles falsch an.
Doch ich hatte die Kontrolle über diesen Traum nicht. Die Kontrolle hatte wer anderes.
Und ich lief weiter.
Trieb mich an, den nächsten Schritt zu machen.
Und dann, irgendwann war kein Schwarz mehr da, dass mir Halt unter den Füssen gab. Ich fiel.
Es fühlte sich echt an, das Fallen.
Meine Haare peitschten im Wind und das Kleid, welches ich anhatte aber nicht sehen konnte, spürte ich im Wind an meinen Körper flattern.
Es zischte in meinen Ohren und ich fiel weiter, bis ich irgendwo plötzlich anhielt und wie in eine graue Nebelwand vor mir, eine Wohnung sah, dir mir nur all zu bekannt vorkam.
Ich träumte.
Und zwar von meinem alten Zuhause.

So meine Sternchen, was an dem Kapitel hat euch zum Nachdenken gebracht? I hope that you liked it und wünsche euch viel Spass beim weiterlesen
Love
Angora77

Poisoned Kiss *beendet* Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt