Kapitel 4 {Die Stadt unter der Erde}

9.9K 549 21
                                    

"Malthael hat recht."
Sofort nickte Marco zustimmend.
„Du hast Recht Michael. Es kann nicht schaden, ausserdem haben wir sowieso besseres zu tun als hier über einen Menschen zu diskutieren."
Wow, wie schnell er doch seine Meinung geändert hatte. Was für ein Schleimer.
Der Anführer ignorierte ihn.
„Alec, bring sie zur Abteilung, sie soll sich auf den Test vorbereiten."
Meinte er bestimmt.
Ich wollte fragen was es für ein Test war, aber ich hielt die Klappe, einfach aus Vorsicht, da es immer noch zwei zu eins gegen meinen Tod stand.
Und trotzdem, ein Test sollte erneut über mich entscheiden dabei hatte ich nie eingewilligt hier zu bleiben.
Sie hatten mich einfach hinein gesogen in die Organisation hier und es gab kein Entrinnen mehr.
Alec neben mir nickte und neigte erneut den Kopf.
Waren wir wieder in der Zeit der Monarchie gelandet oder wieso benahmen sie sich wie Könige?
Ein abfälliges Schnauben entfuhr mir, als Alec mich mit sich zog, und Marco machte einen Schritt vor, wurde jedoch von Michaels Hand zurück gewiesen.
Ich schenkte dem Anführer einen giftigen Blick.
Dann schloss sich die Türe und ich wurde wieder vom Hellen Licht der Decke beschienen.
Als wir einige Meter gegangen waren, lief Alec nun neben mir als wäre ich ein normaler Mensch, nicht mehr ein Gegenstand den man mitschleppen musste.
Keine Ahnung was sich verändert hatte, ich wollte es mittlerweile gar nicht mehr wissen.
Nur der Test zählte.
Wenn ich hier nicht raus konnte musste ich mich wenigstens Mental auf den Test vorbereiten, der mich vorerst am Leben erhalten würde, bis ich einen Ausweg gefunden hatte. Sowas nannte sich Überlebensinstinkt. Ohja, den besass ich.
Langsam sah ich zu ihm nach Rechts, die Haare, die ihm unordentlich in die Stirn hingen schienen ihn nicht zu stören und die grauen Augen musterten die Leute um uns herum.
"Wohin bringst du mich?"
Fragte ich dann, meine Stimme war rauer, vielleicht wegen dem Kloss in meinem Hals.
"Zu den Frauen."
"Wieso?"
Fragte ich und sah ihn genauer an, in der Hoffnung dass er mich endlich aufklärte.
Aber wahrscheinlich wollte er sich die ganze Mühe nicht machen, wenn ich vielleicht den Test gar nicht bestand.
"Weil sie dir helfen sollen dich frisch zu machen."
Er hatte meine Frage bestimmt verstanden, aber antwortet extra nur so, dass ich nichts mitbekam ausser das was ich durfte.
"Wieso hälst du mich nicht mehr fest?"
Er hob eine Braue und drehte den Kopf zu mir.
"Willst du es denn?"
Schnell schüttelte ich den Kopf.
"Nein."
Er nickte als sei das die Antwort.
Wie schaffte er es bloss, mir auszuweichen.
"Wieso?"
Hakte ich nach und beinahe genervt atmete er aus.
"Du warst mein Feind.
Jetzt bist du es nicht mehr."
Ich sah wieder nach Vorne, er führte mich nun auf den Gang zu in dem die Frau verschwunden war.
"Was bin ich denn jetzt?"
"Bis du getestet wurdest...gar nichts."
Langsam nickte ich.
Wow, das war ganz schön hart hier.
Ich sagte nichts mehr und er auch nicht.
Kurz vor Ende des Ganges, hielt er an und drückte eine Klingel neben sich.
Verwundert dass er nicht weiter ging blieb ich ebenfalls stehen und schlang die Arme um die Schmutzige Jacke und zog dabei einige schmutzige Strähnen mit, ignorierte das Ziehen meiner eingeklemmten Haare jedoch gekonnt.
Sogleich öffnete sich die vorderste Türe mit einem A und eine junge Frau kam heraus.
Sie hatte einen schwarzen Rock an und ein Top, ihre Haare waren leicht rötlich und wild gelockt.
Sommersprossen und wunderschöne grüne Augen.
Sie sah fröhlich aus, auch als sie mich sah.
Also ging es ihr hier nicht schlecht...gut zu wissen.
"Alec! Schon lange nicht mehr gesehen."
Sie grinste und er kratzte sich am Nacken, nickte aber schnell.
"Kelly, sie soll sich dem Test unterziehen, machst du sie bitte Frisch?"
Er wies kurz auf mich als wäre ich Nebensache.
Ich runzelte die Stirn und sah langsam von ihm zu ihr. Herrje, da herrschte aber viel unausgesprochene Spannung.
"Klar, komm ruhig mit, ich weiss wie du dich fühlst, das kriegen wir schon hin."
Freundlich hielt sie mir die Hand hin aber übertrat diese unsichtbare Linie nicht; genauso wenig wie Alec.
Nur ich durchschritt sie nach einigem Zögern, jedoch ohne sie zu berühren, dafür war ich zu unruhig. Um Menschen zu berühren brauchte man Vertrauen. Und wer konnte es mir verdenken, dass ich das nicht besass.
Alec lehnte sich an die Wand, wartete er jetzt etwa die gesamte Zeit hier?
Er kramte ein Handy hervor.
Ja anscheinend schon.
Kelly schob mich in den Raum vor sich, bevor sie schnell die Türe hinter uns schloss.
Als sie auf mich zu kam wich ich sofort zurück um genug Platz zu haben, falls sie mich angriff.
Sie seufzte als müsste sie mir jetzt alles erklären.
"Keine Angst. Ich kann nicht kämpfen ich bin keine Gefahr für dich."
Ich schnaubte .
"Du willst mir doch nicht erzählen dass trotz all den Waffen die ich hier gesehen habe, du nicht kämpfen kannst?"
Sie zuckte die Schultern, ihre schönen Lippen etwas entrüstet gespitzt.
"Muss ich dir das jetzt wirklich alles erklären?"
Fragte sie etwas hoffnungsvoll das ich verneinte, rückte aber bereits zwei Stühle zurecht, genau gegenüber von einander.
Ich nickte nur langsam.
"Na gut, wir haben genügend Zeit, hier wird niemand so einfach rein platzen. Das ist Frauen-Territorium."
Sie setzte sich und wies mich an es ihr nach zu tun.
Langsam kam ich der Bitte nach, klammerte mich aber an das kühle Metall des Sitzes, um etwas runter zu kommen.
"Also. Du bist hier in einer Organisation die niemand ausserhalb von ihr kennt. Ausser einigen wichtigen Personen in der Regierung. Wir bekämpfen die Verbrecher, die Schlimmsten der Schlimmsten und dafür müssen wir eben gut gerüstet sein, und versteckt, da diese ja auch ihre Männer haben.
Logisch oder?"
Sie sah geduldig aus, wie viele Male hatte sie das nun schon erklären müssen?
Nickend wartete ich darauf dass sie weiter redete.
Es war wie ein schlechter Traum, der tatsächlich wahr war.
"Aber nicht alle haben es im Blut so gut sein zu können wie die Mitglieder hier. Ich kenne mich mit dem Zeug nicht so gut aus, aber sie suchen gezielt nach Genen, die die vorgegebenen Voraussetzungen erfüllen.
Und deshalb werden sie gezielt ausgewählt und her gebracht."
Soweit war es klar, auch wenn es immer noch unglaublich klang. Wie in einem schlechten Film, der mich völlig überforderte.
"Sie werden hier zu Agenten ausgebildet. Die Meisten von ihnen sind es Leute ohne Zukunft, denen der Anführer ein Leben für Gerechtigkeit ermöglichen will. Sozusagen eine zweite Chance. Ein zweites Leben, aus dem sie mehr machen können. Auch wenn die Ausbildung nicht alle schaffen."
Plapperte sie fröhlich vor sich hin. Welche Ausbildung? Ich verstand nur Bahnhof. Trotzdem musste ich weiter zuhören, später konnte schliesslich jede Info wichtig sein.
"Verstehe", murmelte ich leise, also war der Teil mit den Männern und der Stadt unter der Erde schonmal klar.
"Und wir Frauen sind nicht hier um zu kämpfen.
Wir sind alle von der Strasse, mehr oder weniger. Einige sind auch den Männern gefolgt, die her kamen.
Aber bei uns ist es komplizierter."
Sie spielte mit einer ihrer widerspenstigen Locken.
„Für die Organisation sind wir wichtig, aber nicht zum Kämpfen. Wir sind sozusagen das einzige Licht für die Männer hier, die ihr Leben dem Kampf gegen das Böse widmen und dafür nie eine Belohnung bekommen. Weil es sie für die Welt da oben offiziell ja nicht gibt."
Ich blinzelte geschockt.
"Also seid ihr...Prostituierte?"
Sie schnaubte unzufrieden und sah mich vorwurfsvoll an.
"Nein! Auf keinen Fall, wir huren bei niemandem
Rum!
Es ist kompliziert, lass es mich dir erklären wenn du duschst."
Ih öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber sie schien keine bösen Absichten zu haben, als sie mir aus der schmutzigen Kleidung half. Vielleicht war es besser, sich jetzt mal nicht zu wehren.
Schliesslich hatte ich so lange nicht mehr gut geduscht, was man meinen Haaren auch ansehen konnte.
Also vergass ich für eine kurze Weile mein Schamgefühl, während sie mich in einen Grossen Raum mit wirklich vielen, nicht abgegrenzten Duschen führte, in der Mitte ein Loch um abzulaufen.
Es war sauberer als damals als ich noch zu Hause war und dort war nur eine Dusche gewesen, die man hatte putzen müssen.
Ich schluckte und sie stellte das Wasser an, und zückte Shampoo und Kamm.
Sofort spürte ich warmes, sanftes Wasser über meinen Körper gleiten, der ihm nach rauem Stoff und Stein so schmeichelte und meine Verspannung beinahe löste.
Beinahe.
Dann begann sie meine Haare zu säubern, das Ziepen des Kammes war deutlich zu spüren aber ich bewegte mich nicht und hielt die Augen geschlossen, während mir das Wasser übers Gesicht rann.
Meine Zellen wurden erwärmt, gereinigt bis aufs Innerste, ich fühlte mich wie neu geboren,
"Also."
Begann sie, während sie meine Haare mit dem weissen Schaum einrieb der an mir hinunter lief und den Rest des Schmutzes mit sich nahm, der mir vorkam wie hundert Gewichte, die nun von meinen Schultern flossen.
"Wir unterziehen uns einem Test, und wenn wir bleiben dürfen leben wir in unserem Frauen-Trakt.
Man hat grossen Respekt vor uns, und wir wiederum werden die Frau von irgendjemandem hier. Dort wo die Liebe eben hinfällt, verstehst du?"
Ich schwieg und sie sah sich gezwungen, weiter zu reden. Sie wollte gar nicht mehr damit aufhören. Und mit jedem Wort wurde mir diese Organisation unheimlicher.
„Wir lieben ihn, unseren Mann. Es ist wie eine normale Beziehung. Momentan gibt es einfach zu wenige Frauen für jeden Mann. Und die Männer dürfen ausserhalb der Mauern keine anderen Frauen kennen lernen, weil es uns alle gefährden würde."
Ich runzelte die Stirn, es klang für mich zwar logisch aber trotzdem nicht gerade verlockend. Ein Leben im Schatten, da konnte ich auch gleich mein altes Leben weiterführen. Vor allem hatte ich auch nicht vor, mich an irgend einen Mann verschenken zu lassen. Die tickten doch nicht richtig.
"Also...geht ihr nie rauf?"
Sie antwortete nicht und kämmte die nächste Strähne meiner Haare.
"Nein, aber wir wollen es auch nicht.
Unser Leben ist hier, wir sind glücklich, falls du den Test bestehst, wirst du es auch werden. Manchmal ist es hier unten sogar friedlicher als oben, und es hat hier alles was wir brauchen oder wollen."
Ich horchte ihr einfach ohne etwas zu sagen.
Sie erzählte es so ausgeglichen, so zufrieden dass ich beinahe geglaubt hätte dass es auch für mich etwas war.
Aber dann erinnerte ich mich dass ich auch einfach sterben könnte, nur wegen einem Test.
Und danach, wenn ich bestanden hätte, ich würde niemals hier unten bleiben wollen, vielleicht wurde Kelly hier glücklich aber ich nicht.
Ich brauchte das Sonnenlicht, meine Freiheit und keine einschränkenden Mauern. Geschlagene zwanzig Minuten hatte es gedauert bis ihr Kamm ungezwungen durch meine Braunen Haare geglitten war, und erst dann durfte ich sie ansehen.
Sie sahen so schön aus, und als sie sie ein klein wenig geschnitten hatte kam ich mir das Erste Mal seit langer Zeit wirklich schön und überhaupt menschlich vor.
Es war ein Gefühl das normale Leute nicht verstehen würden.
Aber es war wahnsinnig, mich so im Spiegel zu betrachten. Mir kamen beinahe die Tränen.
"Danke."
Sagte ich leise.
„Du musst hier drinnen auch keine Angst haben. Denn Männern ist es strengstens verboten, den Frauen Trakt zu betreten."
Sie lächelte und hielt mir ein Kleid hin, es war schwarz  und lange, bis zu den Knien reichte es, jedoch war es schön geschnitten und wahrscheinlich total in Mode, mit der Kette die sich um die Träger des Kleides schlang und eingenäht schien.
Dieses Kleid war eigentlich etwas, was nicht zu mir passte, aber das sonstige schlichte Kleid wallte mir sanft um die Beine, die ich rasiert hatte.
Das Gefühl war göttlich und ich brannte es mir in den Kopf ein, nie wieder werde ich es vergessen und auf ewig davon zehren. Der Moment, in dem ich schön gewesen war.
Es war schon merkwürdig wie viel es für mich bedeutete, und wie wenig für alle die es hatten. Erst jetzt begann ich es zu schätzen, etwas was man nicht tun konnte wenn man es immer hatte.
Ich fuhr mit den Fingern langsam über den Stoff, danach über meine geföhnten Haare, sie waren so weich, ich konnte mir mit den Fingern durch fahren bis zum Ende.
Sie fielen mir bis zum Rücken hinunter und das Erste Mal in meinem Leben hatte mir Kelly mit einem wissenden Lächeln wie Besonders es war die Haare geglättet.
Einerseits war es wunderschön so etwas zu erleben.
Und andererseits war es mir die Ganze Zeit lang bewusst dass es auch mein Outfit für mein Begräbnis sein konnte.
Je nachdem.
Und genau deswegen konnte ich es nicht geniessen, denn irgendetwas nagte immer an mir.
Dann stellte sich Kelly vor mich und atmete tief durch als wäre sie es, die gleich raus gehen musste.
"Na dann, mach dir keine Sorgen das wird gut kommen."
Sie nickte überzeugt und lächelte, doch mein Gesicht war wie gefroren als ich mechanisch nickte.
Ich liess mich von ihr raus führen, die hohen Schuhe waren ungewohnt, aber ich liess mir nichts anmerken.
Ich dachte nach was es für ein Test sein konnte, ob es Aufgaben waren, körperlich oder geistlich oder der Umgang mit irgendwelchen Werkzeugen. Aber ich fragte Kelly nicht danach.
Als ich auf den Gang trat lehnte Alec immer noch dort, tippte etwas auf seinem Handy herum. Dass ihm nach der langen Zeit seine Beine noch nicht eingeschlafen waren...
Kelly schloss die Türe, ohne dass sie mir noch einmal etwas sagte, plötzlich stand ich wieder alleine da.
Ich atmete langsam aus und sofort hob Alec den Kopf und steckte in demselben Moment das Handy weg.
Sein Blick versuchte bei meinem Gesicht zu bleiben, doch er wanderte nach unten und wieder nach oben.
Und es störte mich nicht einmal, weil es das Erste Mal war, dass er die Brauen anerkennend hob und mich nicht angeekelt oder herablassend ansah.
Es hatte sich alles geändert, für einige wenige Sekunden.
Ich schwieg und er öffnete den Mund, zögerte dann und wartete schweigend bis ich zu ihm kam.
Ich wäre gerne hier für immer stehen geblieben, die Hand in das Kleid gekrallt.
Doch dann lief ich vor, von meinem Leben konnte ich mich nicht verstecken, oft genug hatte ich es versucht.
"Gehen wir."
Sagte er und hielt mir die Hand hin.
Dieses Mal zur Stütze, und ich konnte gerade echt gut eine gebrauchen.
Langsam sah ich ihn an und danach auf seine Hand.
Innerlich zitterte ich und wollte zusammen brechen, ich wurde täglich damit konfrontiert aber jetzt wo ich kurz davor stand hatte ich Angst vor dem Tod.
Trotzdem, würde ich seine Hand nun halten, würde ich sie nie wieder los lassen.
Also hob ich den Kopf gerade und beschloss wenigstens gerade dahin zu schreiten. Scheiss auf den Test. Alec beobachtete mich mit einem feinen Grinsen auf den Lippen. Ich nickte.
"Gehen wir."

Ich habe nich so viel vor mir und freue mich riesig darauf, denn die Story wird je länger je besser, also lest fleissig weiter es kann nur besser werden hoffe ich ;)
Viel Spass und alles Liebe
Angora77

Poisoned Kiss *beendet* Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt