Kapitel 12 {Leben und Leiden}

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"Also, unsere kleinen Streithähne, haben eine ziemlich...turbulente Vorgeschichte vor sich."
Sie schien ganz erfreut darüber zu sein, die Story zu erzählen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie die nicht zum ersten Mal zum Besten gab.
„Aber keine Sorge, eigentlich kann man die in wenigen Sätzen zusammenfassen", fügte sie schnell noch hinzu, als sie meinen kritischen Blick bemerkte.Langsam strich sie sich über den Bauch, der das gesamte Badetuch in Beschlag nahm und der Föhn zerzauste ihre Haare.
"Na dann, hoffentlich sind meine Haare bis dahin trocken."
Witzelte ich und sie lachte hell.
"Klar werden sie, versprochen."
Ich rasierte vorsichtig meine Beine da ich nicht so gut mit diesen Dingern umzugehen wusste. Für mich war es wohl einfach, damit Fleisch zu schneiden statt Haare loszuwerden.
Leise fluchte ich als ich mich erneut an einer Stelle schnitt aber das bemerkte die junge Frau gar nicht.
Sie tippte sich ans Kinn und dachte nach.
"Eigentlich sind die Beiden ziemlich gleichzeitig hier her gekommen, ziemlich genau am
Punkt der Gründung.
Sie waren gute Freunde schon seit ich hier bin, und galten als das lebende Beispiel von einer Freundschaft zwischen Frau und Mann, die tatsächlich funktionierte. Du weisst schon wie ich das meine."
Sie zwinkerte mir zu und ich nickte zustimmend auch wenn ich immer noch auf die Fakten wartete, die mich aufklären sollten.
"Absolut."
"Also, und dann kam eben der Tag an dem Alec und Kelly ein Paar hätten werden sollen. Der Befehl kam von ganz oben."
Also von dem Michael. Das hätte sie ruhig aussprechen können.
"Wenig später wurden sie ein Paar, wie alle vor ihnen, die den Befehl dazu bekommen hatten."
Sie schaltete den Föhn aus und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und grüsste kurz eine Frau, die neu in die Dusche dazu kam.
Dann erzählte sie weiter.
„Aber irgendwie hat das nicht geklappt. Sie haben sich nie lieben gelernt. Die Armen. Ein ganzes Jahr hatten sie es versucht, doch da waren einfach keine Gefühle entstanden."
Hatte ich es mir doch gedacht. Dieses ganze Verkuppeln funktionierte also doch nicht so einwandfrei, wie alle hier behaupteten.
„Damit Alec nicht ewig ab Kelly gebunden war, musste er sie öffentlich ablehnen. Vor allen. Nur so konnten beide getrennter Wege gehen."
Ich runzelte die Stirn.
„Du meinst eine Scheidung?"
Karina lachte.
„Nein, dafür müsste man verheiratet sein. Hier gibt es keine Heiraten. Es gib Ringe und eine Zeremonie, aber da ist kein Priester oder irgendetwas göttliches mit dabei."
„Ahso."
In dieser Organisation liefen wirklich nur merkwürdige Dinge ab.
„Und naja, wie du dir vorstellen kannst, wurden sie nie wieder Freunde. Kelly trägt Alec heute noch die Öffentliche Demütigung nach, die sie wegen ihm erleiden musste. Deshalb sind die beiden nicht gut aufeinander zu sprechen."
Ich blinzelte.
Das war...interessant.
Mehr oder weniger nützte es mir aber genau gar nichts.
„Das hört sich ja schrecklich an."
Meinte ich schnell, als sie gespannt auf meine Reaktion zu warten schien.
"Ja nicht? Und keiner von Beiden konnten glücklich werden, ich glaube sie sind immer noch nicht übereinander hinweg gekommen."
Karina klatschte in die Hände.
„So, das wars mit der Geschichsstunde, ich treffe mich jetzt noch auf einen Cafe."
Ich horchte auf.
„Mit wem denn?"
„Kelly, sie will mir von ihrem Resultat erzählen. Ich sage dir dann, ob sie den Job bekommen hat, ja? Und jetzt muss ich wirklich los. Kiss Kuss meine Süsse."
Sie warf mit einen gehauchten Kuss entgegen und verschwand dann aus dem Bad.
Ich seufzte und zog mich an, als ich fertig geduscht hatte.
Dann begegnete ich Kendra, die schweigend den Gang entlang lief und holte auf.
„Hei."
Sie drehte den Kopf zu mir und lächelte leicht. Auch kein Charmbolzen.
„Hallo Amara. Lebst du dich gut ein?"
Fragte sie und strich die glatten Haare hinter ihr Ohr.
Ich war nicht die Beste oder sensibelste, wenn es darum ging mit anderen Frauen umzugehen und Smalltalk zu halten.
„Ganz gut. Ist eben alles neu."
„Ja. Kann ich mir vorstellen."
Gespräch beendet. Wow, Kendra war ja ein noch grösserer Menschenmuffel als ich.
Während wir den Gang entlang gingen, in Richtung der Lifte, sah ich sie unauffällig von der Seite an.
Dann brach ich das Schweigen.
"Kendra, sag mal, gibt es hier eigentlich auch eine Art Trainingsraum für Frauen?"
Erkundigte ich mich unschuldig und möglichst nebenbei.
Verwirrt sah mich die Angesprochene an verzog die Lippen.
"Nein natürlich nicht, wofür sollten wir denn schon trainieren? Es gibt bloss das Schwimmbad."
Ja, sie hatte wohl noch nie wirklich darüber nachgedacht. Ich schien hier anscheinend die Einzige zu sein, die ein Problem mit der Ganzen Kinderkriegenmasche hatte.
"Ach, nur so."
Ich spielte mit einer Haarsträhne und lief weiter, während ich leise seufzte.
Das würde alles etwas schwieriger machen, denn wirklich stark war ich nicht.
Und Training hätte da wirklich nicht geschadet.
Momentan stand einfach alles gegen mich, schlechte und enttäuschende Aussichten.
Plötzlich hörte ich ein schweres Atmen neben mir und eine zierliche Hand die sich an meine Schulter krallte.
"Karina?"
Fragte ich perplex und etwas attackiert von ihren geweiteten Augen. Wie aus dem Nichts war sie neben mir aufgetaucht.
Sie keuchte erneut und ich verzog das Gesicht, da sie wirklich lange Nägel hatte.
"Das Baby! Es kommt!"
Ihre Stimme war irgendwie ein kleines bisschen hysterisch und mir blieb das Herz fast in der Brust stehen.
Panisch sah ich mich in dem leeren Gang um.
"Was? Jetzt!"
Fragte ich hilflos nach, konnte sie das nicht irgendwie so lange zurück halten bis ich in Sicherheit war? Ich war nun wirklich nicht der Baby Typ. Danach konnte sie gerne loslegen.
Natürlich konnte sie das nicht.
"Ja, jetzt!"
Ziemlich aggressiv, ihre Stimmung hatte abrupt gewechselt, zog sie sich an mir weiter, während sie schmerzhaft stöhnte und ihren einen Arm auf den Bauch gelegt hatte.
"Mist mist mist."
Hilfesuchend blickte ich zu Kendra, die nur die Hände hob und dann seufzend die andere Seite der schwangeren Frau stützte.
Ich sah mich weiter nach Hilfe umum, einige Männer sahen zu uns, aber keiner schien beeindruckt. Als wäre das nicht ihre Sache.
Arschlöcher.
"Amara hilf mir."
Wimmerte Karina, Schweiss stand auf ihrer Stirn.
Ja wie konnte ich bitte helfen, sagen sie sollte pressen?
Mitten auf dem Gang? Und war es denn überhaupt richtig jetzt schon zu pressen?
Hell no.
Ich hatte keine Ahnung wir man ein Kind auf die Welt brachte.
Da kam mir ein Gedanke.
Der Doktor der mich dem Test unterzogen hatte.
Er war zwar schon alt aber er hatte bestimmt schon einige Geburten betreut. Und er war der einzige Arzt, den ich hier kannte.
"Okey, komm mit, nur noch einige Schritte dann sind wir bei einem Doktor."
Dankbar und etwas beruhigt quälte sie sich weiter, sie lief merkwürdig eingeknickt, ich konnte den Schmerz in ihren Augen und in jeder ihren Bewegungen wieder erkennen.
Ich musste mich überwinden nicht einfach zu gehen.
Wieso mussten wir Frauen diese Schmerzen und all die neun Monate des Horrors aushalten! Sie tat mir wirklich leid, sie schien extrem zu leiden.
Die Männer hatten auch ihren Spass aber mussten rein gar nichts sonst dazu beitragen als das was sie auch wollten.
Unfair, die ganze Welt war einfach unfair.
Ich schleppte sie mit mir, ich schwitzte mittlerweile, entweder steckte mich ihre Unruhe an oder ich hatte ein Trauma. Auch Kendra keuchte, während wir die Schwangere durch den Gang schleiften.
Mehrere Male klopfte ich laut an die Türe, sodass meine Knöchel schmerzten, aber wenigstens würde man mich so hören.
Wenig später öffnete sich die Türe und ein verwirrter Doktor mit einer grünen Hube auf dem schütteren Haar sah mich an.
"Sie bekommt ihr Baby."
War alles was ich heraus brachte.
Kurz wanderte sein Blick zu Karina, die sich sofort von mir an ihn klammerte, sodass er das Gewicht abbekam und ich wieder einatmen konnte. Er schwankte und nickte mir dann zu.
"Danke, ich bringe dich rein Karina, alles wird gut."
Sagte er ruhig, er hatte es wirklich gut im
Griff, sie glaubte ihm aufs Wort und nickte, während sie zu ihm aufsah und kurz darauf ein wortloses Weinen von sich gab. „Kendra, hilfst du mir bitte?"
Die Frau neben mir nickte und ging ebenfalls in den Raum.
Karina schrie leise auf und hielt sich den Rücken.
Ich wollte mir die Schmerzen gar nicht vorstellen.
"Okey, gut...ich gehe dann mal.
Viel Glück."
Murmelte ich und machte Anstalten mich umzudrehen, und diesen Schauplatz des neuen Lebens zu verlassen.
"Nicht so schnell Amara! Ich brauche auch deine Hilfe, komm rein."
Der Doc hatte die Lehne des Bettes runter gelassen, dass irgendwie mehr einem OP Tisch glich als einem wirklichen Bett, und half Karina darauf, deren Haare bereits an ihren Schläfen klebten. Kendra hatte sich einen Kittel übergestreift und trug nun eilig Dinge zusammen, die Dimitri ihr auftrug zu holen.
Ich deutete auf mich und wollte abwehren dass es wirklich keine gute Idee war, aber er zog mich einfach rein und stellte mich neben Karina.
"Du musst ihre Hand halten, rede ihr einfach gut zu, okey?"
Der Mann zog sich die Schürze an und weisse Handschuhe, bevor er eine Art Plane über Karinas aufgestützte Beine legte und sich auf einen Stuhl setzte.
Fassungslos starrte ich ihn an und danach langsam meine neue Bekannte, die sich krümmte und mir schön direkt in die Ohren schrie.
Von alleine krallte sie sich meine Hand und ich biss mir auf die Lippe, als sie sie mir fast brach.
"Das machst du sehr gut Karina, atme regelmässig."
Völlig ruhig hantierte der Doktor hinter der Plane während ich hilflos daneben stand und versuchte Karina irgendwie zu beruhigen, während sie sich vor Schmerzen wand. Das war kein schöner Job. Ich war hier doch völlig nutzlos.
Geschlagene zwanzig Minuten, wenn nicht noch mehr, stand ich da ohne dass sich wirklich etwas an ihrem Zustand änderte.
Nur meine Hand war mittlerweile Taub und Karinas Stimme schon halb rau.
Als ich diese Frau ansah, wie sie innerlich halb zerrissen wurde und ihre Augen nur Schmerzen spiegelten, wurde mein Entschluss nur noch fester.
Ich wollte so etwas nicht, ich war weder bereit noch geeignet für so eine Prozedur, wahrscheinlich wäre ich so schlimm wie meine Mutter geendet.
Und das wollte ich meinem Kind nicht antun.
Aber um zu verhindern das ich hier im selben Topf wie sie landete, musste ich diesen Wettbewerb gewinnen. Eine von Zwanzig werden, dann könnte ich dem Schicksal entkommen und endlich das machen was ich wollte. Etwas verändern.
Karina schrie. Und ich hätte am liebsten mit geschrien.
Es roch nach Schweiss in dem Raum und mittlerweile wollte ich mir bei jedem Geräusch das Karina von sich gab die Ohren zuhalten.
"Wo ist Anton!"
Immer wieder jammerte sie es, wenn ich mich nicht völlig irrte war sie mittlerweile in einer Art Trance, so wie ihre Augenlieder ab und zu runter klappten.
Unheimlicher Vorgang.
Dann hatte ich genug davon, hier zu stehen.
Ich kannte sie nicht einmal, und immer wieder sah ich meine Mutter, wenn ich sie anblickte.
Ich konnte nichts dagegen tun, ihr Gesicht verschwamm mit dem des Ihren, sodass ich fast verrückt spielte, so sehr hämmerte der Gedanke an sie in meinem Kopf. Ich musste hier einfach raus. Raus aus diesem Raum. Irgendwas stimmte nicht. Das war nicht meine Mom. Nur wieso sah sie so aus?
„Wo ist Anton."
Hauchte sie kraftlos und ich sah sie so real vor mir, dass ich schauderte.
"Ich hole Anton! Okey ich hole ihn dir!"
Mit grossen Hoffnungsvollen Augen sah mich meine Mutter an.
Wieso erkannte sie nicht dass ich es war? Ihre Tochter? Wieso verlangte sie nach Anton, wenn ich doch da war.
Dann klärte sich das Bild, und es war wieder Karina die mich anstarrte. Ich blinzelte einige Male, dann erst verstand ich, dass ich mir das eingebildet hatte.
Ich musste hier raus. Meine Hände zitterten, als ich sie zu mir zog.
Ich drehte mich ohne ein weiteres Wort um und rannte aus dem Raum, meine Schritte waren unnatürlich laut in meinen Ohren, was auch immer gerade mit mir los war, ich konnte nicht klar denken und das machte mir noch mehr Angst.
Die Türe hinter mir knallte zu.
Vielleicht war es aber auch irgendetwas anderes, ich wusste es nicht.
Beinahe einem Läufer Konkurrenz machend, raste ich zum Lift und drückte wie eine Wilde immer wieder auf den Knopf, während der Lift irgendwo unten gemächlich hoch fuhr.
Ein Mann, so Mitte Dreissig trat neben mich, seine
karte in der Hand und eine Braue gehoben.
Ich interessierte mich nicht für den fragenden Blick oder wie behämmert ich gerade aussehen musste, ein Teil in mir wollte diesen verdammten Anton holen damit ich da nicht mehr zurück musste, ein Anderer wollte nur seinen Kopf an die Wand schlagen, damit das Bild meiner Mutter verschwand.
Als sich die Türen endlich öffneten stürzte ich rein,eine Angst vor diesem Engen Raum bemerkte ich gar nicht, es war nur eine weitere kleine Facette, die mein Gehirn zum Kochen brachte.
"Alles in Ordnung bei Ihnen Miss?"
Fragte der Mann, doch ich starrte nur seinen Finger an und betete dass er auf die Männer Etage fuhr, da kam ich nämlich nicht alleine hin.
Die Frage ging irgendwo in den Bildern in meinem Kopf unter, die ich noch nie gesehen hatte.
Sein Finger drückte auf die richtige Etage, mein Herz schien mich noch immer in Fetzen zu reissen, etwas stimmte gerade gewaltig nicht mit mir.
Was war nur los? Da war dieses Gefühl der Panik, das mich nicht mehr aus seinen eisigen Fingern entkommen lassen wollte.
Wir fuhren runter und kaum hatte sich die Türe geöffnet, rammte ich den Mann zur Seite und raste in den Gang, wo mich einige Männer komisch anstarrten, während der andere mir hinterherrief dass ich mich hier nicht aufhalten sollte.
Ein dumpfes Geräusch war in meinen Ohren zu hören.
Es pochte als wäre da noch ein Herzschlag, aber in meinem Kopf, als würde es mich verfolgen.
Ich stürzte zu der erstbesten Türe.
Verschlossen.
Ich hastete weiter, meine rote Hand tastete sich die Klinken entlang, bis eine aufging.
Ich stolperte in den Raum, keine Ahnung wie psychisch gestört und panisch ich gerade aussehen musste.
Ziemlich wahrscheinlich.
Denn die Männer die da sassen, Karten
Spielten oder ihre Uniformen falteten, hoben den Kopf und sahen mich alle an.
Ich brauchte zuerst einen kleinen Moment, bevor ich es schaffte, den Gedanken aus dem
Gewirr in meinem
Kopf zu fischen, wieso ich nochmals hier war.
Dann atmete ich noch in demselben Zug aus, indem ich endlich die Frage raus brachte.
"Heisst hier irgendwer Anton?"

Sternchen, ich habe noch so vieles mit dieser Geschichte vor das glaubt ihr mir gar nicht, aber auf jeden Fall wird es keine null acht fünfzehn Story, sondern etwas Besonderes, vielleicht auch eine von der ihr (hoffentlich xD) noch nie gehört habt.^^
Wenn ihr Theorien habt was mit Amara los sein
Könnte, ab in die Kommis damit!
Viel Spass beim weiter lesen
Wünscht
Tala

Poisoned Kiss *beendet* Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt