Kapitel 8 {Abendessen}

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Etwas nervös nestelte ich an meinem Outfit herum, das lange Kleid verhedderte sich immer wieder um meine hohen Schuhe, diese schmerzten höllisch und ich fragte mich wieso ich nicht einfach so rum laufen konnte wie die Männer. Deren Füsse starben nicht gleich ab nach fünf Minuten vor dem Spiegel stehen. Sie mussten sich sowas nicht antun, also wieso wir?
Gerade erklärte mir Kelly ganz hilfsbereit wieso.
"Weisst du, das ist eben einfach unsere Rolle in der Gesellschaft. Es ist schön, das zu tun. Es gefällt uns und wir wollen schön sein. Und ausserdem steht dir das dunkle Kleid hervorragend."
Sie wies auf die langen weichen Fäden die an dem Kleid hinunter hingen. Ich kam mir vor wie ein Teppich. Aber ja, jedem das Seine. Wenigstens hatte ich meine Haare offen lassen können.
Nicht sehr elegant bewegte ich mich im Zimmer umher.
„Kann ich die nicht lieber ausziehen?"
Brummte ich und deutete auf meine Füsse.
„Nein, auf keinen Fall! Du willst doch einen guten ersten Eindruck machen!"
Empörte sich Kelly mit verschränkten Armen. Ihr stand der kurze schwarze Rock und der aufgeplusterte Pulli hervorragend. Und sie bewegte sich auf diesen Halsbrecherischen Schuhen, als wäre sie darin geboren worden.
Na gut, was solls.

Es war nur ein Abendessen, eines von vielen wenn ich eine Weile hier blieb. Aber dennoch war ich nervös und meine Hände zitterten.
Nicht so wie wenn man das erste Mal eine neue Schule betrat, sondern eher so wenn man jeder Zeit kn die Luft gesprengt werden konnte. Aber daran musste ich mich wohl vorübergehend gewöhnen.
Kelly hatte noch eine andere junge Frau angeschleppt, sie hiess Kiara und war sehr freundlich gewesen, sie hatten sich etwas unterhalten.
Ich hatte erfahren dass sie nicht oft in ihrem Zimmer war, sondern meistens bei ihrem Mann übernachtete, der eine grössere "Wohnung" hatte als wir hier oben.
Kichernd hatte sie uns im Geheimen erzählt, dass sie ab und zu seine Schlüsselkarte klaute und so ins Training gehen konnte. Sie sagte das täte ihrem Bauch nach der Geburt ihres ersten Kindes gut und sie und Kelly unterhielten sich dann über Sport den Frauen hier drinnen neben Joggen erledigen konnten. Herrje, sie war kaum älter als ich und war schob Mutter?
Dann dachte ich erneut nach. Die Schlüsselkarte eines Mannes klauen, dessen Vertrauen man genoss. So war es gut möglich hier raus zu kommen. Denn nur die Karten der Männer konnten mir den Weg in die Freiheit ebnen.
Unschuldig und mit dem Bonus der Neuen hatte ich sie gefragt wie sie einander dann gefunden hatten.
Sie erzählte mir dass sie ihm zu Anfangs zugeteilt worden war, weil sie und er von den Ergebnissen her gut zusammen passten. Allerdings hätte das ganz und gar nicht geklappt. Aber nach ganz viel Wut und Versöhnungs-Sex hatten sie sich lieben gelernt und jetzt waren sie das glücklichste Paar auf der Welt.
Ja, so weit wollte ich für eine Schlüsselkarte dann lieber doch nicht gehen.
Vielleicht konnte ich mich ja mit Alec soweit gut stellen dass er mir seine lieh. Er kam mir nicht wie eine Petze vor. Und man musste ja keinen Mann Verführen, damit er einem vertraute. Hoffte ich zumindest.
Aber ich war auch keine Schleimerin, dafür war ich viel zu stolz. Aber vielleicht war es jetzt einfach nötig, dass ich Alec Honig um die Lippen schmiert. Als Frau war es mir nämlich ohnehin nicht gewährt, so weit aufsteigen, dass ich selbst so eine Karte bekommen konnte.
Kiara war nach dem kurzen aber herzlichen Gespräch wieder gegangen, sie und ihr Mann gingen gemeinsam Essen.
Es war schön zu wissen dass es Jemanden gab der mit einem alles durchstand und der einem mit Liebe versorgte. Ich hatte das nie gehabt.
Und ein klein wenig sehnte ich mich danach.
Aber Niemals auf diesen Weg wie Kiara dazu gekommen war. Konnte sie überhaupt wissen, dass es Liebe war? Vielleicht hatte sie sich auch einfach nur an den Fremden in ihrem Bett gewöhnt, weil ihr nichts anderes übrig geblieben war.
"Ready to go?"
Kelly hielt die Tür offen und sah wie immer gut gelaunt aus.
"Es ist nur ein Abendessen, sowas ist doch toll. Und du lernst so neue Leute kennen."
Fügte sie hinzu als sie bemerkte, dass ich mich nicht bewegte.
Ich war nicht so der Kennenlerntyp, ich war Einzelgängerin, so hatte ich immer überlebt und so war ich zufrieden. So halbwegs.
"Ist ja gut, ich komme ja."
Murmelte ich und bemerkte, dass wir die Letzten auf dem Gang waren.
Wir fuhren mit dem Lift nach unten in den ersten Stock und betraten den Speisesaal, wo ich etwas langsamer wurde.
Denn die Leute kamen nun mit Tellern beladen und laut schwatzend zum Teil raus und verteilten sich.
Die Frauen hatten alle Kleider an, die Männer trugen alles eher locker und hatten sich nicht so aufgebretzelt.
Unfair. War mein erster Gedanke.
Danach. Nicht auffallen.
"Na los komm schon, du kannst mit mir sitzen dann lernst du meine Freunde kennen."
Grinsend zog sie mich einfach mit.
Ich stolperte einige Male, diese Schuhe waren wirklich unpraktisch und ziemlich instabil.
Blöder Schrott. Was brachte es den Männern jetzt wenn ich auf Zehenspitzen lief oder auf meinen bequemeren Fußsohlen.
Das wollte einfach nicht recht in meinen Kopf.
"Beweg dich jetzt verdammt noch mal hier her."
Schnauzte sie mich an.
Leise aber drohend dass sie noch lauter werden würde. Und dann war es das gewesen mit meiner Unauffälligkeit.
"Na gut, aber sei still."
Schnell eilte ich klickernd und klackernd zu ihr und betrat neben ihr den Saal.
Es verschlug mir beinahe die Sprache.
Zuerst musste ich jemandem meine Karte zeigen, er scannte sie und der Scanner wurde grün.
Dann trat ich hinter Kelly in den Essenssaal.
Er war randvoll mit grossen Tischen, alle standen in gleichem Abstand parallel zueinander, schwarze Tische die selbst unter all den Tellern poliert glänzten.
Die Menschen sassen in Massen dort, wenn ich dachte es seien hundert, lag ich weit daneben.
Es waren mehrere...und ich wusste nicht mit wie vielen Nullen ich die Zahl versehen sollte.
"Wow."
Murmelte ich.
Der Saal war hoch, von der Decke hingen Kronleuchter weit hinunter die mich an die Barockzeit erinnerten.
Ihre Glaskristalle verteilten das Licht von den künstlichen Fenstern zwischen den vielen Menschen und es sah aus als würde die Sonne scheinen.
Obwohl es Abend war.
Das Buffet vorne war so lange wie die kürzere Seite des ganzen Saals.
Zuvorderst war ein einzelner Tisch, vor dem Buffet als wäre es der Lehrer Pult in einer Klasse.
Dort sassen Michael und seine zwei Berater.
Marco musterte zufrieden die Frauen die sich angeregt mit den Männern unterhielten, völlig durchmischt und in super Stimmung.
Malthael schwieg und beobachtete die Menge, ab und zu blieb sein Blick bei einer einzelnen Person hängen. Man konnte nicht erkennen wieso, er ass langsam und bedacht. Dieser Mann war mir irgendwie unheimlich.
Michael sass in der Mitte, den Blick hatte er stechend auf die Leute gerichtet. Wo immer er hinsah wurde es ruhig. Blicke wurden gesenkt oder es wurde geflüstert. Viele der Frauen huschten ab und zu mit ihren Blicken zu ihm, genau wie zu Marco, doch Michael ignorierte es. Oder er nahm es gar nicht wahr. Keine Ahnung.
Er hatte etwas eisiges an sich. Unnahbares und grausames. Und das machte ihn unglaublich spannend.
Selbst für mich. Das musste ich zugeben.
Ich wandte den Blick ab.
Noch würde ich mich nicht mit ihnen anlegen.
Mein Blick schweifte über die weissen sauberen Wände, danach auf das köstliche Essen dass in allen Farben glänzte und auf silbernen Platten lag. Es dampfte heiss und kostete wirklich verlockend. Mit lief das Wasser schon im Munde zusammen.
Es war laut im Saal, die Gespräche vereinten sich in der Luft und füllten jeden Zentimenter meines Kopfes. So viele Stimmen auf einmal, so viele ausgesprochene Gedanken.
Das Schaben der Gabeln auf dem Teller quietschte ab und zu, und manchmal lachte Jemand laut auf.
Es war ausgelassen und niemand schien sich Gedanken über irgendwas zu machen.
Als wäre dies die Zone, wo alles normal war. Wo die Menschen nicht mehr waren als normale Menschen.
Es war heiss im Saal, daran lag aber nicht nur das Dampfende Essen dass seine Wärme nach Aussen angab, sondern auch die vielen Menschen.
Für mich zu viele.
Ich folgte Kelly durch die Menge ans Buffet und schöpfte mir mit sauberen Besteck köstliches Essen auf den Teller. So viel ich wollte. Es war wie im Himmel.
Der Dampf liess mein Gesicht brennen doch ich ignorierte es, während ich, den heissen Teller in meinen Händen balancierend, Kelly durch die Reihen folgte.
Ab und zu streifte ich einen Körper und zuckte zusammen. Ich stand nicht so auf Körperkontakt.
Das Essen roch so köstlich, mein Magen knurrte und es war ein Wunder dass der Rest der Anwesenden das nicht mitbekam.
Es fühlte sich gut an.
So viele Menschen war ich mir zwar nicht gewohnt und es war einschüchternd, aber dennoch hatte es auch etwas davon, dazu zu gehören.
Nicht alleine zu sein.
Als ich meinen Teller auf einem Tischteil abstellte und mich hin setzte, gegenüber von Kelly die bereits alle fünf Leute am Tisch begrüsste, bemerkte ich dass Alec direkt neben mir sass.
Etwas erleichtert dass er da war, sah ich zu ihm.
"Na? Auch hier?"
Grinsend rutschte er etwas zur Seite, sodass ich mich neben ihn auf die lange Bank zwängen konnte, die ebenfalls ordentlich ihren Platz im Saal hatte und deshalb nicht verschoben werden konnte.
Kelly strahlte mich an, während ich versuchte mir einen Überblick über die Köpfe hinter und vor mir zu verschaffen.
Schliesslich schaffte ich es alles andere auszublenden und in die Runde von Gesichtern zu sehen, auf die Kelly wies.
"Leute, das ist Amara, sie ist auch eine von uns."
Feierlich deutete sie auf mich und ich blieb gerade sitzen auch wenn ich gerne zurück gesunken wäre.
"Hi."
Murmelte ich.
Eine junge Frau mit Blonden kurzen Haaren, die ihr wirklich gut standen, starrte mich fassungslos an.
"A-Mara?"
Die Frage war an Kelly gerichtet.
Sie seufzte.
"Ja Kora, sie wurde nicht so auserwählt wir. Sie kam eher durch Zufall hier her. Aber den Test hat sie trotzdem bestanden."
Fröhlich sah sie zu mir.
"Das ist Kora. Bei ihr muss immer alles perfekt laufen und ordnungsvoll sein."
Die junge Frau lächelte mir nun gut gelaunt zu.
Der Mann neben ihr legte ihr den Arm um die Schulter und zwinkerte mir zu.
Er hatte braune Haare und sehr intelligente braune Augen, er sah aus wie ein Teddy den es in der Intelligenten Art gab.
"Ihr Freund Andrew."
Der Junge wies auf sich selbst und grinste breit.
Leicht nickte ich.
Dann kam die Asiatin von heute Morgen dazu. Ihr Blick war eher steif und kokett als sie mich ansah.
"Kendra kennst du ja schon, achte nicht auf ihren Blick. Der ist ihre Spezialität. Und es regt sie noch immer auf, dass er auf Michael keinen Einfluss hat."
Bei dem Namen horchte ich auf.
"Kelly!"
Zischte die schwarzhaarige und ihre langen geraden Haare wippten vor und zurück.
"Ist doch so."
Kelly zwinkerte mir zu.
"Sie hat keine Chance an ihn heran zu kommen, aber heiss findet sie ihn dennoch."
Die Asiatin wurde rosa und zerknüllte ihre Serviette, während sie kurz zu Alec linste, der ihren Blick aber nicht bemerkte weil er  mich angrinste und danach weiter ass.
„Aber alle von uns finden ihn gutaussehend, sorry Schatz." grinste Kiara ihren Mann an, der nur die Schultern zuckte.
„Schon okey. Ich würde dir mit ihm auch fremd gehen", grinste er provokant und kassierte von seiner Freundin einen Klaps auf die Schulter.
Kelly schüttelte nur den Kopf.
„Okei, weiter gehts."
Sie wies auf den Nächsten.
"Ash ist unser kleiner Superstar, er hackt alles was auf dieser Erde existiert."
Stolz reckte der Besagte die Brust und reichte mir die Hand, die langen Haare lugten nur knapp unter der Mütze hervor die er trug.
Ein dreitage Bart machte sich bemerkbar.
"Sehr erfreut Amara."
Eifrig schüttelte er sie und ich musste leicht lächeln.
So freundlich war ich noch nie zu einer Gruppe dazu gekommen. Die Gangs die ich kannte hatten da ihre ganz eigenen Regeln.
"Alec kennst du ja schln."
Murmelte Kelly und war auf einmal etwas distanziert.
Alec schwieg und ass weiter, das dunkle Haar fiel über seine grünen Augen und seine Wimpern verbargen seinen Blick vor mir.
Doch es war offensichtlich, dass die Beiden nicht gerne miteinander redeten.
Also nahm ich schnell einige Bissen, weil mein Mund zu viel Speichel dafür produzierte so lecker war es.
Das Beste was ich je gegessen hatte, ich hatte das Gefühl zu schweben.
"Das is. So. Verdammt. Gut."
Mampfte ich zwischen zwei Bissen und sah in die Runde. Ich erntete mehr oder weniger amüsierte Blicke.
So ging es weiter. die kleine Gruppe redete und amüsiere sich gut, ich hörte zu und ab und zu lachte ich mit, wenn Alec mich etwas damit aufzog, dass ich so schüchtern war. Was ja eigentlich nicht stimmte. Ich musste mich nur an Menschen gewöhnen. Es war ein gutes Gefühl, sich mit ihm zu unterhalten. Er behandelte mich wie einen ganz normalen Menschen. Und dazu gefiel mir sein Lachen. Es war so ehrlich.
Dann irgendwann wurde es plötzlich etwas ruhiger, und die Gespräche wurden auf ein Minimum
Reduziert.
Verwirrt, dass sogar Kelly schwieg, drehte ich mich um, um dem Blick von allen anderen zu folgen.
Er traf genau auf schwarze Augen.
Eisig kalte und unglaublich verschlossene Augen.

Eure Meinung zu den Personen der kleinen Gruppe ist gefragt! Ich hoffe es gefällt euch und ihr findet den Anfang nicht langweilig :3
Love
Tala

Poisoned Kiss *beendet* Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt