¥ Chapter 55: Die Flucht ¥

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{{ Wir haben nur fünfzehn Minuten, um von hier zu verschwinden. }}

Ich sprintete in mein Zimmer zurück.
Mein Blick wechselte von geradeaus nach hinten und von hinten nach geradeaus. Ich war mir nicht ganz sicher was Artur jetzt plante, denn er konnte mich doch nicht einfach so gehen lassen, oder? Immerhin hatte ich keine seiner Fragen wirklich beantwortet. Auf dem Weg in mein Zimmer, begegneten mir zum ersten Mal seitdem ich hier war, an jeder Ecke Männer. Sie beobachteten mich, als wäre ich eine Sensation, sie tuschelten als wäre ich irgendein Opfer und machten auffällig für mich Platz, wenn ich an ihnen vorbei musste. Toll, gerade jetzt wo ich am Ende war und nicht richtig laufen konnte waren sie alle hier versammelt...
Ich versuchte meine angeschwollene Wange mit den Haaren und der Hand so unauffällig wie möglich zu verdecken und mich innerlich von deren Gerede abzuschotten. Ich konnte es einfach nicht ertragen. Doch da ich leider keine Ahnung hatte wie weit die Verletzung zu sehen war, wusste ich nicht, ob ich sie vollständig verdeckte, aber mit den wenigen Wortfitzelchen die ich aufschnappte, wusste ich dass sie sie schon längst gesehen hatten.
,, ...-Bestimmt...war Artur...wütend... Alex auf der Krankenstation." Als ich das hörte wollte ich nur noch schneller von hier fort. Das wurde mir alles zu viel und ich merkte schon, dass ich nicht nur körperlich sondern auch seelisch absolut down war. Aber dann fiel mir Conor ein, der schon morgen kommen wollte. Ich würde aus diesem Höllenloch herauskommen, ermutigte ich mich. Ich würde wieder zu meiner Familie können, zu meinem alten Leben und hätte einen neuen tollen Freund an meiner Seite, bei dem ich wusste, dass die Freundschaft auf ewig halten würde. Dafür hatten Alex und ich hier zu viel erlebt, als das wir uns hiernach aus dem Weg gehen würden.
Aber mein Leben würde niemals wieder normal sein.
Ich würde in ständiger Angst leben, da ich nie wissen würde, ob Artur nach mir suchen würde oder nicht und noch hatte ich keine Ahnung wie es Hal ging, denn eines war klar. Sollte sein Schicksal böse enden, würde es meines auch, dass war garantiert.
Aber von diesen Gedanken hielt ich mich erst fern und wischte sie fix fort. Damit konnte ich mich beschäftigen wenn ich hier raus war. Ich fuhr mit dem Fahrstuhl runter und machte mich in Gedanken versunken auf den Weg in mein Zimmer.
Was sollte ich jetzt bloß tun? Verzweifelt fing ich an, meine Nägeln zu kauen. Und wo war wohl Alex gerade? Als ich die Tür zu meinem Zimmer öffnete, erwartete mich die Antwort.
Alex saß auf meinem Bett!
,,Alex!" Als ich erkannte, dass er vollkommen unversehrt war,
brach ich vor Erleichterung wieder in Tränen aus und stürmte in seine Arme. Anders konnte ich meine Gefühle auch garnicht zum Ausdruck bringen.
,,Ma-Macy was ist mit deiner Wange?" Alex war aufgesprungen und löste sich gleich wieder von mir, nachdem ich ihm weinend in die Arme gefallen war. Er musterte meine Wange genau und riss vor Entsetzten die Augen weit auf.
,,SO EIN ARSCHLOCH! Was hat er getan?" Schrie er und rückte meinen Kopf in Richtung Licht der Kerzen, um meine Verletzung besser sehen zu können.
,,Ist nicht so wichtig." Versuchte ich so unbeschwert wie möglich zu sagen, aber die Wange schmerzte wirklich bei jeder Bewegung.
,,Ach Quatsch! Setzt dich hin. Ich hole etwas Schmerzsalbe."
Alex verschwand aus der Tür und ich nutzte die Gelegenheit um mir das anzusehen, was Artur angerichtet hatte und erschrak sofort. Scheiße...
Die Wange war nicht nur angeschwollen, sie war sogar schon lila angelaufen! Die Schwellung hörte kurz unter meinem linken Auge auf und verlief über die ganze Wange, ich sah aus wie ein fetter lila Hamster.
,,Macy?" Alex klopfte gegen die Badezimmertür.
,,Ja komm rein." Seufzend lehnte ich mich gegen das Waschbecken. Während Alex mir behutsam die Salbe auftrug, nahm ich die Gelegenheit um ihm von Artur zu erzählen, und dass er über so ziemlich alles bescheid wüsste und uns jetzt wahrscheinlich genauestens beobachten ließ.
,,Verfluchter Mist, ich hätte es wissen müssen! Wegen mir wurde deine Wange so zugerichtet." Er ließ den Kopf hängen und stützte sich neben mich am Waschbecken ab.
,,Hör auf damit Alex! Nichts hiervon ist deine Schuld ok? Wenn, dann überhaupt ist es meine, denn ich hatte doch diese Schnapsidee und jetzt hat dein Vater dich auf dem Kicker..."
,,Das hatte er doch schon immer." Während Alex in Gedanken abdriftete, zermarterte ich mir den Kopf ob ich ihn mit den Drohungen und das Wissen seines Vaters darum, dass er schwul war, konfrontieren sollte.
,,Hey, ähm, Alex?" Ich hatte beschlossen es ihm zu sagen, er hatte ein Recht immerhin ein Recht darauf es zu erfahren.
,,Was ist denn Macy?" Er stand ganz dicht vor mir und überragte mich um einen halben Kopf. Mir blieben kurz die Worte im Halse stecken, denn seine schimmernden interessierten Augen erinnerten mich wieder so sehr an Hal, dass ich mich kurz in ihnen verlor.
,,Also-" Ich ertrug die Trauer die mich überkam nicht mehr und sah zu Boden.
,,Dein Vater weiß-, also, er weiß, dass du schwul bist." Als lange Zeit nichts von seiner Seite her kam, sah ich auf und erblickte einen stocksteifen Alex der mit der Salbe in seiner Hand spielte.
,,Weißt du, ich glaube, dass ich tief im Inneren immer gewusst habe, dass er bescheid weiß. Aber das Problem an der ganzen Sache ist, dass ich nicht mal wirklich weiß-" Er beendete den Satz nicht und ich sah sein schmerzverzerrtes Gesicht. Sanft berührte ich seine Schulter und quetschte mich in sein Blickfeld.
,,Was ist los, Alex? Was weißt du nicht wirklich?" Doch statt einer Antwort schüttelte er nur den Kopf und wandte sich ab und ging sogar aus dem Bad. Als ich ihm verwirrt hinterging, führte unser Weg in sein Zimmer, dass genauso leer und karg ausfiel wie meines.
,,Sag mal bist du eigentlich erfolgreich gewesen, oder ist alles umsonst gewesen?" Fragte er plötzlich kalt und geschäftlich. Was sollte das denn jetzt?
,,Äh, um ehrlich zu sein, habe ich etwas gefunden, oder eher gesagt, das Foto gefunden.", Ich beobachtete ihn genau während ich das sagte, doch seine Miene blieb undurchschaubar.
,,Und... Ich kenne die Person auf dem Bild, Alex." Das war der Moment in dem Alex sich endlich wieder normal verhielt und mich ansah. Voller Glückseligkeit, dass er mich wieder beachtete lächelte in mich hinein.
,,Wie du kennst diese Person?" Ich konnte ihm deutlich ansehen wie verwirrt und er war war, aber das war ich auch. Wenn nicht sogar etwas mehr. Denn, ich kannte die Person sogar sehr gut.
Und das Artur ein Bild von ihr in seinem Schreibtisch hatte, versetzte mir einen derben Stich im Herzen. Wieso das ganze? Wieso spielte man so mit uns, als wären wir blöde Schachfiguren?
Ich fühlte in meiner Hosentasche nach dem Foto und stellte erleichtert fest, dass es sich noch dort befand wo ich es reingesteckt hatte. Das Foto wegen dem wir so viel riskiert hatten.
Mit dem Gefühl von Ehrfurcht zog ich es hinaus und reichte es Alex.
,,Das ist es." Als ich merkte wie meine Augen wieder feucht wurden, als ich die Person erblickte, wandte ich mich ab und rannte in mein Zimmer zurück, denn ich wusste Alex würde mir Fragen stellen. Fragen, auf die ich keine Antwort hatte, und Fragen, die mich brechen würden. Schlagartig wurde mir klar, dass es hier um mehr ging als nur ein Foto, es ging um viel mehr als nur Alex und mich, die in diese ganze Sache mit hineingezogen wurden. Es ging wohl bei dem Geheimnis auch um sein Leben, ansonsten konnte ich mir die Geheimniskrämerei nicht erklären.

Badboy Next DoorWhere stories live. Discover now