¥ Chaotet 47: Schubladendenken ¥

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{{ Es ist unhöflich Leute anzustarren. }}

Als ich am nächsten Tag aufwachte, hatte ich geglaubt, dass das alles nur ein Traum gewesen war. Nur ein Albtraum, doch nachdem ich mich in dem Zimmer umgesehen hatte, wusste ich das es nicht nur ein schlechter Traum war, sondern das Gestern, alles wirklich geschehen ist. Ich seufzte und gab den Gedanken vorerst auf, denn jetzt musste ich mir überlegen was ich als nächstes tun wollte. Denn rumgammeln und hoffen, dass von allein etwas kam würde ich ganz bestimmt nicht. Da es hier drin nirgends eine Uhr gab, schaltete ich den Fernseher ein und machte die Uhrzeit am Fernsehprogrammtext aus.
9:15 Uhr.
Müssten die nicht alle schon längst wach sein?
Ich horchte in die Luft, aber ich konnte weder dröhnendes Männergelächter ausmachen, noch irgendwelches Getrampel. Es herrschte einfach Stille. Ich stand auf und wollte gerade ins Bad schlurfen, als ich eine Zahnbürste, eine Tube Zahnpasta und frische Unterwäsche direkt neben meinem Kissen entdeckte. Ich lief darauf zu und kontrollierte die Größen. Eigenartig. 80 C Körbchen.
Das war die richtige Größe. Mir wurde ganz heiß als ich mich selbst fragte, wer mir das hier hingelegt hatte und bekam ein flaues Gefühl im Magen. Voll peinlich, ein Mann hatte mir Unterwäsche rausgelegt...
Ich würde Alex danach ausquetschen, wenn er dann mal nach mir sehen würde, aber erstmal musste ich mich auffrischen.
Nachdem ich mich etwas wohler fühlte und die nagelneue Unterwäsche unter das Schlafkleid gezogen hatte, verkroch ich mich ins Bett zurück und dachte nach. Es musste doch eine Möglichkeit geben von hier zu fliehen und zu meiner Familie und Hal zurückzukehren. Aber mir wollte einfach keine Lösung einfallen. Ein energisches Klopfen riss mich aus den Gedanken und ließ mich hochfahren.
,,Frühstück." Alex trat ein und in der Hand hielt er ein vollbeladenes Tablett mit allerlei Köstlichkeiten. Doch etwas das mir viel mehr Aufmerksamkeit abverlangte, war das etwas anders war als gestern. Ich musterte ihn genauestens, seine dunkelblonden Haare, die noch etwas nass an den Spitzen waren- vermutlich vom duschen-, diese unfassbar großen Muskeln an Armen und Schultern und die grauen Augen. Er sah aus wie gestern, -abgesehen von den Klamotten, die nun aus einer dunklen Chinohose und einem schwarzen Rollkragenpullover bestanden- und doch irgendwie verändert.
,,Hat dir noch niemand gesagt, dass es unhöflich ist Leute anzustarren?" Fragte er ungerührt und ich mich errötete. Natürlich tat ich das. Betreten sah ich zur Wand und tat als wäre sie total interessant.
,,Mein Vater erwartet dich." Etwas verhaltenes in seiner Stimme brachte mich dazu wieder aufzusehen. Was war verdammt nochmal anders? Und warum wollte mich Artur sehen? Schon bei dem reinen Gedanken fingen mir die Knie an zu schlottern.
,,Bist heute wohl nicht so gesprächig, wie?" Der Hohn schlug mir direkt in die Magengrube. Ich zuckte nur die Schultern. Ich würde mir nichts anmerken lassen, und ich würde auch nur mit den Menschen hier reden, wenn es nötig war.
,,Sieh-" Alex machte einen gefährlichen Stritt auf mich zu.
,,mich an-" Mein Herz pochte wild.
,,wenn ich mit dir rede." Und dann wurde mein Kinn gewaltsam herumgerissen, sodass ich ihm in die Augen sehen musste.
Ich schluckte, aber trotzig hielt ich seinem Blick stand. Komischerweise war dieser weder kalt, noch neutral oder ausdruckslos oder wütend. Sondern einfach nur anmaßend. Anders als wie bei Hal.
,,Nenn mir einen Grund warum ich das sollte? Gibt es dort etwas besonderes zu sehen? Also ich kann nichts erkennen." Mit aller Kraft entriss ich ihm mein Kinn, stand auf und stellte mich ihm genau unter die Nase. Verdutzt schaute er auf mich runter, bis er nach kürzester Zeit seine Sprache wiederfand.
,,Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, ich bin der Einzige- hörst du, der Einzige der hier auf deiner Seite ist. Also solltest du dir wirklich nochmal überlegen, ob du dir das mit mir verscherzten willst." Das saß. Ich brauchte garnicht lange zum überlegen und schüttelte schuldbewusst den Kopf. Ich murmelte widerwillig eine Entschuldigung. Er war also auf meiner Seite, aber welche war die andere?
,,Iss und in fünfzehn Minuten werde ich wieder kommen und dich zu meinem Vater bringen." Er wandte sich schon zum gehen, als er doch nochmal inne hielt.
,,Und du solltest dir etwas ordentliches anziehen, wir wollen doch nicht, dass dir noch etwas zustößt, bevor du bei meinem Vater ankommst. Die Kleidung liegt im Bad." Ich war so perplex und verblüfft von der Ruppigkeit in seiner Stimme, obwohl er doch auf meiner Seite stand. Aber vielleicht war er einfach so. Er wurde so erzogen. Doch zur Krönung wurde ich auch noch puterrot, wegen der dreisten Anspielung auf mein weißes durchscheinendes Kleid. Wie konnte ich so dumm sein! Schon das zweiten Mal das mir das passierte. Er sollte bloss nicht glauben das das mit Absicht war. Ich wünschte es würde sich ein Loch im Boden auftun, damit ich darin versinken konnte.
,,Warte!" Rief ich Alex hinterher, nachdem ich mich wieder von dem Schock erholt hatte. Er drehte sich nicht um, aber hielt mitten in seiner Bewegung inne. Sollte ich die Frage jetzt doch wirklich stellen? Sie kam mir jetzt doch nicht mehr so berechtigt vor.
,,Hast du- hast du mir die Kleidung gegeben?" Ich sah wie sein Arm um den Türknauf zuckte, bevor er schnellen Schrittes den stickigen Raum verließ und die Tür hinter sich ins Schloss zog, ohne mir zu antworten und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen; Er wirkte entspannter und jüngerer als gestern. Heute hatte er sich für mich, wie ein Junge seines Alters benommen. Er hatte mir gerade einen Grund geliefert, warum ich aufhören sollte in Schubladen zu denken. Er war dreist und frech, und das erinnerte mich schmerzlich und viel zu sehr an Hal. Aber vielleicht war das auch der Grund warum ich Alex eigentlich ziemlich gut leiden konnte.

Badboy Next DoorWhere stories live. Discover now