¥ Chapter 35: Befreiung ¥

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{{ Ein gebrochenes Herz }}

Wenige Tage waren nötig damit es Nick um einiges besser ging, wie ich in dem einzigen Telefonat mit ihm seit dem Krankenhausbesuch erfuhr.
Seit diesem Vorfall war ich ihm nämlich aus dem Weg gegangen. Ich hatte eine Pause von dem ganzen Drama zwischen ihn und Hal benötigt. Doch jetzt wollte ich die ganze Sache endlich aus der Welt schaffen und für Frieden sorgen. Dafür fehlte nur noch die Aussprache mit Hal der seit der Prügelei nicht in der Schule erschienen war. Zudem wollte ich mit ihm proben. Schließlich wäre übermorgen die Aufführung und ich wollte genauso wie er eine gute Note, Streit hin oder her.
Meine Gedanken schweiften kurz zu Conor und Anna die mich heute in der Schule beide versucht hatten mit ihren Blicken zu erdolchen. Anna benahm sich mir gegenüber schon seit der Prügelei unterkühlt, doch beide waren mir auf Nachfrage ausgewichen und hatten sogar unbekümmert mit den Schultern gezuckt. Also nicht mal auf Anna konnte ich jetzt bauen. Ich hätte gerne jemanden gehabt mit dem ich sprechen konnte, über Dinge die mich beschäftigten, erdrückten und depressiv stimmten, denn langsam hatte ich das Gefühl abzugleiten, und zwar auf einen Pfad von dem ich mich nicht mehr allein herausziehen konnte. Aber vielleicht verdiente ich all das ja auch. Ich mein ich musste ja schließlich etwas getan haben, wenn sie mich so behandelten. Vielleicht war das einfach mein Karma für all die Dinge die ich Nick antat, aber auch für Hal den ich mit leeren Worten hinhielt. Und das Karma hatte ganze Arbeit geleistet, denn neben der Gerüchteküche die in der East-High nun sein Finale feierte, hatte ich nicht mal mehr jemanden an meiner Seite der mir sagte, dass ich mich nicht drum scheren sollte, der mir Mut machte. Aber ich blieb stark. Ich schaffte das auch allein. Natürlich log ich mir dabei nur etwas vor. Seufzend nahm ich mir mein Handy zur Hand und suchte nach einer ganz bestimmten Nummer und begann mit zitternden Händen sie zu wählen.
Hey Hal —
War ich noch ganz bei Trost? Ganz bestimmt würde ich so nicht beginnen. Er verdiente ausserdem meinen versöhnlichen Ton nicht. Löschen und zwar direkt. Mit schüttelendem Kopf begann ich von neuem.
Hal wir müssen heute proben. In zwei Tagen ist die Aufführung, falls du das noch weißt.
Schrieb ich schließlich und las vorsichtshalber noch zehn mal drüber bis ich begriff wie schwachsinnig das war, die Nachricht abschickte und aufgeregt auf eine Antwort wartete. Das war also meine erste SMS an Hal. Doch selbst nach einer Stunde hatte ich noch immer keine Antwort erhalten. Daraufhin schrieb ich ihm sogar auf WhatsApp, doch auch dort erhielt ich keine Rückmeldung. Da ich auch nicht sehen konnte wann er zuletzt online gewesen war, da dies, wie auch sein Bild, wohl nur für Freunde zusehen war, rief ich sogar an, doch selbst dann ging er nicht ran. In seinem Zimmer befand er sich auch nicht. Wo könnte er nur sein? Und dann kam mir ein Geistesblitz. River Falls! Das Haus im Wald!
Und nur wenig später saß ich im Auto neben meiner Mom, die ich mit bettelnden Augen schließlich weich bekommen hatte und auf dem Weg zum Haus im Wald. Und während wir fuhren, bat ich gen Himmel, dass er dort sein möge.

~~~

Als wir in River Falls ankamen, entdeckte ich Hal's Auto sofort. Ich verabschiedete mich hastig von meiner Mom und ging auf direktem Wege zur Terrasse und versuchte Hal hinter dem Glas irgendwo ausfindig zu machen, und tatsächlich! Ich entdeckte ihn auf dem weißen Sofa sitzend, den Kopf zurückgelehnt und die Arme lässig auf der Lehne ausgebreitet. Ich wollte mich gerade dazu aufraffen zu klopfen als ich sie erblickte.
Ich erstarrte sofort, merkte wie mein wildschlagendes Herz gleich eine Nummer dumpfer schlug. Es war ein Mädchen, das in den Raum trat und sich in Hal's Richtung bewegte. Ihre Bewegungen waren geschmeidig, wie die einer Katze, anmutig und sexy.
Sie war ein wunderschönes Mädchen. Vielleicht das schönste, das ich je gesehen hatte. Schöne Figur, wohlgeformte Brüste, makelloses Gesicht, blonde lange Locken die bei jedem Schritt auf und ab wippten, bis sie sich auf Hal's Schoß setzte und ihre Haare mit Schwung zur Seite schlug um ihm den Hals zu küssen. Und das war der Moment indem mein Herz brach.
Eine heiße Träne rann mir aus dem Auge und ich verspürte einen Schmerz wie ich ihn noch nie mit dem Herzen verspürt hatte. Und obwohl es so unendlich schmerzte konnte ich nicht wegsehen, ich konnte einfach nicht verstehen wieso das da gerade passierte. Meine Augen klebten an ihnen, starrten Hal entsetzt dabei zu wie er ihre nackten Beine streichelte, starrten sie an während sie sich auf ihm rekelte und wie leidenschaftlich sie dabei waren. Das Gefühl glich tausenden von Nadeln die mir ins Herz stachen, gefolgt von einem riesigen Hammer der den Rest erledigte. Ich hatte Hal verloren und es schmerzte so unfassbar doll zu sehen wie wenig ich ihm bedeutete, nämlich nichts. Oh mein Gott! Luft. Ich bekam keine Luft mehr.
Ich fuchtelte wild herum, um mir etwas von dem lebensnotwendigen Elixier einzuflößen. Und während ich Höllenqualen litt, begannen sie sich vor meinen brennenden Augen zu küssen, lange gefühlvoll und wild. So als wollten sie mich extra quälen. Und dann riss ihr Hal das blaue enge Top über den Kopf und fasste ihr an die Möpse, während sie sich auf und ab bewegte und mir klar wurde was die beide da gerade tun mussten. Sie wollten ... sie wollten miteinander schlafen. Und als mir das klar wurde, wurde mir so richtig schlecht. Der Druck auf meinem Magen nahm immer mehr zu, wurde immer schlimmer, je länger ich zu sah. Und dann nahm er überhand. Schnell entfernte ich mich von dem grausamen Anblick und schaffte es gerade noch so zum Busch vor der Veranda wo ich mich geräuschvoll übergab. Während ich mir die Seele aus dem Leib kotzte, weinte ich bitterlich. Nachdem ich fertig war, trieb mich nur noch ein Gedanke. Ich musste weg.
Meine Füße trieben mich immer weiter in den Wald, soweit bis meine Füße irgendwann einfach stehenblieben. ,,WARUM?" Schrie ich gen Himmel, so kraftvoll und laut ich konnte um den Schmerz aus mir herauszubrüllen. Warum nur? Warum war ich nur so dumm und naiv? Wie hatte ich nur glauben können, dass zwischen mir und Hal etwas war? Ich war ja so unbeschreiblich dumm! Wie hatte ich ihm diese bescheuerte Lüge glauben können, dass ich die erste war die er herbrachte oder denken können, dass wir etwas besonderes hatten?
Kraftlos ließ ich mich auf den Boden fallen und vergrub meine Finger in die feuchte matschige Erde. Der Nieselregen über mir wurde zu einem regelrechten Schauer und die dicken schweren Tropfen prallten auf mich hinab wie um mir den Rest zu geben. Wie passend, zu meinem Scheiß Leben, zu meiner scheiß Stimmung. In weiter Ferne grollte ein Donner, doch ich verspürte keine Angst, die ich bei Gewittern normalerweise empfand, denn es erreichte mich kaum.
Ich wollte endlich, dass es aufhörte. Ich wollte nicht mehr Ich sein, in meiner Haut stecken mit all den Empfindungen die mich gerade zersplitterten. Ich musste an Nick denken und an die blöde Kette um meinen Hals die für diesen dämlichen Streit zwischen mir und Hal überhaupt erst verantwortlich war. Sie brachte nichts als Unglück. Mit einem kräftigen Ruck riss ich sie mir vom Hals und warf sie mit einem wütenden Brüllen in den schäumenden Fluss der sich vor mir erstreckte. Und nachdem das Teil in den Fluten unterging, stand ich erschrocken auf. Bildete ich mir etwa nur ein, dass sich eine blutige Spur durch das Wasser zog? Rot so wie Blut, oder war das tatsächlich real?
Wie automatisch fasste ich mir an den Hals und blickte auf meine blutverschmierten Fingerkuppen hinab. Ich hatte mich beim Abreissen der Kette geschnitten. Wie gebannt starrte ich auf und in die wässrige Blutspur im Fluss die im nu von den rauschenden Wellen verschluckt wurde.
Wäre es nicht schön, sich einfach reinfallen zu lassen und davontragen zu lassen wie das Wasser es mit dem Blut getan hatte? Vielleicht könnte ich dann vergessen. Hal, Nick, alles. Meine Füße führten mich immer weiter voran während meine Augen wie gebannt in das Wasser starrten das mit seiner gewaltigen Schönheit einen gewissen Reiz in mir auslöste.

Ja Macy, Geh hinein, lass dich treiben. Dann werden all meine Sorgen davon gespült werden. Alles wäre wieder schön.

Mein zersplittertes Herz schlug nur noch ganz langsam, es war als würde es langsam sterben und dahinsiechen. Und als würde sich selbst mein Gehirn auch noch gegen mich stellen, schickte es mir immer wieder die Bilder von Hal und dem blonden Mädchen ins Gedächtnis. Wie sie sich küssten, wie er seine Hände auf ihren Körper legte, sie streichelte. Ganz mechanisch zog ich mir meine Schuhe von den Füßen. Ich wusste nicht wirklich woran ich in diesem Moment dachte. Wahrscheinlich einfach daran, wie schön das Wasser glitzerte und an den Regen der laut in das Nass plätscherte. Das hatte fast etwas besänftigendes.
Der strömende Regen, das Gewitter das Donnerrollen und Blitze über mir abfeuerte, empfand ich als angenehm. Nach den Schuhen, streifte ich die Socken ab, dann folgte die Jacke.

Geh Macy! Geh hinein, es wird dir danach besser gehen.

Ja, das alles sollte endlich ein Ende haben.
Ich dachte daran wie es sein würde, wenn ich hinein springen würde. Wie es sich anfühlte wenn das eiskalte Wasser mich umschloß, wie eine Decke der Geborgenheit. Ich würde mit der Strömung mitgerissen werden und es würde wunderbar sein. Das eiskalte Wasser würde in meine Nase eindringen, in die Ohren und in den Mund. Ich würde es begrüßen, es einatmen und mich von innen heraus reinigen lassen. Die Kälte würde mich betäuben. Den Rest meines kaputten Herzens, das Hal immer noch liebte.
Oh ja wie ich ihn liebte...
Ich trat näher an den Rand des Ufers.
Und plötzlich wurde alles um mich herum schwarz. Das letzte was ich spürte war eiskaltes Nass, dass mich in seine dunkelsten Tiefen riss.

Badboy Next DoorWhere stories live. Discover now