124 - disappear

427 32 10
                                    

23. April 1997 

Als ich am nächsten Morgen im Krankenflügel aufwachte, war Draco bereits verschwunden. Schwach zog ich meine Schuhe an und verliess mit Madam Pomfreys Bewilligung den Krankenflügel. Ich zog mich um, machte mich frisch, bis ich schliesslich die Treppen hinunter in die Kerker stieg. "Draco?" fragte ich Blaise, da ich beinahe mit ihm zusammenstiess, als ich den Slytherin-Gemeinschaftsraum betrat. Er schaute mich einen Moment verwundert an, schüttelte dann den Kopf. "Nicht hier." Ich atmete frustriert aus. "Ärger im Paradies?", ertönte hinter Blaise Pansys heisere Stimme. Ich verdrehte unbemerkt die Augen, ignorierte ihre provozierende Aussage und verliess den grünlich schimmernden Raum wieder.

Ich setze mich auf die Treppe vor dem Gryffindorturm, nachdem ich gefühlt das ganze Schloss abgesucht habe. Nach einiger Zeit, an der dutzende Schüler an mir vorbei liefen, setzte sich jemand neben mich auf die Treppenstufe. Ich blickte in Harrys Gesicht, drehte den Kopf jedoch gleich wieder nach vorne. "Tut mir leid, Faye. Ich wollte das nicht..." Ich nickte mit zusammengebissenen Zähnen. "Wieso könnt ihr es nicht einfach mal sein lassen?" fragte ich betrübt. "Tut mir leid", wiederholte Harry. "Versucht bitte euch das nächste Mal einfach nicht umzubringen." Keiner von uns sagte etwas. "Snape-", begann Harry nach einem Moment. "-ist mein Vater", beendete ich den Satz. "Wie-" Er machte eine Pause und ich schaute ihn mit einem kritischen Gesichtsausdruck an. "Was-" Doch er schien die richtigen Worte nicht zu finden. "Ich würde gerne ein anderes Mal darüber reden, okay?", unterbrach ich ihn bittend. Er nickte langsam und stand auf. "Raum der Wünsche-" Fragend zog ich eine Augenbraue hoch. "Ich würde da mal nach Draco schauen." Auf meinen Lippen zeichnete sich ein dankbares Lächeln. Als er im Portrait-Loch verschwand, erhob ich mich ebenfalls. Dann eilte ich den Korridor im siebten Stock entlang, blieb vor der kahlen Wand stehen stehen und schloss die Augen.

Als ich die Augen wieder aufschlug, war die Tür zum Raum der Wünsche aufgetaucht. Ich öffnete sie vorsichtig und mir stockte der Atem. Ich stand in einem Raum, so gross wie eine riesige Kathedrale, durch deren hohe Fenster Lichtstrahlen auf eine Art Stadt mit hoch aufragenden Mauern fielen, welche aus Gegenständen gebaut waren, die offenbar von Generationen von Hogwarts-Bewohnern versteckt worden waren. Aus irgendeiner Richtung vernahm ich ein Schluchzen.

Draco sass zusammengekauert vor einem Verschwindekabinett. Die Beine angewinkelt, das Gesicht in den Armen vergraben. Ich setzte mich neben ihn. "Draco, sag mir, was los ist", flüsterte ich. Er schüttelte abwehrend den Kopf. "Ich kann nicht." Er schaute mich an. Seine Augen waren verheult, sein Gesicht noch bleicher als gestern. "Du zerbrichst daran Draco, lass mich dir helfen." Sein Kopfschütteln wurde stärker. "Wenn ich es dir erzähle zerbrichst du. Du hast schon genug durchgemacht. Ich will dich da nicht mit hinein ziehen." Ich legte meine Stirn an seine. "Das bin ich doch schon längst", flüsterte ich. "Ob du es mir erzählst oder nicht." Und dann brach er ein.

"Er will, dass ich Dumbledore umbringe." Ich schluckte leer und schaute ihn mit grossen Augen an. "Was- Wie-" Doch ich wusste nicht, was ich sagen sollte. "Was wenn du es nicht tust?" Ich schaute ihn angsterfüllt an. "Dann wird er mich umbringen", entgegnete er kaum hörbar. Ich schüttelte nicht wahrhaben wollend den Kopf. "Wie willst du das anstellen?" fragte ich mit heiserer Stimme. Er presste die Lippen aufeinander und deutete mit dem Kopf auf das Verschwindekabinett hinter uns. Ich verstand. Das ist es, was er die letzten Monate plante. Was Harry versuchte herauszufinden. Er plante Dumbledores Mord und versuchte Todesser ins Schloss hineinzubringen.

Doch das war nicht alles. Das war nicht das, was ihn zerstörte. Er schaute mich zerbrechlich an. "Und er will mich", murmelte ich verstehend. "Er will dich", bestätigte er heiser.  "Er will dich für sich beanspruchen. Er will, dass ich dich ihm ausliefere." Seine Stimme war bloss noch ein wimmern. Ich nickte in Gedanken vertieft. Die Prophezeiung. Er denkt, wenn ich mich auf seiner Seite befinde, wird sich die Prophezeiung zu seinem Vorteil erfüllen. "Ich kann das nicht", hauchte Draco und schüttelte erneut den Kopf. Ich legte die Hand an seine Wange und schaute ihm tiefgründig in die Augen.

Er will mich auf seiner Seite haben. Aber dass ich mich auf seiner Seite befinde, heisst nicht, dass ich auch wirklich der dunklen Seite angehöre... "Dann soll er mich haben", sagte ich nach einer kurzen Pause mit bestimmter Stimme. "Nein!" Nun war es Draco, der seine Augen aufriss. "Nein, das lass ich nicht zu." Das war mir bewusst, doch darum ging es nicht. Ich schüttelte den Kopf. "Er wird dich umbringen, Draco. Das lass ich nicht zu." Er machte einen besorgten Gesichtsausdruck.

"Du wirst daran zerbrechen, das kann ich dir nicht antun." Ich griff nach seiner Hand. "Du bist nicht dafür verantwortlich, was passieren wird." Er schüttelte zweifelnd den Kopf, sagte jedoch nichts. "Irgendwie werden wir das schaffen. Wir werden das durchstehen. Zusammen. Es wird alles gut werden." Draco blickte nun direkt in meine Augen.

"Dein Vater-" begann er nach einem schweigenden Moment. "-darf es einfach nicht erfahren", beendete ich fordernd den Satz. Draco zog kritisch eine Augenbraue hoch. "Snape wird mich umbringen." Ich lachte bedrückt auf. "Damit würde er riskieren, dass alle erfahren, wer ich tatsächlich bin und auf welcher Seite er tatsächlich steht." Ich schmunzelte ihm zu. Doch meine Miene wurde schnell wieder ernst.

"Was hast du vor?" fragte ich, während ich den Kopf auf seine Schulter legte.

Und somit machte ich einen gefährlichen Schritt auf die Seite des dunklen Lords. Doch ich war schliesslich Severus Snapes Tochter. Was auch immer er Voldemort vortäuschen mochte, das konnte ich auch.






Faye Lily Evans - The Girl Who LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt