25 - disgust, fear, anger, hatred, grief

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Als ich die Tür zu meinem Zimmer öffnete sprang mir June entgegen. "Faye!" rief sie mit einem besorgten Ton. "Wo warst du? Wieso hast du nicht hier geschlafen?" Sie hielt kurz inne, und als sie meinen Gesichtsausdruck wahrnahm verdüsterte sich ihre Miene. "Was ist passiert?" Ich konnte nichts sagen, denn wieder füllten sich meine Augen mit Tränen beim Gedanken daran, was letzte Nacht passiert war. Ich schüttelte den Kopf. "Ich erzähls dir später. Muss Nachsitzen bei Snape...", gab ich ihr müde zur Antwort. Sie runzelte die Stirn und wollte gerade etwas sagen, liess es dann aber sein und ich huschte an ihr vorbei ins Badezimmer. Als ich in den Spiegel sah, bemerkte ich an meinem Hals und meinen Armen Abdrücke von Griffen, die sich langsam blau färbten. Ich schluckte. Selbst als ich mich mehr als gründlich duschte, ging dieses dreckige Gefühl nicht weg.

Nachdem ich mich etwas frisch gemacht habe schritt ich wieder die Treppen zum Gemeinschaftsraum hinunter, wo Fred auf mich wartete. Er hielt mir seinen Arm hin, doch ich tat so, als hätte ich seine Aufforderung nicht gesehen. Ich ging an ihm vorbei durch das Portraitloch. Dann liefen wir gemeinsam zu den Kerkern hinunter. Sofort wurde es mir wieder mulmig zumute. Diesmal war ich es, die reflexartig nach seinem Arm griff und ich war wirklich froh um seine Anwesenheit. Erst als sich Snapes Bürotür öffnete und seine Gestalt im Türrahmen erschien, liess ich ihn los und er ging wieder in die Richtung, von der wir gerade kamen.

"Miss Evans." Ich nickte ihm zu und folgte ihm durch die Tür in sein Büro. Noch nie habe ich mich so unwohl in den Kerkern gefühlt, wie jetzt gerade. Diese kalte feuchte Luft löste Angst und Bedrücktheit in mir aus. "Ich nehme an, sie wollen mir noch immer nicht erzählen, was gestern Nacht passiert ist?" Ich schüttelte den Kopf und schaute zu Boden. "Nein Sir." Er kam auf mich zu und hob mit seinen Fingern mein Kinn. Ich wich panisch zurück und begann zu zittern. "Was ist das?" fragte er schockiert. Ich zog meinen Rollkragenpullover ein Stück weiter nach oben und blickte erneut auf den Boden. "Nichts", stritt ich ab, auch wenn ich wusste, dass er das mir ganz sicher nicht glauben wird. "Ich sehe doch, dass es ihnen nicht gut geht Evans." Verwundert schaute ich zu ihm hoch. Was sollte diese Besorgtheit auf einmal? "Es geht sie nichts an Professor," zischte ich, worauf er seinen Blick von mir abwandte. "Wie sie meinen." Anschliessend nahm er ein Pergament und eine Feder hervor. Als Strafe musste ich einen Aufsatz über Nachtwesen schreiben. Vermutlich als Anspielung darauf, dass ich mich nachts nicht in den Schlossgängen aufzuhalten habe. Während dem Schreiben spürte ich immer wieder Snapes durchdringende Blicke auf mir. Ich versuchte sie jedoch zu ignorieren. Ich würde ihm auf keinen Fall erzählen, was letzte Nacht passiert war. Ich schämte mich dafür.

Immer wieder blickte ich auf die Uhr, um zu schauen, wie viel Zeit noch blieb, damit ich es rechtzeitig zum Spiel schaffen würde. Ich wollte mein Team jetzt nicht im Stich lassen. Nach ein bisschen mehr als einer Stunde gab ich meinen Aufsatz ab und verliess nach seiner Erlaubnis Snapes Büro. Als ich in den Flur abbog, spürte ich, wie ich plötzlich an meiner Hand gepackt und gegen die Wand gedrückt wurde. Vor mir stand Sage McCaden, der mit seiner verbleibenden Hand meinen Mund zuhielt. "Wag es ja nicht los zu schreien, Evans!" Panik kam in mir hoch. Nun löste er seine Hand von meinem Mund und sein Gesicht kam meinem gefährlich näher. "Lass-mich-los!", zischte ich mit Tränen in den Augen. Ich drehte mein Gesicht zur Seite, damit er mich nicht küssen konnte und in dem Moment sah ich, wie Fred, bereits in seinem Quidditchumhang, die Treppe hinab gerannt kam. "Du widerliches Miststück!" rief er und stürzte sich auf Sage. "Fred nicht! Lass ihn. Er ist es nicht wert", schrie ich ihm verzweifelt zu, doch er hörte nicht auf mich. "Weasley! McCaden! Aufhören! Sofort!" ertönte plötzlich Snapes Stimme hinter uns. Die beiden prügelten sich weiter, bis Snape seinen Zauberstab auf sie richtete. "In mein Büro! Ihr beide." Fred warf mir einen Blick zu und ich versuchte ihm mit einem Kopfschütteln zu verstehen zu geben, dass er Snape nichts von mir erzählen sollte.

Ich wartete ungeduldig vor Snapes Bürotür, bis sich diese öffnete und Fred herausgestürmt kam. Er packte mich sorgsam am Arm und zog mich in Richtung Treppe. Ich blickte über meine Schulter zurück und sah, wie uns Sage wütend hinterher starrte und daraufhin von Professor Snape in die andere Richtung geschickt wurde. Ich schaute fragend hoch zu Fred. "Ich hab nichts gesagt", sagte er daraufhin und blieb kurz vor der Treppe stehen. "Danke", flüsterte ich ihm zu und legte meinen Kopf an seine Brust. Fred strich mit seiner Hand über meine Haare. "Faye? Hat McCaden dich vergewaltigt?" Ich sagte nichts, brach stattdessen in mir zusammen. Meine Knie gaben nach und Tränen strömten über meine Wangen. Fred drückte mich etwas fester zu sich und ich liess es zu. Es beruhigte mich und ich fühlte mich bei ihm geborgen. "Dieses ekelhafte Schwein." Ich spürte, wie er vor Wut brodelte, doch er liess sich meinetwegen nichts anmerken. Es tat gut es endlich ausgesprochen zu haben. Zu wissen, dass ich nicht mehr alleine war. Langsam löste er sich wieder von mir. "Warst du bei Madam Pomfrey?" Ich schüttelte den Kopf. "Ich geh nach dem Spiel", antwortete ich tonlos. "Kannst du in deinem Zustand gerade überhaupt spielen?" Ich nickte. "Ich glaube das ist genau das, was ich jetzt gerade brauche."

Ich rannte eilig die Treppen hoch in mein Zimmer, um mich so schnell wie möglich umzuziehen. Fred ist bereits zum Feld gegangen, um sich mit den anderen noch ein wenig aufzuwärmen, wofür ich vermutlich nicht mehr allzu viel Zeit übrig haben werde. Hastig schnappte ich meinen Umhang und den Besen und rannte anschliessen wieder aus dem Gemeinschaftsraum die Treppen hinunter und verliess das Schloss. Beim Feld angekommen hatte ich nur noch einige Minuten bis zum Anpfiff und versuchte mich noch so gut es ging auf das Spiel vorzubereiten.

Ich glaube ich habe noch nie so gut gespielt wie heute. Ich konnte für einen Moment alles was passiert war vergessen und fühlte mich für diese kurze Zeit einfach wieder lebendig. Doch leider holten mich am Abend alle Erinnerungen an gestern wieder ein.

In den nächsten Tagen erzählte ich auch June, Elle und George, was passiert war und sie versuchten mich, so gut es ging, wieder besser fühlen zu lassen und vor McCaden oder seinen Freunden zu schützen. Ich ging in der folgenden Woche nicht in den Zaubertränkeunterricht, da ich Angst hatte in die Kerker zu gehen und da McCaden über den Weg zu laufen. Ich konnte nicht beschreiben, wie ich mich fühlte. Es war ein Gemisch aus Ekel, Angst, Wut, Hass und Trauer. Ich fühlte mich schmutzig und hatte keinen Hunger mehr. Ich war froh, dass ich mit meinen Freunden darüber reden konnte. Sie gaben mir Sicherheit und dank ihnen fühlte ich mich nicht mehr ganz so mies. Fred wich nach dem Unterricht kaum von meiner Seite und June lief immer mit mir zu den jeweiligen Klassenzimmern zwischen den Stunden.

Ich konnte meine Gefühle ziemlich gut verstecken, so dass niemand vermutete, dass etwas nicht stimmte. Ich war zwar etwas ruhiger als sonst und hatte Mühe, berührt zu werden, aber versuchte trotzdem, mein Leben so gut es ging normal weiter zu führen und das was passiert war zu verarbeiten und zu vergessen. Es war nicht wie vor einem Jahr, als ich erfuhr, dass meine Mutter tot war. Ich fühlte mich ähnlich leer, war aber nicht so am Boden zerstört, wie damals. Ich konnte wirklich nicht sagen, was schlimmer war, denn es war einfach nicht vergleichbar. Auch wenn man hätte meinen können, dass ich diese Situation viel besser verarbeitet habe, weil ich mir von aussen nicht viel anmerken liess, hatte der Vorfall in mir tiefe Wunden hinterlassen, die Zeit brauchten, um zu heilen.

Faye Lily Evans - The Girl Who LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt