Kapitel 39

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Verwirrt öffne ich die Augen, als mir jemand gegen die Wange schnipst. Meine Augen gewönnen sich nur langsam an das schwache Sonnenlicht, das durch die Fenster scheint. Liv steht über mir und ihr Blick zeigt mir, dass sie wütend auf mich ist. Sie zeigt mir mit ihrer Hand, dass ich aufstehen soll und erst jetzt kapiere ich, wo ich bin. Ich spüre blondes Haar an meiner Wange und das Gewicht eines Beines auf meinen. Helenas Körper strahlt eine angenehme Wärme aus und ihr Duft dringt in meine Nase. Ich muss automatisch lächeln und bekomme dafür von Liv einen bestrafenden Blick. Widerwillig löse ich mich aus Helenas Umklammerung, ohne sie zu wecken und folge Liv in den Flur.

Kaum habe ich die Tür des Zimmers hinter mir geschlossen, bekomme ich einen Schnipser gegen mein Ohr. „Ich weiß überhaupt nicht, warum ich überhaupt mit dir rede", schimpft Liv leise, während sie die Treppe herunterläuft. Ich folge ihr und reibe mir mein schmerzendes Ohr: „Kannst du das mal lassen?" Genervt schüttelt sie den Kopf und grummelt: „Du bist schlimmer als meine Schüler. Dank mir lieber." Ich seufze und setze mich an die Arbeitsplatte in der Küche, während Liv zwei Tassen unter die Kaffee-Maschine stellt. „Es ist nichts passiert", sage ich und nehme mir gähnend eine Mandarine aus der Obstschale. Ich verstehe nicht, was sie von mir will. Schließlich hat sie mir doch gesagt, dass ich Helena dazu bringen soll, sich zu öffnen. „Und du denkst wirklich, dass Kyle es gut fände, dich im Bett seiner Schwester zu finden?", fragt Liv und stellt mir eine Tasse vor die Nase. Ich presse meine Lippen aufeinander und merke, dass sie natürlich recht hat. „Ich bin aus Versehen eingeschlafen", murmele ich kleinlaut und die Wut weicht aus Livs Gesichtsausdruck. Sie mustert mich nachdenklich und seufzt dann. „Mai, ich habe kein gutes Gefühl dabei", sagt sie und wirkt besorgt. Ich kann gut verstehen, dass sie nicht gut von mir denkt. Sie kennt mich jetzt lang genug, um zu wissen, dass ich die meisten Leute in meinem Leben ständig verletze. Ich bin einfach nicht empathisch und möchte nicht, dass irgendjemand mich emotional erreicht. Ich schlucke und würde Liv gerne versprechen, dass alles gut wird, doch wie könnte ich. Bisher habe ich einfach die Zeit genossen und gemacht, was sich gut angefühlt hat. Wer weiß wie lange dieses Gefühl noch anhält und wann ich wieder anfange, mich in mich zu kehren. Helena zu verletzen ist sicher nicht mein Plan, aber ich kenne mich zu gut, um es auszuschließen. „Ich habe wirklich versucht, mich von ihr fernzuhalten, das musst du mir glauben", sage ich und sehe Liv bettelnd an. Ihr Blick ist kritisch, doch schließlich legt sie ihre Hand kurz auf meine. „Ich weiß, dass in dir eine treue Seele schlummert. Ich weiß aber auch, was du für ein Arsch sein kannst. Solltest du Helena verletzen, werde ich dir persönlich in den Arsch treten, Yuna", sagt sie mit Nachdruck und ich nicke sofort. Wenn sie meinen Erstnamen benutzt, weiß ich, dass sie es ernst meint. Es gibt mir Mut, dass sie an mich glaubt, dann kann ich es selbst vielleicht auch. Liv hat Recht damit, dass es leichtsinnig war, in Helenas Bett einzuschlafen. Gleichzeitig fühle ich mich jedoch auch so entspannt wie lange nicht und sehne mich schon jetzt wieder nach ihrer Nähe. Ich trinke einen Schluck des Kaffees und sehe Liv dann nochmal an. „Danke", sage ich kleinlaut, doch sie nickt nur und hält es wie immer für selbstverständlich. Ich bin ziemlich froh, sie hier dabei zu haben, auch wenn sie mir gerne den Spaß kaputt macht.

Während wir frühstücken, kommen wir auf andere Gedanken und mit der Zeit gesellen sich auch Etienne und Mika zu uns. Wir plaudern über den Tag und Liv zwingt mich direkt, mit ihr einkaufen zu gehen. Obwohl ich gar keine Lust habe, will ich ihr auch nicht widersprechen, weshalb ich mich fertig mache. Als ich an Helenas Zimmertür vorbeigehe, überlege ich kurz, ihr Bescheid zu sagen. Es ist sicherlich blöd für sie, alleine aufzuwachen, ohne dass ich etwas gesagt habe. Meine Entscheidung wird mir jedoch abgenommen als Kyle und Ashley aus Kyles Zimmer herauskommen. Er trägt nur eine Boxer-Short und Ashley huscht mit ihrem teuren Bademantel an mir vorbei ins Bad. Ich beobachte das Geschehen leicht belustigt und grinse Kyle an. „Halt die Klappe", sagt er direkt, doch ich hebe unschuldig die Hände, weil ich gar nichts gesagt habe. Trotzdem halte ich ihm meine Hand hin und er schlägt sie widerwillig ab. Ich freue mich, wenn er und Ashley sich näherkommen. Dann fühle ich mich weniger schlecht dabei, hinter seinem Rücken mit seiner Schwester anzubandeln. Ich folge ihm herunter und er schnappt sich sofort Alex, um mit ihm gemeinsam schwimmen zu gehen.

My hardest riseWhere stories live. Discover now