Kapitel 53

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POV Yuna

Wir spielen den Vormittag über alle zusammen Fußball und es macht tatsächlich ziemlich Spaß. Etienne und Liv sind komplett übermotiviert und stecken uns andere damit an. Selbst Ashley zeigt vollen Körpereinsatz und Helena wirkt etwas befreiter als gestern. Sie spielt im gegnerischen Team und wird von Kyle ordentlich weggeschubst. „Klares Foul!", ruft Liv direkt, doch Kyle lacht nur und läuft an ihr vorbei. Die anderen spielen weiter, doch ich laufe kurzerhand zu Helena und halte ihr meine Hand hin. Sie reibt sich ihr Gesicht, das voller Dreck ist und ich muss leicht lachen. Sie sieht aus wie ein Depp mit dem Gras an der Wange und dem verdutzten Gesichtsausdruck. Sie wirft mir einen warnenden Blick zu, doch ich grinse weiterhin und schließlich ergreift sie doch meine Hand. Ich helfe ihr hoch und sie erwidert mein Lächeln zögerlich. Vielleicht ist es tatsächlich möglich, dass wir irgendwann Freunde sind. Alles ist besser, als Helena gar nicht mehr in meinem Leben zu haben. Sie ist vielleicht eine der besten Dinge, die mir je passiert sind und ich sollte das, was wir haben, nicht einfach wegwerfen. „Ungeschickt", sage ich neckend und tatsächlich erscheint auf ihrem Gesicht ihr typisches verlegenes Lächeln. Mein Bauch kribbelt automatisch und für einen Moment schaue ich ihr nur in die Augen. Dann kommt der Ball in unsere Richtung und Helena schubst mich kurzerhand zur Seite und schnappt ihn sich. Lachend laufe ich ihr nach und nehme ihn ihr wieder ab. Ein langer Ball auf Kyle reicht, um uns in Führung zu bringen. Er kommt zu mir gelaufen und klatscht grinsend mit mir ab. Dann wendet er sich an Helena und ruft ihr nach: „Keine Chance, Helly Belly." Sie klatscht nur und lacht über die Arroganz ihres Bruders. Ich bin froh, sie wieder lachen zu sehen und schubse Kyle leicht. Wir spielen, bis die Pizza kommt, die wir heute ausnahmsweise bestellt haben, weil Liv keine Lust hatte zu kochen.

Durchgeschwitzt sitzen wir alle auf der Terrasse und essen, während Mika mal wieder eine seiner legendären Surfgeschichten erzählt. Ashley sitzt wie immer in Kyles Arm, Liv und Alex haben sowieso nur Augen füreinander, doch Helena hat sich nicht zu mir gesetzt. Sie sitzt zwischen ihrem Bruder und Etienne und sieht mich nur einige Male kurz an. Ich werde nicht schlau aus ihr, doch vielleicht muss ich mich damit abfinden. Ich will die letzten Tage genießen, bevor ich zu meiner anstrengenden Familie muss. Da darf ich mir dann wieder die Fragen nach einem Mann anhören, der später für mich sorgen soll. Mein Vater hat mir verboten, mich vor meiner japanischen Familie zu outen, weil sie relativ altmodisch drauf sind und damit sicherlich nicht umgehen könnten. Oft hatte ich den starken Drang in mir, meiner anstrengenden Tante auf die Nase zu binden, dass ich früher die Prinzessin toller fand als den Prinzen bei den Filmen, die sie mir gezeigt hat. Aus Respekt vor meinem Vater lasse ich es jedoch jedes Mal und versuche einfach, die blöden Fragen zu ignorieren. Sie finden es schon schlimm genug, dass mein Bruder jedes Jahr von einem anderen Mädchen erzählt, weil er sich nicht binden kann. Er hat unter dem Verlust meiner Mutter genauso gelitten wie ich, auch wenn er es nicht zugeben würde. Wir haben beide eine Schraube locker, wenn es um Beziehungen geht und ich habe keine Ahnung, ob sich das je ändert. Bei ihm schwankt es immer zwischen Verlustängsten und der Art, Mädchen einfach nur auszunutzen. Wenn ich Helena betrachte, weiß ich mittlerweile, dass ich nicht mehr so ein Mensch sein möchte. Ich will nicht mehr nur nach dem körperlichen suchen, weil ich erlebt habe, wie sich echte Gefühle anfühlen können. Die Emotionen, die ich in ihrer Nähe habe, möchte ich gegen nichts eintauschen, auch wenn sie gerade nicht positiv sind.

Nach dem Mittag fahren wir nochmal klettern, doch Ashley und Helena bleiben im Haus. Helena muss weiter üben für ihre Aufnahmeprüfung und Ashley ist vermutlich froh, mal nichts Abenteuerliches zu machen. Sie legt sich mit einem Bikini in die Sonne und Kyle ist kurz am überlegen, ob er doch auch beim Haus bleibt. Als Etienne ihn jedoch damit stichelt, dass er nur Angst hat, wieder zu verlieren, ist er sofort dabei. Ich bin froh, dass mein bester Freund den ganzen Nachmittag an meiner Seite ist und mich mit seinen Sprüchen zum Lachen bringt. Mir fällt wieder auf, dass es an ihm liegt, dass ich die letzten Jahre so gut mit meiner Angst klar kam. Als wir abends zurück zum Haus kommen, hole ich zwei Biere aus dem Kühlschrank und zeige Etienne, dass er mit runter zum See kommen soll. Er folgt mir sofort ohne Fragen zu stellen und ich spüre, dass ich etwas aufgeregt bin. Es passt nicht zu mir, aber ausnahmsweise bin ich nervös. Wir setzen uns an den Steg und ich reiche Etienne eins der Biere, das er grinsend öffnet. „Was gibt's?", fragt er direkt und nimmt einen großen Schluck aus der Flasche. Ich öffne mein Bier und blicke heraus auf den See, um dann mit den Achseln zu zucken: „Darf ich nicht mit meinem besten Freund chillen ohne was zu wollen?" Sofort lacht Etienne und lehnt sich auf seine Ellenbogen zurück: „Mir ist schon klar, dass meine Anwesenheit eine Ehre ist. Du kannst vor den anderen vielleicht so tun, als wärst du unerreichbar, aber ich sehe doch wie du dich einscheißt." Genervt schlage ich ihm gegen sein Bein, doch er lacht nur. Dann stupst er mir jedoch leicht gegen die Schulter und meint: „Na los, erzähl schon." Seufzend kratze ich an dem Etikett meiner Flasche herum und weiß nicht, wie ich anfangen soll. „Ich...also ich denke... ich finde...ähm...ich glaube", versuche ich mehrmals mich auszudrücken, scheitere dabei aber kläglich. Etienne legt mir seine Hand auf die Schulter und meint: „Soll ich dir sagen, was ich denke?" Verwirrt schaue ich auf und runzele fragend die Stirn. Er schmunzelt und streicht sich durch seine kurzen Locken. „Du hast zum ersten Mal in deinem Leben jemanden gefunden, der dir nahegeht und der dir etwas bedeuten könnte und das macht dir, wie ich dich kenne, eine Scheißangst." Es erstaunt mich immer wieder, wie gut Etienne mich kennt, doch vermutlich ist das nur logisch. Er war immer bei mir seit ich denken kann und hat meine schlimmsten Phasen miterlebt. Vermutlich hat er gewusst, dass ich Helena mag, bevor ich es selbst kapiert habe. Ich brumme nur als Antwort und schaue wieder herunter auf meine Flasche. Es macht mir Angst, was ich fühle, doch es ist nicht das Einzige, was mich fertig macht.

„Es ist anders diesmal", murmele ich und mein bester Freund nickt direkt. „Es ist vielleicht was echtes", meint er, doch ich schüttele langsam den Kopf. Ich schaue auf den See und spanne meinen Kiefer leicht an. „Nein, es ist anders, weil ich diesmal verarscht werde. Fühlt es sich so an, wenn man nach dem Sex abserviert wird? Haben sich die Mädchen alle so gefühlt, nachdem ich sie gekorbt habe, Etsy?", frage ich verzweifelt und Etienne muss leicht schmunzeln. „Sag nicht, in dir regt sich ein Gewissen?", witzelt er, doch mir ist nicht zu Lachen zumute. Als er merkt, dass ich wirklich mit mir selbst hadere, wird sein Blick mitleidig und er rückt näher zu mir. Er legt seinen Arm um mich und meint: „Nur weil alle anderen Mädchen dir immer hinterhergelaufen sind, heißt das nicht, dass es immer so leicht sein wird. Eine Beziehung zu führen ist viel mehr Arbeit. Ich weiß nicht, was zwischen euch genau vorgefallen ist, aber ich sehe, wenn jemand vernarrt in dich ist. Über die letzten Jahre habe ich sehr oft gesehen, wie Mädchen dich angucken, wenn sie verknallt in dich sind. Ich kann nur sagen niemand von denen kommt an den Blick heran, den ich an Helena gesehen habe, als du Schisser nicht klettern wolltest." Ich verdrehe die Augen und schubse Etienne leicht, doch gleichzeitig muss ich auch lächeln. Sie hat mich davor gerettet, klettern zu müssen, obwohl sie selbst Angst davor hatte. „Ich verstehe einfach nicht, was ich falsch gemacht habe", murmele ich und lehne mich gegen Etiennes Schulter. Er seufzt und nimmt noch einen Schluck von seinem Bier. „Normalerweise gibt es da einen ganzen Katalog voller Möglichkeiten. Ich denke dir kann nur eine Person dabei helfen, die Antwort zu finden", sagt er und ich nicke deprimiert. „Rede mit ihr", meint Etienne mit Nachdruck und tätschelt dann nochmal meine Schulter, „und dann überzeug sie davon, dass du nicht immer ein Idiot bist." Wenn es nur so einfach wäre, wie er sagt. Er hat Recht, aber ich weiß auch, dass es nicht leicht wird, das Gespräch mit ihr zu suchen. Ich trinke etwas von meinem Bier und spüre, wie Etienne neben mir schmunzelt.

„Es passt so eins zu eins zu dir, dass du dich ausgerechnet in Kyles Schwester verguckst." Ich verdrehe die Augen, doch nach einigen weiteren dämlichen Sprüchen muss ich auch lachen. Etiennes Art hilft mir und erleichtert meine Sorgen etwas. Es war eine gute Entscheidung mit ihm zu reden und vielleicht kann ich doch noch alles zum Guten wenden.

My hardest riseTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang