Kapitel 45

1.5K 84 0
                                    

POV Helena

„Oh. Mein. Gott.", stößt Quinn aus, nachdem Yuna verschwunden ist.

Ich fahre mir über mein Gesicht und kann nicht fassen, was gerade passiert ist. Wir haben es jetzt wochenlang geschafft, von niemanden erwischt zu werden und Quinn muss dafür nur drei Sekunden anwesend sein. „Also so wollte ich es dir eigentlich nicht beichten", murmele ich mehr zu mir selbst und will am liebsten immer noch im Erdboden versinken. Quinn schüttelt lachend den Kopf und scheint die Szenerie noch zu verarbeiten. „Weißt du was, du zeigst mir jetzt mein Zimmer und dann gehen wir spazieren, weil ich jedes Detail haben will." Gequält verziehe ich mein Gesicht, doch erkenne schnell, dass sie keine Wiederrede zulässt. Also trage ich ihren Koffer hoch in mein Zimmer und wir verdrücken uns schnell durch die Haustür, um nicht von den anderen gesehen zu werden. Ich bin Yuna echt dankbar, weil sie ausnahmsweise keine blöden Späße gemacht hat. Sie hat mir die Möglichkeit gegeben, allein mit Quinn zu reden und das rechne ich ihr hoch an. Gleichzeitig bin ich ein wenig traurig, dass Quinn unsere Zweisamkeit zerstört hat, weil es echt schön war. Tag für Tag fühle ich mich Yuna näher und traue mich mehr aus mir heraus. Jetzt heißt es aber wohl erstmal, meiner besten Freundin zu erklären, was sie da eben gesehen hat. Quinn trägt wie immer Chucks und eine schwarze Jeans, die noch mehr betont, wie schlank sie ist. Im Grunde glaube ich manchmal, dass Quinn wirklich zu wenig isst, allerdings liegt es auch in ihren Genen. Ihre Mutter hat genau die gleiche Figur und das trotz mehrerer Schwangerschaften.

Wir laufen ein Stück in den Wald hinein über einen Trampelpfad und ich überlege, wie ich die Situation am besten erklären kann. Allerdings kommt mir Quinn zuvor, indem sie meint: „Ich wusste es." Verdutzt runzele ich die Stirn und greife nach dem Arm meiner Freundin. Sie bleibt stehen und ich breite fragend meine Arme aus: „Wie meinst du das?" Quinn grinst leicht und zuckt die Achseln, dann lässt sich auf einem umgefallenen Baum nieder. Ich setze mich zu ihr und sie sagt: „Ich weiß nicht, ich hatte so ein Gefühl." Ich kann nicht wirklich glauben, was sie da sagt. Als ob sie schon die ganze Zeit den Verdacht hatte, dass ich auf Frauen stehen könnte. „Du dachtest doch nicht, dass ich auf dich...?", will ich fragen, doch sie schmunzelt und winkt direkt ab. „Das habe ich nie gedacht und da ich jetzt weiß, was dein Beuteschema ist, ist mir auch klar warum", sagt sie und lacht leicht. Ich bin zu überfordert, um ihren Scherz richtig aufzunehmen und zu kapieren, was sie damit meint. Auf gewisse Weise erleichtert es mich sehr, dass Quinn wohl eindeutig nichts an meiner Sexualität auszusetzen hat. Trotzdem bin ich durch den Wind und weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. „Jetzt verstehe ich zumindest, warum du die letzten Wochen so schräg warst", sagt Quinn und ich werfe ihr einen strafenden Blick zu. Sie hebt nur abwehrend die Hände und lacht leicht: „Hey, bleib locker." Sie tätschelt meine Schulter und lächelt lieb: „Es wurde doch Zeit, dass du mal die bescheuerte von uns beiden bist. Vielleicht weißt du jetzt, warum ich den Typen so nachlaufe." Ich kann nicht anders als leicht zu schmunzeln, weil sie Recht hat. Ich kann mir wirklich besser vorstellen, warum sie manchmal immer nur von einem Jungen schwärmen kann. Es geht mir ganz genauso mit Yuna, ich würde am liebsten den ganzen Tag von ihr reden. Quinns Blick zeigt mir, dass sie genau weiß, was ich gerade kapiere. „Erzähl mir alles", sagt sie grinsend und ich muss leicht lachen. „Na gut", gebe ich mich geschlagen und Quinns Augen leuchten sofort neugierig.

Also erzähle ich ihr von der Party und davon, dass ich Yuna zunächst nicht wirklich leiden konnte. Ich erzähle von der Olympiade, dem Quadfahren und davon, wie Yuna meine Hände gerettet hat. „Sie hat in einen Nagel reingegriffen für dich?", fragt Quinn perplex und ich nicke leicht schmunzelnd. Meine beste Freundin schüttelt ungläubig den Kopf und meint: „Wenn das ein Typ für mich gemacht hätte, dürfte der mich direkt danach nageln." Ich schüttele den Kopf über Quinns Denkweise, doch gleichzeitig muss ich ziemlich lachen. Sie ist vor anderen meist ähnlich schüchtern wie ich, doch wenn wir zu zweit sind, nimmt Quinn nie ein Blatt vor den Mund. Meine Gedanken schweifen kurz zu Yuna und ich muss daran denken, dass ich tatsächlich mein erstes Mal mit ihr hatte. Sofort werde ich leicht rot und muss lächeln, weil es eine schöne Erinnerung ist. „Nein!", ruft Quinn aus und ich kapiere, dass sie wie immer aus meinem Gesicht lesen kann, diese blöden roten Wangen. „Und ich dachte, dass ich die von uns beiden bin, die ihre Unschuld diesen Sommer verliert", sagt sie kopfschüttelnd und tut so, als wäre sie deprimiert. Ich will mal wieder am liebsten vor Scham sterben und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich demnächst jemandem von meinen Gefühlen erzählen muss. Auch wenn es mich teilweise sogar erleichtert, fällt es mir doch sehr schwer. Quinn lacht nur über meine Scham und trommelt auf dem Baumstamm zwischen uns: „Jetzt Fakten auf den Tisch. Ich habe Fragen." Verunsichert schaue ich auf und hoffe schwer, dass sie jetzt keine Einzelheiten von meinem ersten Mal hören möchte. Meine beste Freundin legt ihren Kopf leicht schief und meint dann ganz ernst: „Jetzt ehrlich, wie alt ist sie?" Leicht überrascht von der Frage, fahre ich mir durch die Haare und meine: „27." Quinn muss leicht grinsen und stupst mir dann gegen die Schulter: „Stell dir vor, die Jungen aus unserer Klasse wüssten das. Ich würde gerne deren Gesichter sehen." Ich muss leicht schmunzeln, weil sie wohl irgendwie Recht hat. Yuna ist mehr als vorzeigbar und vermutlich sollte ich mich nicht schämen, sondern stolz sein. „Ich freue mich sehr für dich", sagt Quinn und bringt mich damit zum Lächeln. Mich erfüllt ein angenehmes Gefühl von Zufriedenheit durch ihre Unterstützung und ich ziehe sie schnell in eine feste Umarmung. „Danke", flüstere ich ihr zu, doch sie schmunzelt nur. „Gib mir mal Nachhilfestunden, damit ich mir auch wen klären kann", sagt sie auf dem Weg zurück zum Haus und ich schubse sie lachend. Ich kann mir vorstellen, dass sie nicht kapiert, wie ich es geschafft habe, mich mit Yuna anzunähern. Ich weiß manchmal selbst nicht, wie das zwischen uns funktionieren kann, doch vielleicht muss nicht immer alles sinnvoll sein. Es fühlt sich perfekt an und nur das zählt.

Als wir zu den anderen kommen, sitzen sie am Mittagstisch und wir setzen uns direkt dazu. Ich stelle Quinn allen vor und sie wird direkt ins Gespräch eingeklinkt. Yuna wirft mir hin und wieder Blicke zu, redet aber relativ wenig. Das bin ich mittlerweile von ihr gewohnt und ich weiß, dass sie sich ihren Teil meistens lieber denkt. Sie wird mir sicher ihre Gedanken erzählen, sobald wir zu zweit sind. „Spielen wir nachher zusammen was?", fragt Alex Quinn, die beiden kennen sich durch mich schon einige Jahre lang. Sofort strahlen Quinns Augen und sie nickt eifrig, sie hatte noch nie ein Problem damit, vor anderen Leuten zu spielen. Liv klatscht in die Hände, nachdem alle aufgegessen haben und meint: „Macht euch fertig, in einer halben Stunde geht's los." Mir fällt wieder ein, dass wir heute klettern gehen und direkt überkommt mich ein schlechtes Gefühl. Zumindest ist Quinn bei mir, die vermutlich auch nicht mitklettern wird.

Alle machen sich auf den Weg nach drinnen, doch ich werde von einer Hand an meinem Handgelenk aufgehalten. „Warte", sagt Yuna zu mir und ich bleibe erwartungsvoll stehen. Die anderen bemerken uns gar nicht, selbst Quinn wird von Alex mit nach oben gebracht. Yunas Blick mustert mich prüfend und sie fragt: „Alles okay?" Ich runzele die Stirn und frage mich, ob sie sich gerade tatsächlich Sorgen um mich macht. Es ist ziemlich niedlich, wenn sie ihre weiche Seite vor mir zeigt und es lässt mein Herz schneller schlagen. Ich nicke lächelnd und verhake meinen Zeigefinger mit ihrem. „Bist du bereit, Angsthase?", frage ich sie stichelnd und sie grinst sofort. Sie beugt sich zu meinem Ohr und flüstert: „Es würde mir helfen, wenn ich dir beim Umziehen behilflich sein darf." Sofort bekomme ich Gänsehaut und greife in den Stoff ihres Shirts. Sie löst sich wieder ein Stück von mir und ich sehe in ihren Augen den Glanz, der mich magisch anzieht. Als ich mir auf die Lippe beiße, werden wir unterbrochen, weil Liv auf die Terrasse kommt, um den Tisch weiter abzuräumen. Sie wirft uns nur einen kurzen Blick zu und schnappt sich dann einige Teller: „Nur weil ihr verknallt seid, gelten für euch keine anderen Regeln." Yuna schmunzelt und hebt unschuldig ihre Hände: „Sie haben Recht, Fr. Lehrerin." Liv verdreht nur die Augen, scheint aber auch grinsen zu müssen, während sie das Tablett belädt. Yuna schaut zu mir herab und zwinkert mir zu: „Ach das ist verknallt sein." Ich muss grinsen und spüre, wie ich mal wieder rot anlaufe. Es gibt mir Mut, dass es für Yuna vielleicht genauso neu ist, wie für mich, diese Gefühle zu haben. Auch wenn sie möglicherweise nur Spaß macht, hoffe ich doch sehr, dass sie ähnlich für mich empfindet wie ich für sie.

Ich lächele noch immer, als Yuna schon nach drinnen verschwunden ist und bemerke, dass Liv mich grinsend mustert. Sie schüttelt den Kopf und murmelt: „Manchmal habe ich das Gefühl ich bin hier wirklich mit meinen Schülern unterwegs." Ich werfe ihr einen Blick zu, der ihr zeigen soll, dass wir keine dämlichen Kinder sind, doch so richtig glaube ich es selbst nicht. Ich fühle mich schließlich exakt wie ein pubertärer Teenie, der seine Hormone absolut nicht unter Kontrolle hat. Ich kann im Grunde an nichts anderes denken als endlich wieder mit Yuna allein sein zu können und sie zu küssen.

Als mir jedoch das Klettern wieder einfällt, fällt meine Laune und ich gehe rein, um mich fertig zu machen.

My hardest riseTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon