Mädelsabend

1.9K 71 2
                                    

Nach einiger Zeit hatte Nessi erbarmen mit mir und verlangsamte ihr Tempo. Wir fuhren circa 10 Minuten, bis wir vor einem unscheinbaren Holzhaus zum Stehen kamen. Nessi stieg ab und schob ihr Motorrad unter ein kleines Abdach im Vorgarten. „Du kannst dein Fahrrad hier auch unterstellen, es sieht nach Regen aus." Meinte sie und trat zur Seite. Ich schob mein Fahrrad ebenfalls hinein und bedankte mich.

Wir gingen zur Hintertür, welche Nessi schwungvoll öffnete und rief: „Hallo Oma bin wieder da! Oh und hab Besuch mitgebracht!" „Schätzchen, ich bin zwar alt, aber nicht taub. Hör auf so zu schreien." Eine ältere Frau in einem rosa Kostüm betrat ebenfalls die Küche. Ich lächelte sie an und hielt ihr meine Hand entgegen , „Hallo, ich bin Mia. Freut mich Sie kennen zu lernen." Sie winkte ab und meinte nur: „ Kindchen, wozu die Förmlichkeiten, ich bin Ida." Sie erwiderte mein Lächeln und wandte sich der hölzernen Küchenzeile zu. „So, was habt ihr denn heute noch vor? Habt ihr Hunger?" Nessi grinste, „Wir machen nen Mädelsabend, kannst du uns gleich eine Pizza in den Ofen schieben?" „Klar, kommt Klette denn auch ?" „Ne, sie darf nicht raus. Klette und Nerv haben mit einem Streich etwas übertrieben, jetzt muss sie immer um 18 Uhr zu Hause sein." Ich lachte laut auf, „Was haben sie gemacht?" fragte ich interessiert. „Frag nicht, ich bin sicher Nerv wird dir das irgendwann nochmal erzählen." Nessi schnappte sich erneut mein Handgelenk und zog mich hinter sich her die Treppe hinauf. Was soll das eigentlich mit dem Handgelenk ? Erst Markus und jetzt auch noch Nessi.

Sie stieß eine weiße Tür auf und wir standen in ihrem riesigen Zimmer. Es war verwinkelt, die Holz Optik war auch hier wieder zu erkennen. Dunkle Balken durchzogen die Decke und ihre Wände waren in einem dunklen rot gestrichen. Ihr Bett stand in einer hinteren Ecke ihres Zimmers, direkt gegenüber von ihrem Kleiderschrank. Überall lagen Klamotten und Schuhe rum und auch Bücher konnte ich an Orten erkennen, an welchen Bücher normalerweise nichts zugucken hatten. „Wie ist das Buch auf den Balken dort gekommen?" fragte ich belustigt. „Ich hatte Langeweile." Sie zuckte unbeeindruckt mit den Schultern und warf sich auf ihr Bett. „ Ach und dann dachtest du, 'schmeiß ich doch mal so lange Bücher an die Decke, bis eins liegen bleibt' oder was?" Sie grinste schief und meinte „Kann ja nicht jeder bei Langeweile Gitarre spielen." „Ich hab's ja verstanden." Antwortete ich nur und verdrehte meine Augen. „Also, was wollen wir machen?" fragte ich und legte mich schwungvoll neben sie. „Wie wär's wenn du mir mal erzählst, was da so mit Markus läuft." Sie wackelte mit ihren Augenbrauen und richtete sich au, um mich besser anschauen zu können. „Was soll da denn sein?" fragte ich unschuldig. „Willst du mich verarschen? Wo warst du denn gestern?" „Er hat mir nur seine Werkstatt gezeigt." „Ich konnte sich vier Stunden lang nicht erreichen." Entgegnete sie. „Wir haben halt die Zeit vergessen." Meinte ich nur und fühlte mich mittlerweile mehr als nur unwohl. Ich hasste es über solche Dinge zu sprechen, ich konnte es einfach nicht. „Ihr habt also die Zeit vergessen? Wie seltsam." Ich schaute sie genervt an und sie verstand mein stilles Zeichen sofort. „Schon okay, du musst nicht drüber reden, wenn du nicht möchtest. Aber ich könnte ja ein paar peinliche Geschichten über ihn auspacken." Ich schaute sie überrascht an, „Das wäre ihm gegenüber nicht fair, das muss er mir schon selbst erzählen." Meinte ich und Vanessa lachte kurz laut auf, „Du bist der Wahnsinn, ganz ehrlich." Ich verstand natürlich mal wieder absolut nicht was sie meinte und schaute sie dementsprechend verwirrt an. Das brachte sie aber nur dazu noch lauter zu lachen, mittlerweile hielt sie sich sogar schon vor Schmerzen den Bauch.

Nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hatte, richtete sie sich wieder auf. „Was war denn jetzt so witzig?" fragte ich, „Ach Mia, du bist einfach zu gut für diese Welt. Ich biete dir an, alle peinlichen Geschichten aus Markus seiner Kindheit aufzudecken und du sagst mir, dass es für ihn unfair sei. Was für ein Mensch würde sowas tun. Du bist einfach der Wahnsinn." Sie brach erneut in schallendes Gelächter aus und nun konnte auch ich mit einsteigen.

Erst als Nessis Oma mit der Pizza kam beruhigte wir uns und starteten einen Film. Zwischendurch erzählte Nessi mir alles, was ich über Fußball wissen sollte und machte mir Mut. „So schlecht bist du gar nicht. Das kriegen wir schon hin, immerhin stehst du ja auch nicht allein auf dem Feld." Meinte sie aufmunternd, „Ja, das ist auch besser so, sonst lägen wir nämlich nach fünf Minuten 7 zu Null zurück und zwei Tore davon hätte locker ich geschossen." Bei dieser Vorstellung von mir musste ich wieder lachen.
Es tat so unglaublich gut einfach neben Nessi zu liegen, zu Lachen und sich um nichts Gedanken machen zu müssen. Mittlerweile war es halb 1 und wir entschlossen, dass es zeit zum schlafen sei. Wir legten uns in Nessis Bett, kuschelten uns unter die Decken und fielen beide in einen tiefen Schlaf.

Um halb 10 öffnete ich zum ersten Mal wieder mein Augen, Nessi schlief noch friedlich neben mir und auch ich legte mich auf den Rücken und malte mir wieder die verrücktesten Tagträume aus. Die Tagträume waren eine Art Rückzug für mich, dort konnte ich meinen Wünschen und meiner Kreativität freien Lauf lassen. Obwohl, ich hatte neulich irgendwo gelesen, dass zu viel Tagträumen eine psychische Krankheit ist, aber ob da was dran ist weiß man ja nie. Selbst wenn, jetzt war es sowieso zu spät. Nessi begann sich zu bewegen und streckte sich einmal ausgiebig, „Guten Morgen." Meinte sie und gähnte einmal herzhaft. „Morgen." Antwortete ich und ließ mich von ihrem gähnen anstecken. „Was liegt heute an?" fragte sie mich. Ich schnappte mir mein Handy und erkannte, dass ich eine neue Nachricht erhalten hatte. ~Hey Mia, ich bin's Markus. Hast du vielleicht Lust heute in die Werkstatt zu kommen?~ ich lächelte und tippte schnell ~klar, kannst du mich von Nessi abholen? Du weißt ja wie orientierungslos ich bin.~ „Markus hat mich gefragt, ob ich nicht heute in seine Werkstatt kommen möchte. Also hab ich heute leider keine Zeit für dich." Antwortete ich Nessi frech und sie zog einen Schmollmund, „Dann muss ich mich wohl oder übel mit Leon abfinden." Ich lachte laut auf, „Lass ihn das bloß nicht hören."

Nach einer halben Stunde standen wir auf und Nessi leih mir ein paar Klamotten. Ich zog mir einen ihrer wenigen Röcke an und ein enges schwarzes T-Shirt. „Sag mal, trägst du eigentlich nur schwarz?" fragte ich lachend, denn Nessis Kleiderschrank war fast ausnahmslos mit schwarzem Stoff gefüllt. „Wieso? Schwarz passt einfach zu allem und sieht dabei auch noch gut aus. Ich sehe da kein Problem." Sie grinste mich an und wendete sich danach ab.

Ich wollte gerade mein Handy in die Tasche des Rocks stecken, als mir eine neue Nachricht von Markus ins Auge fiel. ~Ich hole dich in einer Stunde ab.~ Ich schaute auf die Uhrzeit und bemerkte, dass diese Stunde in circa 5 Minuten vorbei sein würde, „Scheiße, Nessi! Ich muss ins Bad! Markus ist in 5 Minuten hier!" Ich hämmerte gegen die Badezimmertür. „Gib mir Zwiebeln Sekunden!" Kam es nur von ihr, kurz danach öffnete such die Tür und ich rannte hinein. „Eine neue Zahnbürste für dich liegt oben im Schrank." Sie verließ das Bad und ich putze meine Zähne und kälte mir noch schnell die Haare.
Da klingelte es auch schon und ich hörte Nessis Oma und Markus schon von oben. Langsam lief ich die Treppe runter und Markus Blick fixierte mich regelrecht. Ich bedankte mich schnell bei Ida und verabschiedete mich von den beiden. Markus stand bereits an sein Motorrad gelehnt und wartete auf mich. „ Du willst mich doch verarschen oder? Was an ich steige nie wieder auf so ein Ding hast du nicht verstanden?" Fragte ich entgeistert. „Es kann ja nicht jeder so ein schlechter Fahrer wie Maxi sein." Er grinste, hielt mir einen Helm hin und klopfte auffordern auf den Sitz. „Oh Gott, was mache ich hier nur?" ich nahm ihm den Helm ab, setze ihn auf und platzierte mich hinter Markus auf dem Motorrad. „Bitte bring mich nicht um." Flehte ich und hörte Markus noch einmal kurz lachen, bevor er den Motor aufheulen ließ und los fuhr.

SummerloveOù les histoires vivent. Découvrez maintenant