Das ist der Wahnsinn

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Markus und ich liefen bereits seit einigen Minuten nebeneinander her und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Wir wurden von einer angenehmen Stille eingehüllt, welche Markus dann schlussendlich unterbrach. „Musst du eigentlich schon nach Hause oder hast du noch etwas Zeit?" fragte er mich. „Ich hab nichts geplant und meine Tante ist sowieso nicht zu Hause." „Na dann, komm mit. Ich will dir was zeigen." Meinte er, umfasste mein Handgelenk und zog mich mit sich in eine Gegend, welche mir vollkommen unbekannt war.
Obwohl, das war ja nichts neues, ich hatte nie wirklich Erkundungstouren gestartet und kannte mich hier dementsprechend auch ziemlich schlecht aus. Ein weiteres Problem war mein nicht vorhandener Orientierungssinn, ich war einfach ein hoffnungsloser Fall.

Markus zog mich immer weiter mit und machte weder Anstalten bald anzuhalten, noch mein Handgelenk loszulassen. Mittlerweile lief ich wieder neben ihm und er dirigierte uns in Richtung Ortsrand.

Nach 5 Minuten hielten wir vor einer kleinen Lagerhalle, nun ja was heißt schon klein, Lagerhallen waren ja nie sonderlich klein. Vor der Tür stand, wie auch schon im Teufelstopf, ein alter Wohnwagen mit einem Sonnenschirm auf dem Dach. „Ähm... Markus?" fragte ich, er drehte seinen Kopf zu mir und sah mich fragend an, „Warum ist da ein Sonnenschirm auf dem Wohnwagen?" Er grinste „ Von dort oben hat man den besten Überblick." Antwortete er gleichgültig und lief auf das große Tor zu. „Wo sind wir hier eigentlich? Und was machen wir hier?" Markus antwortete mir nich, sondern öffnete langsam das Tor und zum Vorschein kam eine Art Werkstatt. „Wow" entfuhr es mir und das vollkommen zu Recht.

Langsam betrat ich den großen Raum. Überall lagen Werkzeuge, Metallteile, Schrauben und sonstige mechanische Gegenstände, es war ein Traum für alle technisch interessierten Menschen. In der Mitte des Raumes drehte ich mich völlig erstaunt einmal um meine eigenen Achse, ich zog den Geruch von Motoröl und Metall ein und fühlte mich sofort wohl. Ich interessierte mich schon von klein auf für alles Handwerkliche und Technische, mein Vater hatte bei uns zuhause eine kleine Hütte in der er immer mit mir gemeinsam gewerkelt hatte. Zwar lag unser Interesse damals nicht bei Motorrädern oder Autos, aber dafür bei allem anderen.

Auf einer kleinen Erhöhung stand ein Motorrad, vermutlich das von Markus. Ich lief darauf zu und ließ meine Finger über das Leder seines Sattels gleiten. „Das ist der Wahnsinn." Staunte ich und das meinte ich auch so. Ich konnte vielleicht kein Motorrad fahren und vor allem war ich kein Freund von illegalen Fahrten, aber die Maschinen an sich hatten es mir schon angetan. Ich drehte mich zurück zu Markus, welcher lächelnd am Tor lehnte und mich beobachtete. „Das ist mein Reich." Antwortete er, „ Hier sind alle Motorräder entstanden und noch so viel mehr. Diese Werkstatt ist mein persönlicher Rückzugsort." „Das gehört alles dir?" fragte ich und breitete meine Arme aus. „Ja, Wahnsinn oder?" „Das kannst du laut sagen." Ich kam überhaupt nicht über den Schock hinweg. „Wieso? Also, woher hast du das?" Ich erschreckte mich fast schon selber über meine plötzliche Neugier, aber das alles hier war einfach so surreal. Woher sollte ein 17 Jähriger eine Lagerhalle samt Ausstattung bekommen? „Das Grundstück gehört meinen Eltern und da sie mit der Lagerhalle nichts anfangen konnten, wollten sie sie abreißen, dabei war hier alles noch in Schuss. Ich bin also mit ihnen einen Deal eingegangen und jetzt gehört sie quasi mir. Allerdings muss ich dafür meine Eltern auf so komische Veranstaltungen begleiten." Markus zuckte mit den Schultern, verzog gequält sein Gesicht und kam auf mich zu. „Das ist einfach unglaublich." Meinte ich. „Ich habe dir ja vieles zugetraut, aber das du von Motoröl und Schrauben so begeistert bist hätte ich dann doch nicht gedacht." Er stand nun direkt vor mir und ich musste leicht meinen Kopf heben um ihm in die Augen zu schauen. „Mein Vater und ich haben oft in seiner Hütte gewerkelt, ich war schon immer davon fasziniert." Antwortete ich leise, ich war von seinen braunen Augen vollkommen gefesselt und merkte kaum wie er sich mir plötzlich näherte. Erst als Markus sich räusperte, wurde mir klar wie nahe wir uns gewesen sein mussten. Peinlich berührt wendete ich meinen Blick von ihm ab und lief rot an. „Ähm, ja, also wenn du Lust hast kannst du mir ja etwas helfen." Schlug er vor um die Stimmung etwas zu lockern. „Gerne, aber bislang hatte ich mit Motorrädern noch nicht so viel zutun." „Kein Problem, ich kann dir ja erstmal die Basics erklären." Sagte er und wir wendete uns seinem Motorrad zu.

Ich bekam überhaupt nicht mit wie schnell die Zeit verging, aber plötzlich war es draußen dunkel und nur die Strahler von der Decke erleuchteten noch den Raum. Über ein paar Lautsprecher lief leise Musik und Markus saß vor seinem Motorrad auf dem Boden und schraubte an seinem Motor rum. Seine Haare lagen durcheinander auf seinem Kopf und in seinem Gesicht hatte er etwas Dreck, er sah einfach nur gut aus. Seine Augenbrauen hatte er leicht zusammengezogen und er biss sich konzentriert auf seine Unterlippe. Plötzlich stöhnte er genervt auf, rutschte ein Stück zurück und schaute mich an. Ertappt löste ich meinen Blick von ihm, was er natürlich sofort bemerkte und mit einem Lächeln quittierte. „Wie spät ist es eigentlich?" fragte ich. Markus zog sein Handy aus seiner Hosentasche und schaute entsetzt auf den Bildschirm. „Was?" fragte ich natürlich sofort. „Es ist halb 11." „Wie bitte?" rief ich, „Scheiße" Ich schnappte mir mein Handy von der Werkbank und ging die ganzen Nachrichten durch, welche ich in den letzten Stunden erhalten hatte. Nessi fragte wo ich sei, mehrmals, sie schien sich wirklich Sorgen zu machen. Schnell antwortete ich mit einem kurzen ~Bin bei Markus~ und widmete mich dann Jules. Die einzige Nachricht welche ich von ihr erhalten hatte war:~Lebst du noch?~ also tippte ich als Antwort auch nur ein kurzes ~Yes~ ein. Die letzte Nachricht war von meiner Tante ~Hey Mia, ist alles in Ordnung bei dir? Ich habe heute noch nichts von dir gehört, obwohl das ja meistens ein gutes Zeichen ist.;) Schreib mir bitte wenn du zuhause bist, ich bleibe heute Nacht bei Ina. Hab dich lieb;*~ Ja so war sie einfach, immer unterwegs und nicht wirklich ängstlich, sie vertraute mir in jeder Hinsicht. ~Ich mach mich sofort auf den Weg nach Hause~ schrieb ich und packte mein Handy zurück in meine Hosentasche.

Markus war in der Zeit durch eine unscheinbare Tür neben der Werkbank verschwunden und kam mit nassen Haaren und ohne den ganzen Dreck um Gesicht nun wieder zurück. „Könntest du mich nach Hause bringen? Ich hab nämlich keine Ahnung wie ich von hier zu Melle kommen soll." Ich lächelte ihn an und er nickte. „Du hast da was." Meinte er plötzlich und deutete auf eine Stelle in seinem Gesicht, um mir zu signalisieren an welcher Stelle ich zu putzen hatte. Ich rieb mit meiner Hand über meine Wange, was die ganze Situation anscheinend nur noch verschlimmerte. „Warte kurz" meinte Markus, verschwand erneut durch die Tür und holte ein Tuch. Er kam auf mich zu und wischte mir damit einmal über die verdreckte Stelle. Selbstverständlich schlich sich die Röte auch wieder in meine Wagen, was ihn wiederum zum Lächeln brachte. „Wir sollten langsam gehen." Meinte ich und zerstörte somit die elektrisierte Atmosphäre. „Du hast ja recht." Antwortete Markus und folgte mir in Richtung Ausgang. Er schaltete das Licht aus und schloss hinter uns die Tür.

Es war eine klare Nacht und der Weg wurde nur durch das schwache Mondlicht beleuchtet. „Es ist wunderschön" hauchte ich und blickte zu den Sternen hinauf. „Stimmt, hier in der Gegend sind kaum Laternen, deswegen wirken die Sterne hier so viel heller." Er schaute ebenfalls in den Himmel, schüttelte dann kaum merklich seinen Kopf und wendete sich mir zu. „Komm, wir sollten wirklich los."

Er brachte mich bis vor meine Haustür, verabschiedete sich mit einem schlichten „Wir sehen uns morgen" und lief dann zwei Straßen weiter zu sich nach Hause. Sobald die Tür ins Schloss fiel bekam ich das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht, ich lief direkt ins Badezimmer und zog mich um. Keine 5 Minuten später ließ ich mich glücklich auf mein Bett fallen und wurde von der Müdigkeit überrannt. Während ich noch einmal über den vergangenen Tag nachdachte, fiel ich letztendlich in einen tiefen Schlaf.

SummerloveWhere stories live. Discover now