Chapter 65

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C H A R L I E
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Die Sonne weckt mich und seufzend werfe ich meine Bettdecke zurück. Mein Kopf dröhnt ein wenig wegen dem Alkohol und schon allein bei dem Gedanken an gestern wird mir schlecht.

Ich tapse ins Bad und muss leider bemerken, dass ich mich gestern nicht mal ab geschminkt habe. Meine Wimperntusche ist komplett verschmiert und lässt mich wie eine Leiche wirken. Wie in Trance schnappe ich mir meine Abschminktücher und fange an, die Schminke aus meinem Gesicht zu entfernen. Mein Kopf ist leer, wie bei einer Matheschulaufgabe.

Nachdem ich es endlich geschafft habe, mich wieder einigermaßen normal aussehen zu lassen, laufe ich leise runter in die Küche. Mein Vater sitzt bereits mit seiner Zeitung in der Hand am Küchentisch und isst nebenbei ein riesiges Spiegelei.

„Oh, Hallo Charlie. Na, wie geht es dir?", fragt er lächelnd und ich zwinge meine Mundwinkel nach oben.

„Gut, danke", lautet meine Antwort und ich schnappe mir meine Müslischüssel, um mir mein über alles geliebtes Müsli reinzuschütten und mit Milch zu übergießen. Mit einem letzten Blick auf meinen Vater gehe ich wieder hoch, um mich in mein Zimmer zu verschanzen.

Ich stopfe mich mit dem Müsli voll, ein Löffel nach dem anderen, und überlege, was ich heute machen könnte. Ich habe auf nichts Lust. Außer vielleicht auf eine riesige Tafel Schokolade und einem Film in meinem Bett.

Gerade, als ich den letzten Löffel in meinen Mund schiebe, ertönt jedoch der Klingelton meines Handys. Hektisch sehe ich mich um und überlege, wo ich es hingelegt habe. Schließlich entdecke ich es auf meinem Schreibtisch und mit einem Hechtsprung ergreife ich es.

„Hallo?" Gespannt warte ich auf eine Antwort.

„Charlie? Oh mein Gott Charlie, bist du vollkommen bescheuert? Wie kannst du nur mit Nico mitgehen? Was hast du getrieben, mh?", meint Liz aufgebracht und ich ziehe verwirrt meine Augenbrauen zusammen.

„Hä? Ich dachte, dass wäre unser Plan gewesen, aber um dich zu beruhigen. Ich hab nichts gemacht", antworte ich ihr und eine kurze Stille folgt.

„Der Plan war, dass du einen kleinen, unschuldigen Typen kennenlernst, den du dann benutzen kannst. Nicht, dass du dir direkt Nico krallst! Der Typ ist doch lebensmüde, der hätte alles mit dir machen können! Aber dein Plan ist aufgegangen. Jared hat es mitbekommen und ist bis jetzt noch nicht daheim aufgetaucht", sagt sie mit einem leicht verbitterten Unterton. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass es schon kurz vor halb zwölf ist.

„Mach mal halblang. Erstens, war das dein Plan. Zweitens, er war..- nett. Er hat mich nach Hause gebracht."

„Oh, natürlich war er nett. Der versucht doch alles, um Jared eins auszuwischen. Hattest du wenigstens Spaß?"

Langsam werde ich ein wenig wütend bei dem Ton, in dem sie mit mir spricht. Und warum ist sie jetzt gegen mich? Es war doch ihre Idee gewesen, in den Club zu gehen. Macht eine wahre Freundin wirklich sowas?

„Weißt du Liz, ich weiß ja nicht ob du es vergessen hast, aber genau das war dein Plan. Jared eins auszuwischen. Mit wem oder was, darauf bist du nicht eingegangen. Und falls es dich beruhigt, nein ich hatte keinen Spaß. Weil da nichts war. Er hat mich lediglich nach Hause gefahren", sage ich sauer und lege auf, bevor sie überhaupt noch zu Wort kommt.

Wütend auf Liz und ein wenig auf mich selbst, schnappe ich mir meine Boxhandschuhe, um mal wieder mein altes Hobby auszuführen.

In meinen Trainingsklamotten laufe ich runter in den Keller und schalte das Licht an. Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an, seitdem ich das letzte Mal hier war.

Zielstrebig laufe ich auf meinen Boxsack zu und fange ohne Aufwärmübungen an, auf ihn einzuschlagen.

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Zeitsprung 2 Wochen
Die Schule rückt immer näher in mein Blickfeld und ich verfluche alles auf dieser Welt. Wieso werde ich gezwungen, dahin zu gehen?

Seitdem Schluss ist zwischen Jared und mir, musste ich mich wieder daran gewöhnen, zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Schule zu gehen. Kein Audi, der mich jeden morgen dahin kutschiert.

Seufzend betrete ich das Schulgelände und halte Ausschau nach Liz, mit der ich mich mittlerweile vertragen habe. Nur das mit Jared habe ich nicht auf die Reihe bekommen.

Zu meinem Nachteil finde ich Liz direkt neben ihm stehen. Auch der Rest der Jungs stehen um sie herum. Zielstrebig laufe ich auf die Gruppe zu. Schon von Weitem fallen mir die Blicke von Anthony auf, mit denen er Liz regelrecht durchbohrt, sie aber nicht mal was davon mitzubekommen scheint. Ehrlich gesagt frage ich mich langsam, ob das jemals was Ernstes sein wird.

„Hey, Charles", ruft Liz, als sie mich entdeckt und auf mich zuläuft. Ich setze ein Lächeln auf und öffne meine Arme für die bevorstehende Umarmung. Auch die Anderen begrüßen mich. Alle, außer der Junge, von dem ich mir am meisten eine Begrüßung wünsche.

„Was steht heute an, Leute?", fragt Liam in die Runde, doch die Meisten zucken nur mit den Schultern. Mein Blick liegt wie immer auf Jared. Er steht schweigend neben Anthony und sieht sich auf dem Schulhof um.

Die letzten Wochen hat er weder mit mir geredet, noch mich überhaupt beachtet. Ich bin langsam aber sicher Luft für ihn geworden. Aber am meisten stört es mich, dass er durch mich hindurchsieht. Er sieht überall hin, nur nie auf mich, während ich meine Blicke nicht von ihm abwenden kann. War es denn für ihn so einfach gewesen, mich zu vergessen?

„Lasst uns gehen, der Unterricht beginnt gleich", seufzt Liz und hakt sich bei mir ein. Sie beschleunigt ihr Tempo und zieht mich dabei mit, weg von den Jungs.

„Hast du Jared gesehen?", fragt sie und ich wundere mich über ihre überaus bescheuerte Frage.

„Liz, er stand vor mir. Natürlich habe ich ihn gesehen", sage ich verwirrt und sie seufzt.

„Er lacht nicht mehr. Nicht mal ein Grinsen. Gar nichts", meint sie und ich zucke mit den Schultern. Bloß nicht zeigen, dass es mir Nahe geht.

„Weißt du was, ich glaube, ich muss kurz zu meinem Spind. Lauf schon mal vor, ich komme dann nach", sage ich lächelnd und sie nickt, bevor ich mich umdrehe und Richtung Spind laufe.

Mit gesenktem Kopf lasse ich das von ihr Gesagte durch meine Kopf gehen. Lacht er vielleicht wirklich nicht mehr?

In dem Moment fallen mir die ganzen Mädchen ein, die jeden Tag um ihn herumhüpfen. Seit es offiziell ist, dass bei uns nichts mehr läuft, ist es alltägliche Routine. Naive, überschminkte Mädchen, bei denen alles in mir nach 'Hokus-Pokus, Nuttenmodus' schreit.

Ich steuere weiter auf meinen Spind zu, als ich doch tatsächlich in ihn hineinlaufe und fast stolpere. Ich wage einen Blick nach oben und dann geschieht es.

Er sieht mir seit mehreren Wochen endlich wieder in die Augen und die Welt scheint zu erstarren. Aber es ist nicht wie immer, denn alles, was seine Augen ausstrahlen, sind Hass und Verachtung.

„Mach mal deine Augen auf, Miststück", schnauzt er mich an und mir klappt mein Unterkiefer runter. Zunächst fassungslos starre ich ihn an und versuche zu verarbeiten, was er gerade gesagt hat.

„Hast du mich gerade ernsthaft als Miststück beleidigt? Ich und ein Miststück? Na ja, daran werde ich dich erinnern, wenn du bei deiner nächsten Freundin an einer Anderen hängst", sage ich und versuche meine Stimme kalt klingen zu lassen.

Er lacht verbittert auf und wendet seinen Blick ab.

„Und ich werde deinen nächsten Freund schonmal direkt vor Nico warnen. Du scheinst ja gerne in sein Bett zu fliegen", kontert er und ich ziehe die Augenbrauen zusammen.

„Falls es bei dir noch nicht angekommen sein sollte, ich hatte nichts mit Nico. Ich bin schließlich nicht so billig, wie deine kleine, süße Hannah."

„Oh bitte, du verschwendest meine Zeit", meint er und drängt sich an mir vorbei, ohne ein weiteres Wort zu sagen.

Meine Augen folgen ihm, folgen seinen Schritten, all seinen Bewegungen. Und ich weiß wirklich nicht, wie lange ich ihm mit Tränen in den Augen hinterher gesehen habe.

Bester FeindWhere stories live. Discover now