14. Poseidon liebt mich!

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Nie hätte ich gedacht, dass ich mal so glücklich wäre, in einer stickigen U-Bahn voller verschwitzter Menschen zu sitzen, nur um mir drei Kilometer Fußweg zu ersparen. Den Sitzplatz  an der Trennscheibe hatte ich auch nur durch Zufall ergattert, als eine junge Spanierin in ihrem Business-Kostüm die Linie 4 nach der zweiten Station verlassen hatte.

Während ich den Kopf erschöpft gegen das Plexiglas lehnte, stand Henry vor mir und hielt sich an einer der Bakterienmetropolen aus hässlichem gelben Plastik fest. Ich war mir sicher, wenn es heute nicht an die zweiunddreißig Grad gewesen wären, dann hätten wir den ganzen Weg auch wieder zurücklaufen können. Doch da es gerade einmal vier Uhr am Nachmittag war und die Sonne nicht weniger glühte, hatte ich Henrys Vorschlag zugestimmt, uns ein Zehner-Ticket für die Metro zu kaufen.

Warum wir nicht schon viel früher auf die Idee gekommen waren, wusste ich selbst nicht. Wahrscheinlich weil ich sowieso nie darüber nachdachte, den Bus oder die Bahn zu nehmen oder damit wir auf unserer Entdeckungsreise via Fußmarsch noch viel mehr von Barcelona sehen konnten als die gewöhnlichen Touristenattraktionen.

Die Metro ruckelte, während sie durch die Tunnel donnerte und wenn eine mechanische Stimme nicht ständig die nächste Haltestelle angekündigt hätte, dann wäre ich womöglich selbst bei diesem Geschaukel eingeschlafen. Es war Henry gewesen, der sich über die Fahrpläne informiert hatte, während ich viel zu konzentriert gewesen war, nicht neben ihm zu Boden zu sinken und ein Nickerchen auf den schmutzigen Steinplatten zu machen. Daher hoffte ich bei jeder angesagten Station, dass wir noch nicht aussteigen mussten.

„Hey", holte mich eine raue Stimme von meinem Weg Richtung Traumland zurück. Offenbar war ich doch noch eingedöst, denn ich schreckte bei dem Klang hoch und blinzelte verwirrt. „Wenn wir nicht ans andere Ende der Stadt fahren wollen, müssen wir jetzt aussteigen. Ich glaube, wir sind ohnehin weiter gefahren als wir wollten."

„Du hattest du nur einen Job", murmelte ich, war aber noch zu verschlafen, um ihm ernsthafte Vorwürfe machen zu können. Er schien mich ohnehin nicht gehört zu haben, als er etwas über meinem Kopf studierte – wahrscheinlich den Fahrplan.

„An der nächsten Station steigen wir aus, dann schauen wir, wo wir gelandet sind", entschied Henry und sein Blick wanderte zu der elektronischen Anzeige. Ich brachte nichts als ein Nicken zustande. Bevor ich wieder einnicken konnte, stand ich auf und klammerte mich an Henrys Stange fest.

Ähm.

An derselben Stange wie Henry, wollte ich sagen.

Ich schüttelte den Kopf. Ich musste dringend ein wenig wacher werden, meine Gedanken waren schon von Henrys Einfluss beschmutzt.

Als die Metro ratternd zum Halt kam, war ich einer der Ersten, die aus dem Waggon flüchtete. Langsam kam wieder Energie in mich, die ich dafür nutzen wollte, endlich frische Luft atmen zu können. Henry hatte keine Mühe, mir zu folgen und war dicht hinter mir.

Sobald wir den Untergrund verlassen hatten, wehte mir eine salzig frische Windböe durch das Haar. Seit wann lag unser Hotel am Meer?

„Ups, wir sind etwas zu weit gefahren", sagte Henry, der die Straße hinunterschaute. Als ich seinem Blick folgte, entdeckte ich unzählige Segelmäste, in deren Hintergrund ein knalliges Türkis am Horizont an den blauen Himmel mündete.

Ich spitzte die Lippen. „Du hast also unsere Station verpasst?"

„Wenigstens habe ich nicht die Bahn im Schlaf besabbert", kam prompt die Erwiderung. Empört hatte ich schon den Mund geöffnet, da fuhr er auch schon fort: „Aber wenn wir schon mal hier sind, können wir uns den Hafen etwas anschauen!"

Dann lief er einfach los.

Von wegen Station verpasst – das hatte der Wicht doch geplant!

Da Henry unser Multiticket hortete und ich weder Geld für ein eigenes Ticket hatte noch wusste, in welcher Richtung unser Hotel lag, äußerte ich meinen Grimm mit einem Augenrollen, ehe ich meinem Kameraden widerwillig folgte. Ich war schließlich immer noch ein bisschen müde und wollte eigentlich nur noch ins Bett.

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