1. Der geplatzte Filmabend

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Der Anruf kam, als ich mich gerade mit einer großen Schüssel Popcorn auf der Couch niedergelassen hatte. Auch die Fernbedienung hielt ich schon in der Hand, um Netflix und damit meine ganz persönliche Horrorfilmnacht zu starten.

Die ich – wie jeden Samstagabend, wenn ich sonst nichts vorhatte – alleine verbrachte. Nicht, weil ich keine Freunde hatte, sondern weil ich bis jetzt niemanden kannte, der sich freiwillig Horrorfilme antat. Meine Mom und ihre Freundin schauten bis auf Nachrichten ohnehin kein Fernsehen und wenn sie ins Kino gingen, schauten sie sich Komödien an, die Frauen über 40 eben gerne schauten. Und Fifty Shades of Black oder wie auch immer dieser pseudoerotische Scheiß hieß.

Kurz überlegte ich, einfach so zu tun, als hätte ich ganz aus Versehen mein Handy auf stumm geschaltet und hätte deswegen den Anruf nicht gehört. Aber da ich die Nummer nicht kannte, dachte ich mir, dass ich der Person am anderen Ende der Leitung am besten so schnell wie möglich versicherte, dass sie die falsche Nummer gewählt hatte. Nicht mal eine Minute und schon würde ich mich meinem ersten Horrorfilm widmen können.

Ich seufzte unwillig, als ich die Fernbedienung zur Seite legte, die Hand nach dem schrillenden Mobilfunkgerät ausstreckte und fluchte, weil meine Arme zu kurz für die Entfernung waren.

Letztendlich hatte ich das Handy doch noch nach einigen improvisierten Gymnastikübungen in der Hand und nahm den nervigen Anruf entgegen.

„Hallo?", meldete ich mich so höflich wie nur möglich und stopfte mir sogleich auch eine Handvoll Popcorn in den Mund. Die mit Buttergeschmack waren die leckersten!

„Guten Abend, spreche ich mit, ähm, November Zottel?", meldete sich eine männliche, recht sachlich klingende Stimme – naja, bis er meinen Namen sagte, der des Öfteren bei einigen Personen Verwunderung auslöste. Verständlich, immerhin benannten Eltern ihre Kinder bis auf ein paar bekannte Ausnahmen wie April, Mai und Juli und vielleicht auch June nicht nach einem Monat. Vor allem nicht nach einem Herbstmonat, bei dem Dauerregen und Blattausfall bei Bäumen Standardprogramm waren. Und mein Nachname machte das Ganze auch nicht besser.

„Kommt drauf an, wer Sie sind und wen Sie eigentlich erreichen wollen", sagte ich trocken. Sollte er nicht wissen, wen er anrief?

Der Typ teilte mir seinen Namen mit und nannte mir dazu noch seine berufliche Position bei der Polizei, was mich allerdings eher weniger interessierte. Viel wichtiger war doch, warum die Polizei mich anrief. Hatte ich etwas angestellt?

Ich hielt inne, als ich meine Hand schon zum zweiten Mal in dem Popcorn vergraben hatte, und setzte mich sofort aufrecht hin.

„Oh mein Gott, geht es vielleicht um den Strafzettel, den ich vor zwei Wochen bekommen habe, weil ich im Parkverbot geparkt habe?", fragte ich nervös. Meine Mutter hatte sich doch eigentlich darum kümmern wollen, weil sie zufällig den Politeuren kannte, der mir besagten Strafzettel ungerechterweise aufgebrummt hatte. Hatte Mama nicht noch vor ein paar Tagen behauptet, dass sie ihn hatte von dem nun mal sehr leicht übersehbaren Straßenschild überzeugen können?

„Für die Überwachung des ruhenden Verkehrs bin ich nicht zuständig", kam die verwirrte Antwort, woraufhin ich erleichtert ausatmete.

Gott sei Dank! Die Polizei ist nicht wegen des Strafzettels–

Sofort setzte ich die Popcornschüssel auf den Couchtisch und runzelte die Stirn. „Und aus welchem anderen Grund rufen Sie mich dann an? Wenn es um den Banküberfall vor drei Wochen geht: Ich war in der Bäckerei gegenüber und habe die Zimtschnecken angehimmelt. Als Zeugin wäre ich alles, nur nicht hilfreich."

Vielleicht sollte ich mir mal angewöhnen, die Menschen, die etwas von mir wollten, sprechen zu lassen, bevor ich den Mund öffnete.

„Auch das fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich, aber gut zu wissen", murmelte der werte Herr Kommissar-oder-nicht-Kommissar-das-war-hier-die-Frage. „Der Grund, weshalb ich Sie anrufe, ist Ihre Freundin Lisbeth Schiffer."

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