41. Welcome Home, Henry!

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Wir erreichten Bologna am späten Nachmittag. Oder vielmehr das Gebiet der Metropolitanstadt. Laut Alains Karten-App müssten wir weitere elf Kilometer fahren, um das Stadtzentrum zu passieren, allerdings lag Henrys und mein Ziel nicht in der dichten Besiedelung der Stadt, sondern in einem kleinen Vorort, der sich Zola Predosa nannte.

Seit wir die Stadt Modena durchquert hatten, wo wir nur für einen kleinen Zwischenstopp bei McDonalds angehalten hatten, sprühte Henry förmlich vor vorfreudiger Ungeduld wie ein kleiner Junge, der an Heiligabend nicht schnell genug den Gottesdienst verlassen konnte, um zu seinem leuchtenden Weihnachtsbaum zurückzukehren, wo mittlerweile ein Berg ultracooler Geschenke auf ihn wartete. Meine Lippen reagierten ganz von allein mit einem Lächeln auf das glückliche Funkeln, mit dem er aus dem Fenster schaute und die altbekannte Umgebung mit purem Genuss beäugte. Man brauchte nun wirklich kein abgeschlossenes Psychologie-Studium, um sofort zu erkennen, wie sehr er seine italienische Heimat vermisst hatte.

„Und ihr wollt wirklich nicht noch mit in die Stadt?", hakte Maurice nach, als Henry ihn auf eine Straße navigierte, die sie von dem direkten Weg nach Bologna-Mitte wegführte. Es war auch die erste Straße, an der die Gemeinde Zola Predosa ausgeschildert wurde. „Das hier ist quasi unser letzter Abend, bevor sich unsere Wege trennen."

„Ich weiß" seufzte Henry und ich war mir sicher, ob der bedauernde Ton ehrlich war. „Eigentlich müssten wir unseren Abschied feiern, aber mein Bekannter hat zwei kleine Jungs und da können wir nicht allzu spät auf der Matte stehen. Außerdem habe ich ihn schon seit ein paar Jahren nicht mehr gesehen, weshalb der Abend sich perfekt für ein Wiedersehen eignet, bevor wir morgen früh unsere Restreise nach Rom antreten müssen."

Im Gegensatz zu Henry kannte ich Bologna noch nicht und auch wenn ich mir die Stadt liebend gerne anschauen würde, weil sie zumindest auf Instagram-Posts einen wunderschönen Eindruck auf mich gemacht hatte, war ich jetzt schon ein bisschen müde von der langen Fahrt. Eine abendliche Sightseeing-Tour würde ich einfach nicht schaffen. Zudem hatte Henry recht: Wenn wir bei seinem Bekannten unterkommen wollen, sollten wir ihre Gastfreundschaft nicht mitten in der Nacht anfragen.

„Abgesehen davon war es ein langer Tag und ich bin froh, wenn ich gleich nicht mehr großartig durch fremde Gegenden tingeln muss – und wir können nun wirklich nicht von euch verlangen, nochmal Taxi zu spielen", fügte ich hinzu. „Wir sind euch für unsere Mitnahme unendlich dankbar, das könnt ihr mir glauben."

„Ach, das ist doch nicht der Rede wert!", erwiderte Maurice und grinste uns im Rückspiegel an. „Ihr wart so coole Mitfahrer, dass wir das jederzeit wieder für euch tun würde. Stimmt's, Alain?"

Dieser nickte. „Es wäre wirklich kein Umweg für uns, euch später zu eurem Bekannten zu fahren, aber ich an eurer Stelle würde heute auch nur einen entspannten Abend machen."

Ich würde die beiden vermissen wie Grace und Callum. Die Mitfahrgelegenheit bei ihnen hatte einfach Spaß gemacht, weil wir als Gruppe sehr gut harmoniert hatten. Ich hoffte, dass wir auch in Zukunft in Kontakt blieben, auch wenn es nur ein monatlicher Smalltalk via Instagram war, aber ich empfand es als schade, wenn man sich aus den Augen verlieren sollte, wo man sich doch so gut verstanden hatte. Vielleicht würde ich auch den Kontakt zwischen Alain und Lizzy herstellen, da mich das Gefühl nicht losließ, dass die beiden sich gut verstehen würden. Alain, der ruhige Geselle und Lizzy, das Energiebündel. Aber erst mussten wir nach Rom kommen.

Es verging nur eine Viertelstunde, als Maurice den Fiat Tipo vor einer kleinen Stadtvilla parkte, deren Natursteinfassade zur Hälfte mit Kletterhortensien begrünt war. Dieses Heim sah aus wie ein italienischer Traum im Grünen. Ein heller Kiesweg führte von dem kleinen Holztor durch belebte Blumenbeete zu einem kleinen Vorbau mit Rundbogen, wo die Haustür unter einem kleinen Balkon die Besucher herzlich empfing. Die Fenster waren mit dunklen Fensterläden aus edlem Holz versehen und schmiegten sich wunderbar an die historische Fassade.

Alle Wege führen nach RomWhere stories live. Discover now