22. Der Fluch der rosaroten Brille

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In der Nacht wachte ich des Öfteren auf – und wer hätte gedacht, warum: Richtig, weil mir kalt war. Und was hatte ich dagegen unternommen? Richtig, nichts, weil mein Stolz Henry nicht wecken wollte und ich keine wärmende Alternative hatte. Also hatte ich mich selbst und meine große Klappe verflucht, meine Position gewechselt, die mir augenscheinlich wärmer erschien und hatte mich abermals in das Land der Träume gewagt, nur um eine Stunde später wieder wach zu werden und das nächtliche Ritual zu wiederholen.

Und Henrys leises Schnarchen machte das Ganze auch nicht besser, auch wenn es prinzipiell ganz niedlich klang.

Um halb sieben wurde es wenigstens ein bisschen wärmer, doch nun sah ich keinen Sinn mehr, auf angemessenen Schlaf zu warten, also schnappte ich mir meinen Kulturbeutel und ein frische Kleidung für den Tag. Handtücher zum Duschen hatte Grace uns ebenfalls zur Verfügung gestellt und eine heiße Dusche war gerade genau das, was ich brauchte.

Eine halbe Stunde später kehrte ich frischer als ich mich fühlte zum Zelt zurück. Da Grace und Callum noch immer im Camper waren und ich nicht einsam an der leeren Feuerstelle sitzen wollte, beschloss ich, im Zelt zu bleiben und zu lesen. Das Sonnenlicht reichte, um auch das Zeltinnere in angenehmes Licht zu tauchen.

Ich hatte mich gerade wieder unter die Decke gekuschelt, als Henry sich neben mir bewegte und ausgiebig gähnte.

„Du bist ja schon wach", murmelte er überrascht und stützte sich auf die Ellbogen. „Oder noch?"

Ohne von meinem Buch aufzuschauen antwortete ich: „Ich bin schon so früh auf den Beinen, weil ich ausgezeichnet geschlafen habe."

„Du hast also nicht gefroren? Weil als ich in der Nacht mal den Arm aus dem Schlafsack gestreckt habe, habe ich es fünf Minuten später wieder bereut."

Schön für ihn und seinen Schlafsack.

„Du scheinst eine sehr empfindliche Spezies der Frostbeulen zu sein", erwiderte ich nur. Bevor er darauf etwas antworten konnte, wechselte ich rasch das Thema: „Es ist übrigens fast halb acht. Grace und Callum stehen gleich bestimmt auch auf und nach dem Frühstück fahren wir ja sofort los. Du solltest dich auch langsam fertig machen, immerhin müssen wir das Zelt noch abbauen und verstauen."

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass er nickte, jedoch keine Anstalten machte, sich zu erheben. Stirnrunzelnd sah ich ihn an.

„Am besten wäre es jetzt", betonte ich. Henry grinste.

„Du hast ‚langsam' gesagt. Außerdem verleiht der gemütliche Schlafsack am frühen Morgen viel mehr Campingfeeling, was ich gerne noch so zehn Minuten genießen würde."

Draußen wurde eine Tür zugeschlagen. Gleich darauf rief Grace ihrem Mann zu, er solle schon einmal vier Eier kochen. Mein Blick wanderte wieder zu Henry, der sich wieder hinlegte, die Arme hinterm Kopf verschränkt und die Augen geschlossen.

„Du hast Grace gehört, wir sollten gleich helfen", versuchte ich abermals, ihn zum Aufstehen zu bewegen. Seit wann war ausgerechnet er denn so faul?

Er seufzte schwer. „Du kannst ja schon mal rausgehen, dann kann ich mich besser umziehen."

Jetzt war ich vollends verwirrt. Gestern Abend hatte er sich doch auch in den Waschräumen umgezogen!

„Ich verstehe ehrlich dein Problem nicht, normalerweise–"

„November, bitte, es wird sonst sehr peinlich", presste er hervor. Er klang genervt und vielleicht auch etwas – beschämt?

„Wieso, trägst du etwa eine Happy-Meal-Boxershorts?" Bei der Vorstellung kicherte ich leise in mich hinein. Henry dagegen fand das nicht ganz so witzig. Seine Entspannung fiel nun vollends von ihm ab, als er sich abermals auf seine Ellbogen stützte.

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