44. Ein intriganter Casanova

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Bei dem ausgiebigsten Frühstück, mit dem ich wohl je in meinem ganzen Leben in den Tag gestartet bin, besprachen wir mit Mariela das weitere Vorgehen. Es war halb zehn am Morgen und Floriano hatte sich schon vor einer halben Stunde verabschiedet, um nicht allzu verspätet beim Training aufzutauchen. Wenn er Glück hätte, hatte er gesagt, wäre sein neuer Ingenieurschef nur halb so entspannt wie Henrys Vater, wenn er nur zehn Minuten zu spät zum Set-Up des neuen Wagens auftauchte. Zuvor hatte er schon die Jungs zur Schule gebracht und war nur wieder nach Hause gekommen, um uns noch einmal zu sehen. Anschließend wünschte er uns eine sichere Weiter- und Heimreise und nahm uns das Versprechen ab, die Familie bald wieder zu besuchen.

„Floriano und ich haben uns heute Morgen über eure Weiterreise unterhalten und sind uns schnell einig geworden, euch zwei Zugtickets zu schenken", eröffnete Mariela uns den heutigen Plan, als sie uns einen köstlich duftenden Cappuccino servierte. „Mit dem Zug seid ihr knapp drei Stunden unterwegs. Dann müsst ihr euch um keine Mitfahrgelegenheit kümmern oder fast fünf Stunden mit dem Auto auf euch nehmen. Wäre euch das recht?"

„Mit dem Zug zu fahren wäre wirklich großartig. Vielen Dank, Mariela!", sagte Henry und strahlte mich nahezu an. Ich selbst bevorzugte die Zugfahrt auch, immerhin konnte die Suche nach einer vernünftigen Mitfahrgelegenheit zum richtigen Zeitpunkt an den Nerven zerren. Aber nicht nur das stimmte mich erleichtert, sondern auch zeitlich war der Zug die bessere Option: Je früher wir in Rom eintrafen, desto mehr Zeit hatten wir dort noch. Allerdings fühlte ich mich bei Marielas Angebot nicht ganz so wohl wie Henry.

„Vielen lieben Dank, Mariela, das ist wirklich lieb von euch", pflichtete ich Henry bei. „Aber das können wir nicht annehmen, so eine Zugfahrt ist bestimmt nicht billig und das können wir nun wirklich nicht von euch verlangen, wo ihr uns schon so-"

„Ach was!", unterbrach sie mich und vollführte eine abwinkende Geste. „Das tun wir liebend gerne für euch. Abgesehen davon ist eine Fahrt gar nicht mal so teuer. Dank Florianos Status bei Ferrari bekommt er zusätzlich einen großzügigen Rabatt beim Kauf von jeglichen Tickets des ÖPNV. Macht euch also darüber mal keine Gedanken."

Nun strahlte ich sie auch an. „Vielen Dank!"

Sie lächelte. „Nicht dafür!"

Wir plauderten noch eine Weile über unsere Pläne, sobald wir in Rom ankommen würden und Mariela versicherte sich bei uns, dass wir noch wissen, in welchem Hotel wir dort untergebracht waren. Gott sei Dank hatte ich sogar an meinem Handgepäck einen Gepäckanhänger angebracht, sodass ich dort Name und Adresse des Hotels aufgeschrieben hatte. Bei einem Flug nach Augsburg war es schon einmal vorgekommen, dass ich versehentlich ein zu großes Handgepäckstück dabeihatte und dieses aufgeben musste. Seitdem ging ich lieber eine Nummer sicher.

Ein wenig später holten Henry und ich unsere Sachen aus dem Gästezimmer, als es Zeit für uns wurde, zum Bahnhof aufzubrechen, denn unser Zug würde um kurz nach elf abfahren. Damit wären wir spätestens um zwei in Rom und konnten den Nachmittag für die wichtigsten Besichtigungen nutzen, bevor es morgen Vormittag zurück nach Hannover ging.

Ich sah zwar nicht viel von Bologna, aber die wenigen Aussichten auf dem Weg zum Bahnhof nutzten Mariela und Henry, um mir möglichst viel zu zeigen und zu erläutern. Henry erwähnte dabei, in welcher Nebenstraße er das Rauchen ausprobiert (und es inbrünstig zu verabscheuen gelernt) hatte und welche Eisdiele das beste Eis von Bologna verkaufte. Zudem fuhren wir an vielen süßen Straßen der Altstadt vorbei, die die Vorstellung eines märchenhaften Italienurlaubs perfekt erfüllte.

Als wir das neoklassizistische Gebäude des Hauptbahnhofes erreichten, verspürte ich innerlich eine Enttäuschung, nicht mehr von Henrys dreijähriger Heimatstadt sehen zu können. Ich war mir sicher, dass es viel mehr von Bologna zu entdecken gab und wünschte, Henry könnte mir noch viel mehr von der Stadt und seinen Lieblingsorten zeigen, doch leider wartete ein Zug nach Rom auf Gleis 3 auf uns.

Alle Wege führen nach RomWhere stories live. Discover now