27. Das Koffer-Battle

217 23 53
                                    

Auf der Fahrt nach Aix-en-Provence gerieten wir in einen Stau. Dieser kostete uns etwa zwanzig Minuten, den ich mit etwas Lesen nutzte, während Grace und Callum mit ihren Kindern telefonierten. Henry hatte wieder Spaß daran, sein Notizbuch zu füllen und Ella durchstöberte auf ihrem Smartphone die Fotos. Ein paar bearbeitete sie dann auch direkt und fragte uns ab und zu, ob das Foto tauglich war. Die besten Fotos lud sie auf Instagram hoch, sodass ihre Familie und Freunde immer Bescheid wussten, wo sie war und was sie erlebte.

Der erste Teil der Route führte tatsächlich an der Rhone entlang, da wir für die Pont du Gard weiter von Nîmes gelegen war als wir angenommen hatten. Zwar fuhren wir nicht am Ufer entlang, sondern begegneten dem Fluss eher etappenweise, je nachdem ob dort ein Dorf lag oder die Straße am Ufer entlang hatte erbaut werden können.

Auf der Fahrt selbst hatten hielten sich die Gesprächsthemen für heute in Grenzen, da wir schon viel über einander ausgetauscht hatten. Belanglose Gegenstände wie die Umgebung oder typische Schulanekdoten bewahrten uns vor unangenehmem Schweigen. Irgendwann war auch das Thema Schule nicht mehr das Interessanteste und ich überlegte krampfhaft, worüber man reden konnte, ohne dass es zu einer Höflichkeitsfloskel wurde.

Ich erinnerte mich an die Autofahrt mit Pierre und Hélène, als Henry und ich Kofferpacken gespielt hatten. Es wäre zumindest eine Ablenkung.

„Was haltet ihr davon, ein Spiel zu spielen?", schlug ich meine Idee vor, bevor die Stille zu lange anhielt. Im Fahrerhaus sang Grace leise zu einem Hit aus den 70ern mit, stoppte allerdings und drehte sich lächelnd zu uns um.

„Klingt gut. Hast du eine Idee?"

„Bei unserer ersten Mitfahrgelegenheit haben Henry und ich Kofferpacken gespielt", sagte ich und erklärte kurz die Regeln. Niemand hatte irgendwelche Einwände oder eine besser Idee, also fing ich an. „Ich packe meinen Koffer und nehme mit: eine Kamera.

Als nächstes war Ella an der Reihe und sie legte eine Sonnenbrille hinein. Callum wählte einen klassischen Discman, Grace entschied sich für ihre Gitarre und Henry bildetet das Schlusslicht mit einer Packung Joghurts. Das schelmische Grinsen entging mir natürlich nicht. Ich wusste auch ganz genau, an welche Marke und Sorte er genau dachte.

Ich wiederholte die ersten fünf Begriffe und fügte noch ein Notizbuch hinzu. Henry schmunzelte nur. So ging das ungefähr drei Runden, ehe Callum die ersten Schwierigkeiten hatte, alle Begriffe korrekt aufzuzählen, aber er musste sich ja auch auf den Straßenverkehr konzentrieren. Nachdem ich noch Handcreme in unseren imaginären Koffer legte, war Ella wieder an der Reihe. Sie zählte die Gegenstände auf und überlegte kurz bei ihrem neuen Begriff, ehe sie ein flottes Grinsen zu Tage förderte.

„Und eine Packung Kondome", wählte sie und lehnte sich selbstbewusst zurück. Grace jubelte, Callum lobte sie scherzhaft und Henry äußerte mit einem Grinsen, dass das wahrscheinlich keine schlechte Idee für eine Packliste sei.

Aha! Das war wohl der nächste Schritt. Ein indirektes Angebot, dessen war ich mir sicher! Sie war clever, ihre Absichten so subtil hervorzubringen, aber nicht clever genug, um es vor mir geheim zu halten. Aber wenn sie glaubte, ich ließ mich von einer Packung Kondome einschüchtern, dann hatte sie sich geschnitten!

Ungeduldig wartete ich, bis ich wieder an der Reihe war. Es folgten Gegenstände wie Parfüm, eine Flasche Wein und Henry legte letztendlich noch eine Packung Salzstangen hinein.

„Die können lebensnotwendig sein, je nachdem in welcher Phase man sich befindet", sagte er nur dazu. Wenn wir später im Zelt lagen, musst eich dringend mit ihm reden. Schon in den letzten Runden wählte er immer Begriffe, die während unseres Kurztrips eine Rolle gespielt hatten und bei denen ich das Gefühl hatte, dass er mir indirekt etwas sagen wollte.

Alle Wege führen nach RomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt