47. Das letzte Abendmahl

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Die Navigation zum Piazza Navona hatte Tristan freilich übernommen, was Vera ein paar neckende Kommentare von Denise eingebracht hatte, als wir ohne irgendeinen Umweg am vereinbarten Treffpunkt ankamen. Dieser war der sogenannte Vierströmebrunnen, an dem uns auch das letzte Referat der Klassenfahrt erwartete.

Dank Veras kleinen Umwegen kamen wir zwar nur zehn Minuten zu spät, aber wir waren dennoch die letzten Eintreffenden. Das bedeutete, dass auch Henry schon unter den Wartenden weilte. Seine Augen fanden mich sofort – als hätte er nur auf meine Ankunft gewartet – und nachdem er Kai, der mich angeregt über unsere Reise ausquetschte wie eine Zitronenpresse, kurz begutachtete, wandte er den Blick schnell wieder ab. Was er dabei dachte, ließ sich für mich leider nicht in seiner Miene ablesen.

„Hat Henry nicht mal in Bologna gelebt?", hakte Kai nach und deutete sogar auf meinen Reisekumpan. Ich räusperte mich.

„Äh ja, ich glaube schon. Wir sind bei Bekannten untergekommen und sind heute das letzte Stück mit dem Zug gefahren. Es war also sehr unspektakulär", schloss ich meinen sehr kurzen Bericht über unsere Reise und ich war jetzt schon genervt, den ganzen Mist erneut durchkauen zu müssen. Denn beim gemeinsamen letzten Abendessen dieser Klassenfahrt würden Henry und ich sicherlich nochmal von allem erzählen müssen und selbst das würde nicht das letzte Mal bleiben. Sowohl meine Eltern und Anna, als auch Augsburg würden mich mit Fragen löchern, denn denen hatte Papa bestimmt von meiner Klassenfahrt der etwas anderen Art erzählt.

„Unspektakulär?!", wiederholte Kai ungläubig und beugte sich zu mir, um leise fortzufahren: „Jeder mit ein bisschen Verstand hat mit euch tauschen wollen! Oder hättest du lieber einen Vortrag über die Engelsburg halten wollen?"

Ja, dachte ich prompt, aber schüttelte für Kai nur den Kopf.

„Siehst du! Außerdem waren Kleicker und Lenz alles andere als entspannt unterwegs. Sie hatten ständig ihre Augen auf allem und jeden und du kannst froh sein, dass die beiden gerade ihre Nase in den Reiseführer stecken."

Wie aufs Stichwort vergewisserte ich mich, dass unsere Lehrer wirklich in diesem Moment in ihre Rombroschüre vertieft waren und intensiv irgendwas zu bequatschen schienen. Ich runzelte die Stirn. „Wieso das denn?"

„Na, wenn sie bemerkt hätten, dass wir zu spät sind, hätten sie uns eine Predigt gehalten, in der sie betont hätten, wie viele Sorgen sie sich gemacht hätten. Seit eurem Verschwinden sehen sie die Gefahren an jeder Ecke."

Als er unser Verschwinden ansprach, kam mir plötzlich eine Frage wieder in den Sinn, die ich mir schon die ganzen letzten Tage gestellt hatte: „Apropos, wie kann es eigentlich sein, dass ihr einfach ohne uns nach Rom geflogen seid? Dürfen die beiden das einfach, weil wir achtzehn sind? Immerhin tragen sie trotzdem die volle Verantwortung für uns."

Kai nickte fast schon eifrig. „Ja ja, das ist ja das Problem und der Grund für ihre Überfürsorge gewesen. Sie tragen die volle Verantwortung, weil wir noch Schüler sind – achtzehn hin oder her. Als wir am Gate standen, war es dort richtig voll. Als Kleicker durchgezählt hat, hat er versehentlich zwei andere Jugendliche mitgezählt, die neben uns standen. Manche hatten Bescheid gegeben, eben aufs Klo zu gehen – so auch Lizzy und Rebekka. Sie kamen erst wieder, als schon ein paar geboardet haben, deswegen ist es niemandem aufgefallen. Lizzy meinte, sie dachten, du seist schon im Flieger. Es fiel uns erst beim erneuten Durchzählen nach der Landung auf, dass ihr fehlt. Es war ein totales Chaos an dem Tag!"

Wem sagte er das! Kai schien in richtiger Plauderlaune zu sein und hörte erst mit seinen Ausschweifungen über die Auswirkungen unserer Abwesenheit auf, als unsere Lehrer die Aufmerksamkeit aller einforderten. Zuallererst vergewisserten sie sich, dass diesmal auch wirklich alle ihrer Schüler eingetroffen waren und begrüßten Henry und mich voller Erleichterung und so überschwänglich, als wären wir die VIPs für diesen Abend. Ich war nur froh, dass Frau Lenz ihre Überschwänglichkeit darauf beschränkte, uns die Hand auf den Oberarm zu legen, obwohl man ihr ansehen konnte, dass sie uns am liebsten in eine großzügige Umarmung gezogen hätte. Herr Kleicker dagegen nickte uns zu, während er uns willkommen hieß. Bevor sie uns eine Willkommensfeier schmissen, mussten wir ihnen versprechen, beim Dinner alles von unseren Abenteuern zu erzählen, denn erst wollten sie das letzte Referat abhalten.

Alle Wege führen nach RomWhere stories live. Discover now