23. Unglückliche Planänderung

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Versteht mich nicht falsch, Ella war nett zu mir.

Und genau das ging mir gegen den Strich, weil sie eben nett zu mir war. Nett war die kleine Schwester von Scheiße, gepaart mit überschüssigem Gekicher und fast schon chronischem Zwinkern.

Ich war weder blind, noch blöd, und dass Miss Manchester-Ella mit ihrem nervigen britischen Akzent schamlos versuchte, Henry zu imponieren, wäre selbst Sheldon Cooper aufgefallen. Da hätte ich ja gleich mit Melissa auf Reisen gehen können.

Dabei hatte ich gerade angefangen, den Roadtrip zu genießen.

Ach verflixt! Hätte ich Henry diesmal absichtlich das Antworten überlassen – denn uns als Paar hinzustellen war ja irgendwie sein Spezialgebiet. Dann müsste ich jetzt nicht dieses Geplänkel tragen.

Am späten Nachmittag erreichten wir dann endlich Montpellier. Ich konnte es kaum erwarten, die Stadt mit der ursprünglichen Reisekonstellation zu verlassen, doch Grace schlug vor, hier unsere Mittagspause zu verbringen. In der Innenstadt gab es eine riesige Auswahl an Restaurants und wir konnten so ein wenig die Stadt erkunden. Allerdings wollten wir Letzteres nicht ausführlich unternehmen, da unsere Zeit etwas begrenzt war und Montpellier sich im Grunde genommen nicht viel von anderen Großstädten unterschied. Mir war alles recht, solange unsere Weiterfahrt ohne eine Form dieser Femme Fatale stattfand.

Ella entschied sich, erst mit uns zu Mittag zu essen, sozusagen als kleiner Abschied, und im Anschluss eine Mitfahrgelegenheit nach Paris zu suchen. Damit war die Sache beschlossen und Callum parkte das Wohnmobil auf einem Parkplatz nahe der Innenstadt. Wir brauchten auch nicht lange, ehe wir durch die erste Straße schlenderten. Dort befanden sich sogar ein paar Imbisse, Cafés und Restaurants, doch um etwas mehr von der Stadt zu sehen, bahnten wir uns einen Weg Richtung Stadtkern. Währenddessen wurden vereinzelte Fotos geschossen. Einmal wollte Henry sogar, dass ich mich an eine Straßenlaterne lehnte für eine instagramtaugliche Aufnahme, aber ich winkte ab. Zum einen war ich so gar nicht in der Stimmung für unbekümmerte Fotos und zum anderen, waren solche Möchtegern-Modelbilder nicht gerade meine Stärke.

Ella dagegen fand die Idee super und ließ sich von Henry an einer Straßenlaterne fotografieren. Bisher hatte sie ihn kein einziges Mal gefragt, ob er nicht mit ihr auf ein Foto wolle, was mich ehrlich wunderte, denn das würde mich nicht überraschen.

Als wir das passende Restaurant gefunden hatten, setzte ich mich absichtlich so an den Tisch, dass Grace und Callum mir gegenüber saßen, und jeweils ein Platz links von mir und rechts von mir am Kopf frei waren. Ella war diejenige, die sich an das Kopfende setzte.

Der Kellner kam auch sofort, gab uns die Speisekarten und nahm unsere Getränkebestellung auf. Nachdem ich einmal für alle bestellt hatte, da der Kellner ein paar Schwierigkeiten mit Englisch hatte, schlugen Henry und ich Grace und Callum unsere Routenideen vor. Auch wenn es kein besonderes Gespräch war, war ich dennoch dankbar, dass Ella mal nicht redete, immerhin würde sie ja auch nicht dabei sein.

„Nach Nîmes zu fahren war ohnehin Teil des Plans", sagte Callum und nippte an seiner Cola. Grace blätterte derweil durch unsere Reisebroschüre. „Der Weg durch Aix-en-Provence läge auch auf dem Weg nach Marseille, das ist also auch kein Problem. Luberon dagegen liegt etwas nördlich. Daher müssen wir entscheiden, ob wir an der Rhone entlang fahren oder lieber nochmal eine antike Stadt besichtigen."

„Was ist, wenn wir gar nicht nach Marseille fahren?", warf Grace plötzlich ein und blickte von der Broschüre hoch. Callum runzelte die Stirn. „Wir könnten von Aix-en–Provence zu dieser Verdonschlucht fahren, die sieht doch wunderschön aus! Ich meine, Städte haben wir doch quasi auf der ganzen Fahrt und sind irgendwann nichts Besonderes mehr. Die Natur dagegen bleibt jedes Mal aufs Neue wunderschön."

Alle Wege führen nach RomWhere stories live. Discover now